Mit struk­tu­rierter Talent­sich­tung zum Erfolg

MTV will Kinder für den Handballsport begeistern. Foto: MTV Handball
MTV will Kinder für den Handballsport begeistern. Foto: MTV Handball

Identi­täts­starke MTV-Handballer inves­tieren viel in die eigene Nachwuchs­ar­beit, anstatt teure Spieler von außerhalb zu holen.

Braun­schweig ist seit jeher ein gutes Pflaster für den Handball­sport. Mit dem MTV/PSV gab es eine erfolg­reiche Ära, die in der Zweiten Bundes­liga gipfelte (1987–1989). Eintracht spielte vier Saisons lang bis zu deren Auflösung in der Feldhand­ball-Bundes­liga (1970 – 1973). Und in der Nachkriegs­zeit waren die Feldhand­ball-Duelle zwischen dem MTV, VfB Rot-Weiß und dem Lehndorfer TSV in der damals höchsten Spiel­klasse legendär. Aktuell begeis­tert die Drittliga-Mannschaft des MTV Braun­schweig mit Trainer Volker Mudrow (52).

Sieben Eigen­ge­wächse im Drittliga-Team

Nach der coronabe­dingten Pause sind der Publi­kums­zu­spruch und das breite Interesse in der Stadt an dem identi­täts­starken MTV-Team ungebro­chen hoch. Aber allen ist klar, dass der Verein neue, leistungs­starke Spieler nicht mit finan­zi­ellen Mitteln ködern kann, sondern vielmehr den Weg über die Ausbil­dung eigener Talente gehen muss. Schon jetzt können sieben der 13 Spieler des Dritt­li­gaka­ders als Eigen­ge­wächse bezeichnet werden. Das ist ungewöhn­lich für Teams im Leistungs­sport. Das Konzept erinnert an die Anfänge des Braun­schweiger Basket­balls bei der SG Freie Turner/MTV in den 1980er/1990er Jahren.

Das nächste Heimspiel der „Mudrow-Jungs“ in der Sport­halle „Alte Waage“ steht am 16. Oktober (19.30 Uhr) gegen den HC Burgen­land an. Schon vorzu­merken lohnt sich der 16. Dezember (19.30 Uhr). Dann steigt der tradi­tio­nelle Höhepunkt mit dem Heimspiel in der Volks­wagen Halle gegen den HSC Hannover vor sicher wieder mehr als 5.000 Zuschaue­rinnen und Zuschauern.

Sympa­thisch und nachhaltig

„Unser Projekt wird in Braun­schweig und der Region als sympa­thisch und nachhaltig wahrge­nommen. Das ist ein ganz wichtiger Punkt für Stiftungen, Insti­tu­tionen, Unter­nehmen oder auch einfach nur Fans, die uns unter­stützen wollen“, meint Volker Mudrow. Seine Mission beim MTV begann 2013, als er die erste Mannschaft übernahm. Auf seine Initia­tive hin und mit seinem unver­än­dert hohen Engage­ment stellte er die Nachwuchs­ar­beit auf neue Beine. „Ein Verein wie der MTV kann nur mit guter Jugend­ar­beit in höheren Klassen spielen“, weiß Mudrow. Schon in der dritten Liga kämpft der MTV gegen Teams, die einen hohen sechs­stel­ligen Etat zur Verfügung haben.

Seine Karriere als Spieler startete Mudrow als 17-Jähriger beim damaligen MTV/PSV Braun­schweig in der 2. Bundes­liga. Er spielte danach für Hameln, Nettel­stedt, Lemgo und Gummers­bach in der Bundes­liga. Mit Lemgo wurde er Deutscher Pokal­sieger (1995) und Europa­po­kal­sieger (1996). Als 19-facher Natio­nal­spieler musste er seine aktive Laufbahn wegen einer Kniever­let­zung schon mit 29 Jahren beenden. In Hameln wurde er 2001 zum jüngsten Bundes­li­ga­trainer aller Zeiten. Später wurde er mit Lemgo Deutscher Meister (2003) und holte mit dem TBV zweimal den EHF-Pokal (2006 und 2010). Weitere Trainer­sta­tionen waren Wetzlar und Hildes­heim. Wirtschaft­lich unabhängig ist er ein Glücks­fall für den MTV. Der Handball in diesem Verein ist eine Herzens­an­ge­le­gen­heit für Volker Mudrow.

Schul-AGs, Handball­tage und Ferien­camps

Mit Udo Falken­roth holte er einen alten Wegge­fährten an seine Seite. Falken­roth spielte selbst bis in die erste Herren­mann­schaft beim MTV und wechselte dann in die Zweite Bundes­liga zu Eintracht Hildes­heim. Nach mehreren Trainer­sta­tionen organi­siert er seit 2015 die komplette Nachwuchs­ar­beit im Klub. Dazu gehört weit mehr als nur die eigenen Jugend­mann­schaften. Der Ansatz ist viel weiter gefasst. Es gibt elf Schul-AGs, es werden Handball­tage an Schulen initiiert und es werden Ferien- sowie Scouting­camps veran­staltet. Dazu gibt es einen Sport­klasse „Handball“ an der Neuen Oberschule. Jedes Jahr erreicht die Nachwuchs­ar­beit des MTV weit mehr als 1000 Kinder. In den elf Mannschaften spielen rund 150.

„Wir wollen Kinder für den Handball­sport allgemein gewinnen. Wir wollen, dass sie überhaupt Sport treiben und sich angemessen bewegen, was in der heutigen Zeit ja durch verschie­dene Aspekte immer weniger selbst­ver­ständ­lich ist. Wenn es dann talen­tierte Kinder gibt, die zu uns in den Verein kommen wollen und die wir ausbilden können, dann freuen wir uns. Vielleicht ist ja jemand dabei, der später in unserer ersten Mannschaft spielen kann“, erläutert Udo Falken­roth das facet­ten­reiche Programm. Die struk­tu­rierte Talent­sich­tung und ‑förderung im Braun­schweiger Jugend­hand­ball wird von der Braun­schwei­gi­schen Stiftung gefördert. Das Projekt „Schul-AGs“ von der Erich Mundstock Stiftung.as

C‑, B- und A‑Jugend in der Oberliga

„Viele hochklas­sige Handball­ver­eine haben ein Sport­gym­na­sium oder sogar ein Internat im Rücken, um den Handball­nach­wuchs optimal fördern und ausbilden zu können. So weit geht das Projekt Sport­klasse bei uns noch nicht – es ist aber ein Schritt in die richtige Richtung“, meint Falken­roth. Aktuell spielen für den MTV elf Jugend­mann­schaften. Die jeweils ersten Mannschaften der C‑, B- und A‑Jugend sind jeweils in der Oberliga gemeldet. „Der Zulauf ist nach Corona gestiegen. Es kommen viele Jungen neu zu uns und wollen Handball spielen. Leider sind kaum Mädchen dabei, so dass wir keine weibliche Jugend­mann­schaft haben. Im Mini-Bereich können Mädchen immerhin noch in gemischten Mannschaften mitspielen“, sagt der Jugend­ko­or­di­nator des MTV.

Jugend­ar­beit hat im MTV eine lange Geschichte. In den 1980er und 1990er Jahren wurde regel­mäßig das inter­na­tio­nale Oster­tur­nier veran­staltet. Es war mit in der Spitze mehr als 6.000 Teilneh­me­rinnen und Teilneh­mern das größte Handball-Jugend­tur­nier in Deutsch­land und eines der bedeu­tendsten in Europa. Im Jahr 2000 wurde das 1995 nach seinem „Erfinder“ Waldemar Droß benannte Turnier einge­stellt.

 

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