Starken Worten folgten keine Taten

Die Hanse-Urkunde von 1476 ist 46 Zentimeter hoch und 62 Zentimeter breit. An 19 Pergamentstreifen sind die Siegel der beteiligten Städte angehängt. Foto: Stadtarchiv/Daniela Nielsen

Am „Tag der Archive“ am 2. März präsen­tiert das Braun­schweiger Stadt­ar­chiv die zum UNESCO-Weltdo­ku­men­ten­erbe zählende Hanse-Urkunde von 1476.

Die Hanse-Urkunde aus dem Braun­schweiger Stadt­ar­chiv gehört zum Weltdo­ku­men­ten­erbe der UNESCO. Das Dokument aus dem, Jahr 1476 ist ein Bündnis­ver­trag zwischen 19 Hanse­städten. Sie wird am bundes­weiten „Tag der Archive“ am 2. März erstmals öffent­lich präsen­tiert. Die Urkunde ist eines von 17 Dokumenten zur Geschichte der Hanse aus Archiven in Belgien, Dänemark, Deutsch­land, Estland, Lettland und Polen, die in das UNESCO-Register einge­schrieben wurden. Sie dokumen­tieren das einzig­ar­tige histo­ri­sche Phänomen der Hanse, die über 600 Jahre die Geschichte Nordeu­ropas prägte.

Das Stadt­ar­chiv Braun­schweig zählt zu den größten und bedeu­tendsten kommu­nalen Archiven Norddeutsch­lands. Seine Bestände reichen bis in das Jahr 1031 zurück. Die Magni-Urkunde stellt die schrift­liche Ersterwäh­nung Braun­schweigs dar und ist Basis für den 1000. Jahrestag Braun­schweigs im Jahr 2031. Zu diesem Anlass erscheint im Sommer das von Henning Stein­führer, Leiter des Stadt­ar­chivs, heraus­ge­ge­bene Buch „Tausend Jahre Braun­schweig – Stand und Perspek­tiven der Forschung“. Der Band erscheint in der Reihe „Braun­schweiger Werkstücke“.

Status ist auch Verpflich­tung

Das UNESCO-Programm zum Weltdo­ku­men­ten­erbe, in das die Braun­schweiger Hanse-Urkunde im vergan­genen Jahr aufge­nommen wurde, wurde 1992 initiiert. Im Rahmen des Programms sollen dokumen­ta­ri­sche Zeugnisse von außer­ge­wöhn­li­chem Wert in Archiven, Biblio­theken und Museen gesichert und zugäng­lich gemacht werden. „Mit dem neuen Status als Weltdo­ku­men­ten­erbe ist die Verpflich­tung zu umfang­rei­chen und leicht zugäng­li­chen Infor­ma­tionen zu dieser Urkunde verbunden“, schrieb Henning Stein­führer in seinem Beitrag in der Herbst­aus­gabe 2023 der Quartals­schrift „Vier Viertel Kult“ (VVK) der Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz. Die Präsen­ta­tion am „Tag der Archive“ ist Ausdruck dieses Ansinnens.

Siegel Stralsund und Braun­schweig. Foto: Stadtarchiv/Daniela Nielsen

Die Hanse-Urkunde von 1476 wurde in vier Exemplaren ausge­fer­tigt, die im Umlauf­ver­fahren in den betei­ligten Städten besiegelt wurden. Die Ausfer­ti­gungen wurden in Braun­schweig, Hamburg, Lübeck und Magdeburg nieder­ge­legt. Da das Magde­burger Exemplar im Dreißig­jäh­rigen Krieg zerstört wurde und die Hamburger Urkunde beim Stadt­brand von 1712 verloren ging, sind heute nur noch die Exemplare in Braun­schweig und Lübeck erhalten.

Freie Stadt mit großer Bedeutung

Bereits im Mittel­alter und in der frühen Neuzeit gehörte Braun­schweig mit etwa 20.000 Einwoh­nern neben Lübeck, Hamburg und Bremen zu den größten Städten Norddeutsch­lands. Weil sie am Schnitt­punkt großer Fernhan­dels­straßen lag, war die Stadt schon zu dieser Zeit ein wichtiges Handels- und Gewer­be­zen­trum. Vor allem Herzog Heinrich der Löwe und Kaiser Otto IV. förderten im 12. und 13. Jahrhun­dert die Entwick­lung Braun­schweigs zu einer freien Stadt von überre­gio­naler Bedeutung.

Über Jahrhun­derte hinweg war die Stadt Braun­schweig Teil der Hanse gewesen. Bei der Urkunde von 1476 handelte es sich um ein einen Bündnis- und Hilfe­leis­tungs­ver­trag zwischen 19 Hanse­städten, die gemeinsam ihre Handels­in­ter­essen gegen politi­sche oder militä­ri­sche Gegner vertei­digen wollten. An dem Bündnis waren Lübeck, Bremen, Hamburg, Rostock, Stralsund, Wismar, Lüneburg, Stade, Uelzen, Magdeburg, Braun­schweig, Halle/Saale, Halber­stadt, Goslar, Hildes­heim, Göttingen, Stendal, Hannover und Einbeck beteiligt.

Schneller Rückschlag

Zum Tragen kam der Treue­schwur der Betei­ligten indes nicht, wie Henning Stein­führer in seinem VVK-Beitrag erläu­terte: „So selbst­be­wusst und kämpfe­risch die Formu­lie­rungen auch immer waren, als es keine zwei Jahre später zum Ernstfall kam, folgten den starken Worten keine Taten“. Die Stadt Halle an der Saale musste sich 1478 der militä­ri­schen Übermacht des Erzbi­schofs von Magdeburg geschlagen geben. Für den Städte­bund sei dieser Verlust, dem weitere folgen sollten, ein schwerer Rückschlag, von dem er sich nicht mehr erholte. „Die im Vertrags­text erwähnte Verlän­ge­rung nach dem Ablauf des auf sechs Jahre geschlos­senen Bündnisses von 1476 kam nicht zustande“, so Stein­führer.

Seit dem ausge­henden 15. Jahrhun­dert war es in Braun­schweig vermehrt zu Konflikten mit den in Wolfen­büttel ansäs­sigen Braun­schwei­gi­schen Herzögen gekommen, die mehrmals versuchten, die unabhän­gige Stadt zu unter­werfen. Mit Unter­stüt­zung anderer Hanse­städte gelang es den Braun­schwei­gern bis ins 17. Jahrhun­dert, diese Versuche abzuwehren. Dennoch verlor die Stadt 1671 ihre Unabhän­gig­keit und war somit keine freie Hanse­stadt mehr.

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