Villa von Bülow vor Gericht

Das Georg-Eckert-Institut und der geplante Anbau. Grafik: Arbeitsgemeinschaft gebautes Erbe
Das Georg-Eckert-Institut und der geplante Anbau. Grafik: Arbeitsgemeinschaft gebautes Erbe

Bürger­forum Wallring erwartet Entschei­dung im Normen­kon­troll­ver­fahren zum umstrit­tenen Erwei­te­rungsbau des Georg-Eckert-Instituts im April.

Scharfe Kritik am geneh­migten Erwei­te­rungsbau für das in der denkmal­ge­schützten Villa von Bülow behei­ma­tete Georg-Eckert-Institut für inter­na­tio­nale Schul­buch­for­schung ist das Ergebnis einer aufwen­digen Dokumen­ta­tion der Arbeits­ge­mein­schaft gebautes Erbe. Auftrag­geber waren das Bürger­forum Wallring e.V. und die Richard Borek Stiftung. Bemängelt werden das unver­träg­liche Bauvo­lumen des geplanten Neubaus, die irrefüh­renden Perspek­tiv­dar­stel­lungen der Planer, die Verstöße gegen den Denkmal­schutz, der daraus resul­tie­rende und somit fehler­hafte Ratsbe­schluss sowie die unzurei­chende Bürger­be­tei­li­gung. Das Bürger­forum hat bereits ein Normen­kon­troll­ver­fahren gegen den Bebau­ungs­plan angestrengt. Das Haupt­sa­che­ver­fahren ist laut Bürger­forum Wallring für April angekün­digt. Die Dokumen­ta­tion liegt auch der Präsi­dentin des Nieder­säch­si­schen Landes­amtes für Denkmal­pflege (NLD), Dr.  Christina Krafczyk, vor.

„Wir sehen unser Anliegen im Normen­kon­troll­ver­fahren wegen der schweren formalen Fehler der Verwal­tung als recht aussichts­reich an. Proble­ma­tisch ist der Faktor Zeit. Das Verfahren hat leider keine aufschie­bende Wirkung. Es wurde bereits mit dem Abholzen des Parks, der ja mit der Villa gemeinsam das denkmal­ge­schützte Ensemble bildet, begonnen. Wir haben jedoch einen Alter­na­tiv­plan erarbeitet, der mit dem gültigen Bebau­ungs­plan und gerin­geren Kosten eine wesent­lich bessere Lösung für den Denkmal­schutz und das Institut ermög­li­chen würde. Das marode Schwes­tern­heim müsste dafür abgerissen werden. An dessen Stelle könnte ein archi­tek­to­nisch attrak­tives  Gebäude, mit großzü­giger Biblio­thek, modernen Arbeits­plätzen für Wissen­schaftler und parks­cho­nender Tiefga­rage entstehen. Das wäre im Vergleich zu dem erdrü­ckenden Biblio­theks­riegel, der aktuell vorge­sehen ist,  der richtige Weg im Umgang mit einem so bedeu­tenden Braun­schweiger Baudenkmal“, erläutert Hartmut Gaedecke vom Bürger­forum Wallring. Er bedauert in diesem Zusam­men­hang jedoch die fehlende Gesprächs­be­reit­schaft seitens des Georg-Eckert-Instituts.

„Die Planungen zur Erwei­te­rung des Georg-Eckert-Instituts bedeuten eine entschei­dende Beein­träch­ti­gung des Baudenk­mals Villa von Bülow sowie des zugehö­rigen Frei- bzw. Grünraums, der ursprüng­li­chen Garten­an­lage. Diese wiederum ist einge­bunden in die Gesamt­an­lage des Braun­schweiger Wallrings. Daher wider­spricht die Planung auch den Bemühungen, das heraus­ra­gende Gesamt­denkmal des Wallrings in Zukunft vor weiteren Beein­träch­ti­gungen zu bewahren. Der projek­tierte Gebäu­de­riegel schnürt den Restgarten der Villa von der Freise­straße ab und verschließt zugleich die reizvolle Beziehung des Villen­gar­tens mit dem ehema­ligen Friedhof des 1944 zerstörten Kreuz­klos­ters an der nordwest­li­chen Straßen­seite“, heißt es in dem vorge­legten Bericht der Arbeits­ge­mein­schaft gebautes Erbe.

Die Dokumen­ta­tion bekräf­tigt die Bedeutung der Villa von Bülow als Baudenkmal. Der Entwurf von Carl Theodor Ottmer sei tief verwur­zelt in der europäi­schen Archi­tek­tur­tra­di­tion, heißt es. Die recht­eckige Anlage mit ihren Ecktürmen reprä­sen­tiere den „Castellum-Typ“, dessen Ursprünge in der regel­mä­ßigen Anlage antik-römischer Militär­lager zu finden seien. Der Münchner Baumeister Karl von Fischer habe sich 1810 für den Entwurf des Palais Degenfeld genauso am Schema des Castellum-Typs orien­tiert wie Karl Friedrich Schinkel für den Bau des bekannten Humboldt-Schlöss­chens in Berlin-Tegel.

