Das Ende eines stolzen Solitärs

Die Villa von Bülow. Foto: Elmar Arnhold
Die Villa von Bülow. Foto: Elmar Arnhold

Dokumen­ta­tion der Arbeits­ge­mein­schaft gebautes Erbe und des Bürger­fo­rums Braun­schweiger Wallring e.V. arbeitet Geschichte und den umstrit­tenen Entschei­dungs­pro­zess zum angedockten Magazin auf.

Die Stadt­zu­fahrt über die Celler Straße wird von der imposanten Villa von Bülow geprägt. Seit 1839 steht Carl Theodor Ottmers Prachtbau dort als stolzer Solitär in einem hochherr­schaft­li­chen Park. Die bis dahin größte Stadt­villa Braun­schweigs ließ der damalige  Kammer­prä­si­dent der herzog­li­chen Justiz­ver­wal­tung, Heinrich Georg Christian Friedrich von Bülow (1772–1840), errichten. Die heraus­ra­gende städte­bau­liche Wirkung des Gebäudes wird jedoch künftig leiden. Die Arbeiten für einen  massiven Querriegel entlang der Freise­straße haben begonnen. Er soll das Magazin des in der Villa von Bülow unter­ge­brachten Georg-Eckert-Instituts (G.E.I.) beher­bergen.

Eine Dokumen­ta­tion der Arbeits­ge­mein­schaft gebautes Erbe und des Bürger­fo­rums Braun­schweiger Wallring e.V. arbeitet die Geschichte der Villa und den umstrit­tenen Entschei­dungs­pro­zess zum angedockten Bau auf. Sie ist jetzt erschienen – passend zum Baubeginn. Die aufschluss­reiche Broschüre ist kosten­frei beim Bürger­forum (Kontakt: hartmut.gaedecke@gmail.com) erhält­lich. „Es ist eine kritische Würdigung“, sagt Autor Elmar Arnhold, Bauhis­to­riker und Stadt­teil­hei­mat­pfleger der Innen­stadt. Eine Klage von Anwohnern hatte das Nieder­säch­si­sche Oberver­wal­tungs­ge­richt im März dieses Jahres  abgewiesen. SPD- und CDU-Fraktion hatten zuvor im Rat der Stadt „grünes Licht“ gegeben für den umstrit­tenen Anbau.

Ursprüng­liche Pläne des Instituts hatten im Jahr 2015 noch vorge­sehen, das Nachbar­ge­lände, auf dem das Schwes­tern­wohn­heim steht, zu kaufen und dort den Erwei­te­rungsbau zu erreichten. Aus Sicht des Forums, das sich um den denkmal­ge­schützten Wallring kümmert, wäre das unter denkmal­pfle­ge­ri­schen und städte­bau­li­chen Gesichts­punkten die weit bessere  Lösung gewesen. Am Bedarf des Georg-Eckert-Instituts hatte niemand jemals gezwei­felt.

Deutlich wird in der Dokumen­ta­tion, dass das Bürger­forum inter­es­sante Alter­na­tiv­vor­schläge erarbeitet hatte, um die jetzt durch­ge­zo­gene denkmal­feind­liche Variante doch noch zu kippen. Ein Konzept­ent­wurf sah beispiels­weise den Abriss des bishe­rigen Schwes­tern­wohn­heims vor, um dort den Erwei­te­rungsbau für das Georg-Eckert-Instituts zu errichten. „Das von 1974/75 stammende sechs­ge­schos­sige Schwes­tern­wohn­heim wurde in den südlichen Teil des ehema­ligen Villen­gar­tens gesetzt und kann aus heutiger Sicht nur als eklatanter Bruch mit den baulichen Tradi­tionen im Wallring­be­reich angesehen werden. Eine Besei­ti­gung des Gebäudes wäre daher kein Verlust gewesen, sondern hätte die Gelegen­heit eröffnet, für das Schul­buch­in­stitut einen gestal­te­risch wertigen Neubau zu errichten“, heißt es zur Begrün­dung.

Kriti­siert wird auch der Entschei­dungs­pro­zess selbst: „2010 wurden vom Rat der Stadt Planungs­ziele für den Wallring beschlossen und vor einem zahlrei­chen Publikum erläutert. … Das Bürger­forum Wallring hätte es für den richtigen Weg gehalten, dass die Stadt die gewünschte Abwei­chung von den Planungs­zielen erläutert und mit der Öffent­lich­keit disku­tiert. Die Planungen für die gewiss notwen­dige Erwei­te­rung des G.E.I. wurden jedoch weitge­hend ohne Bürger­be­tei­li­gung vorge­nommen.“

Zum jetzt anste­henden Anbau heißt es in der Dokumen­ta­tion nüchtern: „Es handelt sich um einen zweige­schos­sigen, riegel­ar­tigen Baukörper. Das Erdge­schoss erhebt sich über einer Sockel­zone mit umlau­fender Vergla­sung, während das höhere Oberge­schoss als nach außen hin völlig geschlos­sener Block gedacht ist. Es lastet mit einer umlau­fenden Auskra­gung über dem trans­pa­rent erschei­nenden Erdge­schoss. Die nördliche Schmal­seite des Magazins fluchtet mit der Nordkante des südwest­li­chen Ecktürm­chens der Villa von Bülow. An dieses Türmchen soll der einge­schos­sige, ebenfalls verglaste Verbin­dungs­gang zwischen Altbau und Magazin anschließen. Zu diesem Zweck wird das Turm-Erdge­schoss­fenster zu einer Türöff­nung umgebaut. An der Südseite ist ein entspre­chender Verbin­dungs­gang zum Verwal­tungsbau im ehema­ligen Schwes­tern­heim vorge­sehen. Für das Magazin­ge­bäude wird ein zweige­schos­siges Wohnhaus (Baujahr 1938) an der Freise­straße weichen.“

Das Urteil von Autor Arnhold ist eindeutig: „Der projek­tierte Gebäu­de­riegel schnürt den Restgarten der Villa von der Freise­straße ab. Die Erwei­te­rung des Georg-Eckert-Instituts bedeutet eine entschie­dene Beein­träch­ti­gung des Baudenk­mals Villa von Bülow sowie des dazuge­hö­rigen Frei- und Grünraums, der ursprüng­li­chen Garten­an­lage. Diese wiederum ist einge­bunden in die Gesamt­an­lage des Braun­schweiger Wallrings. Daher wieder­spricht die Planung auch den Bemühungen, das heraus­ra­gende Gesamt­denkmal des Wallrings in Zukunft vor weiteren Beein­träch­ti­gungen zu bewahren.“

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