Von der Straße auf die Bühne

Spektakuläre Aktionen sind bei der Battle Of The Year garantiert. Archivfoto: Veranstalter/Nika Kramer
Spektakuläre Aktionen sind bei der Battle Of The Year garantiert. Archivfoto: Veranstalter/Nika Kramer

Das Battle Of The Year zeigt, dass Break­dancen den Kinder­schuhen entwachsen und auch in der Hochkultur seinen Platz gefunden hat. Eine Jugend­kultur ist es gleich­wohl noch immer. Zeit sich das Phänomen Break­dance in Braun­schweig genauer anzusehen.

Das Battle Of The Year, kurz BOTY, feiert am 19. Oktober in Braun­schweig seinen 25-jährigen Geburtstag. Als Teil einer Jugend­be­we­gung, so könnte man denken, muss der Wettkampf ganz schön in die Jahre gekommen sein. Aller­dings zeigt das BOTY Jahr für Jahr, dass der Traum ewiger Jugend(kultur) möglich ist. Das BOTY gilt als größter, inter­na­tio­naler Break­dance-Wettbe­werb, hunderte Tänzer aus der ganzen Welt treten in Crews oder einzeln gegen­ein­ander an.

Die Veran­stal­tung am Sonnabend, 18. Oktober (18.30 Uhr), in der Volks­wagen-Halle und das Rahmen­pro­gramm u.a. mit der Dance Theatre Night am Donnerstag, 16. Oktober (20 Uhr), im Kleinen Haus des Staats­thea­ters werden unter anderem von der Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz und der STIFTUNG NORD/LB • ÖFFENTLICHE unter­stützt.

Das BOTY ist so etwas wie ein riesen­großes, öffent­li­ches Klassen­treffen, viele B‑Boys und B‑Girls, wie man die Break­dancer nennt, kennen sich schon seit Jahren und treffen sich auf Wettkämpfen wie diesen. Kein Wunder, ist die Szene doch durch die Möglich­keiten des Internets weltweit vernetzt. Trotz der großen Aufmerk­sam­keit, die das Break­dancen in den vergan­genen Jahren bekommen hat, ist die Szene immer noch überschaubar. Zumindest für den Braun­schweiger Simon Stapper, der das BOTY schon jahrelang begleitet.

Als Simon Stapper anfing, sich mit HipHop zu befassen, war er ein schüch­terner Junge, dem es schwer­fiel, sich zu öffnen. Durch das Tanzen, sagt er, hat er an Selbst­ver­trauen gewonnen, ist mit Menschen in Kontakt gekommen, die in der Musik dasselbe spürten wir er, mit denen er sich austau­schen konnte. Irgend­wann lernte Simon Stapper B‑Boys aus Amerika, aus Frank­reich, Finnland, den Nieder­landen, der Ukraine, sogar aus Japan, kurz aus der ganzen Welt kennen.

Simon Stapper ist heute Sozial­päd­agoge im Kinder- und Jugend­zen­trum Mühle und seit fast 25 Jahren B‑Boy. Für ihn ist Break­dancen weit mehr als Tanzen, für ihn ist HipHop, zu dem Break­dancen gehört, eine Lebens­kultur. Hier ist man schnell einem Trugschluss aufge­sessen: HipHop bedeutet nicht Blingbling, teure Autos und Texte über teure Autos, teurere Villen und noch teurere Privat-Jets. HipHop steht viel mehr für Selbst­ach­tung und Respekt vor dem Anderen. Herkunft, Hautfarbe und Religion spielen keine Rolle.

In den 1970er Jahren kam HipHop in der Bronx auf, ein Viertel, für das damals die Bezeich­nung Problem­viertel ein Euphe­mismus war. Kontrol­liert von Gangs und Drogen war die Bronx ein Inbegriff für Chancen­lo­sig­keit. Um sich in dem Gangge­füge zu behaupten, begannen einige Jugend­liche zu breaken und sich gegen­seitig in Battles heraus­zu­for­dern. Das Breaken gab vielen Jugend­li­chen die Möglich­keit, einen Ruf aufzu­bauen, eine Identität zu erlangen – und das ohne Waffen und Drogen. Und sie verstän­digten sich über das Tanzen auf gesell­schaft­liche Werte wie Respekt, das höfliche Mitein­ander und den Ehrgeiz, eigene Ziele zu erreichen.

