Beitrag zum Wohle des Staates

Als erstes Gebäude diente das am Bohlweg gelegene ehemalige Dienstgebäude des Stadtkommandanten. Repro: IBR
Als erstes Gebäude diente das am Bohlweg gelegene ehemalige Dienstgebäude des Stadtkommandanten. Repro: IBR

275 Jahre Techni­sche Univer­sität Carolo-Wilhel­mina, Folge 3: Natur­wis­sen­schaft­liche und wirtschaft­liche Bildung war von Anfang an vorge­sehen.

Als am 17. April 1745 die „Vorläuf­fige Nachricht von dem Collegio Carolino zu Braun­schweig“ erschien, legten die Initia­toren der Öffent­lich­keit eine program­ma­ti­sche Schrift vor, die Anspruch und Konzep­tion des Collegium Carolinum umfassend darstellte. Dies geschah vor dem Hinter­grund einer kriti­schen Bestands­auf­nahme des höheren Schul­we­sens in Braun­schweig, wobei man für das neue Institut eine Form wählte, die sich deutlich sowohl gegenüber den bestehenden Latein­schulen (Gymnasien) als auch den Univer­si­täten abgrenzte. Schwer­punkt der Bildungs­in­halte sollte die ästhe­ti­sche Geschmacks- und Verstan­des­bil­dung sein, deren Grundlage die „Humaniora“ bildeten, während techni­sche und natur­wis­sen­schaft­liche Lehrge­biete von unter­ge­ord­neter Bedeutung schienen.

Minister Schrader von Schlies­tedt griff ein

Dies entsprach weitge­hend den Vorstel­lungen von Abt Jerusalem, der haupt­säch­lich als Verfasser der „Vorläuffige(n) Nachricht“ gelten kann. Entgegen früheren Vorstel­lungen von der Gründung des Collegium Carolinum aber entsprach das Programm keines­wegs alleine den Ideen Jerusa­lems, sondern enthielt Überle­gungen des Ministers Heinrich Bernhard Schrader von Schlies­tedt. