Weihnachts­fest in der Kloster­kirche

Das farbige, warm strahlende Langhaus der Klosterkirche Riddagshausen und die Feiernden. Ausschnitt aus dem Aquarell „Heiliger Abend“ von Günther Kaphammel. Foto: Richard Borek Stiftung

Objekt des Monats, Folge 12: Günther Kapham­mels „Heiliger Abend“ aus dem Jahr 1992

Im Jahr 2025 feiern wir den 750. Jahrestag der Weihe der Kloster­kirche Riddags­hausen, gegründet wurde das Zister­zi­en­ser­kloster bereits 1145. Zu seinen Förderern zählten die sächsi­schen und später braun­schwei­gi­schen Herzöge sowie der Adel des Landes. Künstler trugen schon immer zur Berühmt­heit des Ortes bei. Dazu gehört auch der Braun­schweiger Maler und Zeichner Günther Kaphammel (1926–2002), der vor allem durch seine Aquarelle über die Region hinaus bekannt wurde. Er verfasste zudem ein Buch über den sogenannte „Goldenen Schnitt“ („Der Goldene Schnitt. Harmo­ni­sche Propor­tionen“, Kaphammel 1999), ein Thema, mit dem er sich ein Leben lang ausein­an­der­setzte.

1275 hatte Riddags­hausen eines der modernsten Kirchen­ge­bäude

Kapham­mels Werke vermit­teln durch die zeich­ne­ri­sche Erfassung der Gebäu­de­ge­füge bei maleri­scher Farbig­keit die vielfäl­tigsten Stimmungen im Kloster­be­reich. Sein zur Jahres­zeit ausge­wählter „Heiliger Abend“ aus dem Jahr 1992 zeigt, wie das farbige, warm strah­lende Langhaus die Feiernden am Weihnachts­fest in der Kloster­kirche geborgen umfangen hält. Mitte der 70er Jahre gestal­tete Günther Kaphammel in einjäh­riger Arbeit die Innen­ma­lerei der Säulen­ka­pi­telle und Gewöl­be­be­reiche der Kloster­kirche.
Maler­kol­legen aus den 1950ern waren Wilhelm Frantzen und Robert Naumann. Ihre Reihe beginnt aber im 17. Jahrhun­dert mit Matthäus Merians Wieder­gabe der Kloster­an­lage und setzt sich im darauf­fol­genden Jahrhun­dert fort mit Pascha Johann Friedrich Weitschs dichten Waldland­schaften. Wilhelm Pätz, Ludwig Tacke und Constantin Uhde schufen im 19. Jahrhun­dert ihre genauen Gebäu­de­an­sichten und weiten Bachland­schaften.
Das Kloster war schon sehr bedeutend, als es 1275 geweiht wurde. Die Mönche bewirt­schaf­teten das damals in der ganzen Region modernste Kirchen­ge­bäude, das heute in Europa zu den besterhal­tenen seiner Art zählt: drei vollständig einge­wölbte Schiffe, ein Kapel­len­kranz rings um den typisch recht­eckigen Chorbau und ein großes, doppel­tü­riges Westportal mit einer Marien­figur und Laubwerk.

Kloster­kirche im Schnee. Foto: Richard Borek Stiftung

Archi­tektur wird zur Skulptur

Die Zister­zi­enser bauten in Riddags­hausen so, wie es die Mönche des Ordens stets taten: Archi­tektur wird zur Skulptur. Man trifft im Baugefüge auf Hörner, Blatt­nester, Rosetten und abstrakte plasti­sche Gebilde. In der Kirchen­ar­chi­tektur veran­schau­li­chen sie die Kraft­mo­mente von Lasten und Tragen. Ihre floralen Formen sind zeitty­pisch botanisch bestimmbar: Eiche, Weinlaub, Efeu, Erdbeere und Löwenzahn. Laubwerk spiegelt den sogenannten hortus conclusus wieder, den beschlos­senen Garten als Symbol der Mutter­gottes, der Schutz­pa­tronin der Kirche. Darüber hinaus weist das Weinlaub auf Leben und Passion Christi hin.
Aber nicht nur die fortschritt­lichste Baukunst im Vergleich zu den großen Kathe­dralen brachten die Zister­zi­enser mit, sondern auch ihre überle­gene Syste­matik bei Fisch­zucht in großen Teichen, beim Obstanbau in weiten Gärten und beim Ackerbau durch Frucht­wechsel auf den großen Flächen. Kontakte mit ihren Schwes­ter­klös­tern in ganz Europa ließen das Wissen dieses Ordens durch die strenge Auslegung von „Bete und Arbeite“ anschwellen.
1568 kam mit der Refor­ma­tion die Aufhebung des Klosters, dem bis 1690 die Einrich­tung einer herzog­li­chen Latein­schule und bis 1809 ein Predi­ger­se­minar für die evange­li­sche Landes­kirche folgten. Geblieben sind außer der Kirche noch ein Torhaus­rest von ca. 1180, die Fremden­ka­pelle von ca. 1230 und die Siechen­ka­pelle des Hospitals aus dem frühen 14. Jahrhun­dert. Den Eindruck der ehema­ligen Landwirt­schaft am Kloster vermit­teln noch die Gebäude von Meierei, Schmiede und Schaf­meis­ter­haus.

Weitläu­fige Natur­land­schaft

Längst umgibt die Kloster­an­lage eine weitläu­fige Natur­land­schaft, deren Zentren die noch erhal­tenen elf Fisch­teiche sind. Zugvögel und andere Wildtiere sind hier zu Gast. 1975 erhielt diese das Prädikat „Europa­re­servat“. Die Kloster­kirche wurde nach Jahren des Verfalls vor allem durch die öffent­lich­keits­wirk­same Unter­stüt­zung von Richard Borek II (1911–1993), dem Begründer des „Freun­des­kreises Riddags­hausen“, saniert und 1975, im 700-jährigen Jubilä­ums­jahr, neu geweiht. Auch das Dorf wurde seit den 1960ern aufge­wertet. Der ebenfalls durch Richard Borek geför­derte Wieder­aufbau großer, in Dörfern des Braun­schweiger Landes abgebro­chener braun­schwei­gi­scher Bauern­häuser im Ortskern, stärkt den Charakter Riddags­hau­sens als sehens­wertes Ausflugs­ziel.

Dr. Bernd Wedemeyer ist Bau- und Kunst­his­to­riker.

Videos:

Video: „Braun­schwei­gi­sche Spazier­gänge“

Die Kloster­kirche und ihre Geheim­nisse

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