Ein Tänzer muss im Battle dem anderen Tänzer genau zuhören, sich auf den anderen einlassen können. Nur die respekt­volle Aufmerk­sam­keit macht es ihm möglich, im Tanz zu impro­vi­sieren und auf den Tanz des anderen zu antworten. Break­dancen hat viel mit Eleganz zu tun, es ist dynamisch und voller Ideen. Aber auch mit dem Ehrgeiz, besser zu sein als der andere. Break­dance ist Ausdruck einer Jugend­kultur, die von der Straße kommt und immer noch dort zu finden ist. Für das Breaken braucht man nichts mehr als seinen Körper und Musik – keine teure Ausrüs­tung, keine beson­deren Schuhe.

Die Veran­stalter des BOTY möchten den ursprüng­li­chen Gedanken des Break­dan­cens weiter­geben. In Workshops zeigen drei der Juroren, Menno (Nieder­lande), Neguin (Brasilien) und Roxrite (USA) am 18. Oktober in der Musischen Akademie worauf es beim Breaken ankommt. Schon vor des eigent­li­chen Wettkampf­wo­chen­endes hat Simon Stapper Workshops im Jugend­zen­trum Mühle organi­siert: Poe One (USA) und Roxrite (USA), zwei der bekann­testen ameri­ka­ni­schen Break­dancer, unter­richten am 13. Oktober für Anfänger (Poe One) und am 14. Oktober für Fortge­schrit­tene (Roxrite); Sammy (USA) unter­richtet am 15. Oktober Uprocking, einen beson­deren Stil des Breakens. Und schließ­lich bietet AT (Finnland), eine der wenigen B‑Girls, die es in die Oberliga des Break­dan­cens geschafft haben, am 16. Oktober einen Kurs nur für Mädchen an.

Simon Stapper selbst gibt, losgelöst vom BOTY, wöchent­lich in der Mühle Break­dance-Unter­richt. Er bringt den Jugend­li­chen nicht nur das Break­dancen bei, sondern er übermit­telt ihnen Werte wie Respekt, Ehrgeiz und Höflich­keit. Jeder der Jungs gibt sich beim Training zur Begrüßung die Hand und jeder verab­schiedet sich, wenn er den Raum verlässt. Auch auf die Ernährung achtet Simon Stapper. So gibt es beim Training nur Wasser – Cola und Eistee haben dort nichts zu suchen. Warum? Simon Stapper vergleicht den Körper mit einem Auto: Das eigene Auto wird gehegt und gepflegt, ausge­saugt und gewaschen. Getankt wird nicht der billige Sprit sondern das teure Super-Power-Benzin. Für einen B‑Boy ist der Körper sein ganzes Kapital, deshalb muss er immer gut in Schuss sein.

Simon Stapper ist jetzt 39 Jahre alt, vor kurzem ist er Vater geworden. Das Break­dancen hat ihn trotzdem immer noch nicht losge­lassen. Warum auch? Viele der Break­dance-Legenden tanzen immer weiter, so wie Sammy, der mittler­weile 52 Jahre alt ist. Wenn man Simon Stapper zuhört, bekommt man eine Ahnung davon, was Break­dance in Sachen kultu­relle Verstän­di­gung bewirken kann. Und auch was der BOTY leisten kann: Vor einigen Jahren beispiels­weise stand plötzlich ein japani­scher Jugend­li­cher vor dem Jugend­zen­trum, ohne Unter­kunft und ohne Deutsch zu sprechen. Er wollte an einem der Workshops teilnehmen, die während des BOTY statt­finden. Dafür hat er sich allein in Japan in ein Flugzeug gesetzt und ist bis Braun­schweig gereist. Trotz der Sprach­bar­riere verstand man sich sofort, organi­sierte einen Schlaf­platz und zeigte dem jungen Japaner die Stadt.

Seit 2009 findet der Wettkampf in Braun­schweig statt, mit drei Unter­bre­chungen zwischen 2010 und 2012, als das BOTY in Montpel­lier gastierte. Besonders während der BOTY-Woche ist Braun­schweig dann mehr als sonst eine inter­na­tio­nale Stadt. Da streifen jugend­liche Gruppen aus aller Welt durch die Innen­stadt, schauen sich die Shows an und tanzen selbst. Und die Braun­schweiger freuen sich über so viel Inter­na­tio­na­lität, inter­es­sieren sich für die Jugend­kultur und stellen fest, dass Break­dance auch auf der Bühne funktio­niert.

Dieser Text wurde zuerst auf Leben in der Löwen­stadt – Braun­schweig bloggt (www.loewenstadtblog.de) veröf­fent­licht.

Mehr Infor­ma­tionen auf den Inter­net­seiten:
http://magazin.battleoftheyear.de
http://www.boty.de
http://www.jugendzentrum-muehle.de

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