Während der Bomben­an­griffe auf die Stadt im Zweiten Weltkrieg (1944/45) zählte die Villa von Bülow zu der kleinen Gruppe unbeschä­digt geblie­bener Bauten. Durch ihre freiste­hende Lage auf dem weitläufigen Parkgrund­stück war sie vor übergrei­fenden Bränden geschützt. Nach dem Krieg wurde das Gebäude bis 1952 als Schwes­tern­wohn­heim für das Holwede-Kranken­haus genutzt. Mit dem Leerstand kam der sukzes­sive bauliche Nieder­gang des wertvollen Denkmals. lm Jahr 1975 reifte die Entschei­dung für den Erhalt und eine sinnvolle Nutzung der Villa von Bülow heran. Auf Antrag des Ratsherren Friedrich Theodor Kohl (CDU) beschloss der Rat, in Verhand­lungen mit dem Land Nieder­sachsen zu treten, um die Villa als Domizil für das Georg-Eckert-Institut auszu­bauen. Das geschah zwischen 1979 und 1981.

Die in der Dokumen­ta­tion vorge­stellte Konzept­va­ri­ante mit Abriss des sechs­ge­schos­sigen Schwes­tern­wohn­heims und Neubaus eines fünfge­schos­sigen Baukör­pers sieht auch den Erhalt des Gebäudes Freise­straße 9 vor, das nach jetzigem Stand entfernt würde. In dem Haus könnten angemes­sene Gäste­woh­nungen für auswär­tige Wissen­schaftler geschaffen werden. Die Direkt­ver­bin­dung zwischen Villa und Neubau würde durch einen nach oben verglasten Gang erfolgen. Es wäre der einzige Eingriff im ehema­ligen Villen­garten und würde im Gesamt­zu­sam­men­hang des Gebäudes und des Parkensem­bles kaum auffallen, heißt es in dem Papier.

Die wichtigsten Kritik­punkte an der bishe­rigen Planung aus der Dokumen­ta­tion:

Bauvo­lumen: Die von den Planern geschickt insze­nierte Perspek­tiv­dar­stel­lung (rechner­ge­stützte Simula­tion) sugge­riere eine verträg­liche Lösung, in der das histo­ri­sche Villen­ge­bäude scheinbar seine Dominanz bewahre. Sicher­lich werde das klassi­zis­ti­sche Baudenkmal von der Celler Straße aus gesehen weiterhin seine Wirksam­keit entfalten. Betrachte man dagegen den entspre­chenden Lageplan des Bauvor­ha­bens, werde allein im Grundriss das völlig unver­träg­liche Bauvo­lumen des konzi­pierten Magazin­ge­bäudes deutlich. Genauso deutlich werde der grund­sätz­liche Fehler, die ursprüng­lich als Solitär­ge­bäude konzi­pierte Villa mit einem Erwei­te­rungsbau zu konfron­tieren.

Darstel­lung: Das zukünf­tige Magazin­ge­bäude sei in der Perspek­tiv­dar­stel­lung sowie in einer Ansichts­zeich­nung mit unter­schied­li­cher Detail­lie­rung abgebildet worden. lm Perspek­tiv­ren­de­ring zeige sich das geschlos­sene Oberge­schoss mit einer Fassa­den­struktur, die Assozia­tionen an eine Diamant­qua­de­rung einer Kaufhaus­fas­sade der 1970erJahre erwecke. Die Bauzeich­nung zeige dagegen eine geras­terte Struktur. Es sei offen­sicht­lich ein Gebäude geplant, das in seiner Belie­big­keit den Strömungen des aktuellen inter­na­tio­nalen Archi­tek­tur­de­signs entspreche und in keiner Weise Bezug zu seinem beson­deren Standort herstellt.

Denkmal­schutz: Der § 8 des Nieder­säch­si­schen Denkmal­schutz­ge­setztes regelt Anlagen in der Umgebung von Baudenk­malen. Der Paragraph sei bei dem Vorhaben des Erwei­te­rungs­baus nicht ausrei­chend berück­sich­tigt worden. ln der Umgebung eines Baudenk­mals dürfen danach Anlagen nicht errichtet, geändert oder beseitigt werden, wenn dadurch das Erschei­nungs­bild des Baudenk­mals beein­träch­tigt wird. Bauliche Anlagen in der Umgebung eines Baudenk­mals sind auch so zu gestalten und instand zu halten, dass eine solche Beein­träch­ti­gung nicht eintritt, heißt es in dem Paragra­phen.

Bürger­be­tei­li­gung:  In der angefügten Passage über die Bürger­be­tei­li­gung wundert sich Hartmut Gaedecke vom Bürger­forum Wallring darüber, dass die Stadt zwar einen Millio­nen­be­trag für „Denk Deine Stadt“ ausgebe, um Wünsche der Braun­schweiger zu erfahren und umzusetzen, aber auf der anderen Seite versuche, konkrete Bürger­be­tei­li­gungen zu unter­binden. Er bemängelt, dass die vier Alter­na­tiv­vor­schläge vom Bürger­forum Wallring gar nicht erst unter den 5500 Vorschlägen des Wettbe­werbs zu finden seien. Die Bürger seien zudem über die Abwei­chung der 2010 beschlos­senen Planungs­ziele für den Wallring nicht frühzeitig und umfassend von der Verwal­tung infor­miert worden.

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