Wie Lette Valeska Hollywood-Stars locker machte

Doris Day lugt hinter dem Baum hervor. Foto: Letta Valeska/Städtisches Museum

Das Städti­sche Museum zeigt Fotos der aus Braun­schweig ausge­wan­derten Künst­lerin Lette Valeska. Sie brachte Leben in die Star-Fotografie.

Sie fotogra­fierte vor allem erstmal die Kinder. Als Lette Valeska auf Vermitt­lung ihrer Braun­schweiger Freundin Galka Scheyer, der Promo­terin der Künst­ler­gruppe Die Blaue Vier, 1938 nach Los Angeles kam, sollte sie einen ganzen Kinder­garten durch­fo­to­gra­fieren. Und weil in einer der Gruppen auch das Kind des Hollywood-Produ­zenten David O. Selznick war, durfte sie bald auch in seiner Familie Privat­fotos machen. Ihre unkon­ven­tio­nelle Heran­ge­hens­weise gefiel, und schon bald posierten für sie die Filmstars.

Logo Braunschweiger ZeitungDieser Bezahl­ar­tikel ist zuerst erschienen am 1.9.2023

Andreas Büttner, der die neue Schau „Lette Valeska – Stars ohne Glamour“ für das Städti­sche Museum Braun­schweig kuratiert hat, kann auch erklären, worin das Geheimnis der damals Mittfünf­zi­gerin lag: „Sie hat erstmal mit den Kindern gespielt, dann ergaben sich daraus offenbar ganz ungezwun­gene Situa­tionen, die sie fotogra­fierte.“ Auch den Schau­spie­le­rinnen und Schau­spie­lern gab sie offenbar kleine Aufgaben, insze­nierte Situa­tionen, in denen sie sich locker bewegen konnten. „Und weil sie für die meisten mindes­tens die Mutter hätte sein können, war sie weder Konkur­renz noch Objekt der Begierde, die Stars öffneten sich ihr.“

Stars beim Lesen und am Telefon

Tatsäch­lich kommt Doris Day mit weit geöff­netem Mund hinter dem Baum hervor­ge­schossen, als hätte Lette Valeska der versteckten Schau­spie­lerin Kuckuck zugerufen, und Doris Day lugt nun hervor und ruft Bah.

Im Städti­schen Museum gibt es auch die Rubriken „Lesende Stars“ oder „Stars am Telefon“. Klar, die Szenen sind insze­niert, aber sie heben sich doch von den stereo­typen Star-Fotos ab, wie sie bis dahin in Amerika üblich waren: perfekt geschminkte, perfekt ausge­leuch­tete Gesichter mit makel­loser Haut wie Statuen. Beispiele finden sich in den Fotogra­fien der Sammlung Daniel Kothen­schulte mit den Konter­feis etwa Hedi Lamarres oder Marlene Dietrichs, die die Schau ergänzen.

Gegen­bei­spiele der Star-Fotografie aus Privat­samm­lung

Lette Valeska kam als Freundin der ebenfalls aus Braun­sch­wieg stammenden Künst­lerin Galka Scheyer nach Los Angeles. Foto: Lette Valeska / Städti­sches Museum Braun­schweig

Auch dort finden sich durchaus spannende Arran­ge­ments: die bildde­ckend zerflie­ßenden Haare von Veronica Lake etwa, oder Gene Tierney, die in enger Bluse unter einer nackten Büste posiert, dass man diese unwei­ger­lich mit ihrem Busen identi­fi­zieren muss. Das passt dermaßen in Volumen und Neigungs­winkel, dass sie quasi nackt vor einem sitzt, obwohl die Hülle gewahrt bleibt. Raffi­niert.

Nicht minder raffi­niert das durch Licht- und Schat­ten­ef­fekte model­lierte Muskel­spiel Johnny Weiss­mül­lers, der in Erinne­rung seiner Rolle als Tarzan im Lenden­schurz im Baum posiert. Während Olivia de Havilland fast nicht mal auffällt in dem weitver­zweigten Baum, der das Foto struk­tu­riert wie Adern.

Auf eine Zigarette und beim Hemden­wech­seln

Valeska dagegen folgte den Stars ins Private, in ihr Zuhause, fotogra­fierte sie bei einer Pausen­zi­ga­rette wie Danny Kaye, beim Hemden­wechsel wie Joseph Cotten, beim Lesen wie Rex Harrison. Ein bisschen Unschärfe, auch dass die Lampe als Licht­quelle im Bild zu sehen ist, unter­strei­chen die Authen­ti­zität, sind aber gewiss mitbe­dacht.

Immer wieder lockern Kinder das Bild auf. Rita Hayworth hinter ihren Töchtern, Gregory Peck mit seinen Kindern auf den Armen, eine ziemlich gelang­weilte Liza Minelli als Baby auf der Schulter ihrer der Fotografin abgewandten Mutter Judy Garland. Valeska machte auch weiter viele Kinder­fotos – nun der Schau­spie­ler­kinder von Ingrid Bergman, Frank Sinatra oder Ronald Reagan.

Die Schau durfte manchmal auch auf Kontakt­ab­züge zurück­greifen, die nicht offiziell als Foto veräußert wurden. Die fallen manchmal aus dem lotrechten Format, sind aber besonders lebendig. Nicht alle Stars sind es heute noch, da wäre eine Beschrif­tung immer direkt am Objekt hilfreich, man will nicht immer erst zuordnen müssen. In den Fenster­sälen stören Spiege­lungen massiv.

Gemälde mit jüdischen Motiven

Ergänzt wird die Schau durch Dokumente zu Lette Valeskas Jugend in Braun­schweig, wo sie 1885 als Valeska Heinemann geboren wurde. 1920 heiratete sie den Frank­furter Unter­nehmer Ernst Heymann, mit dem sie 1937 in die USA emigrierte, 1938 erfolgte die Scheidung. Rührig kümmerte sich Valeska ab 1945 um den Nachlass ihrer Freundin Galka Scheyer. Valeskas Gemälde mit jüdischen Motiven spiegeln das erwachte Zugehö­rig­keits­ge­fühl der säkularen Jüdin im Exil, sie organi­sierte auch Hilfs­güter für Israel und Holland. Es gibt viel zu gucken und zu lernen.

Die Schau „Lette Valeska – Stars ohne Glamour“ ist noch bis 7. Januar, Di.-So. 11–17 Uhr, im Städti­schen Museum Braun­schweig am Löwenwall zu sehen.

Logo Braunschweiger ZeitungDieser Bezahl­ar­tikel ist zuerst erschienen am 1.9.2023 und erreichbar unter: https://www.braunschweiger-zeitung.de/kultur/article239343343/Wie-Lette-Valeska-Hollywoods-Stars-locker-machte.html

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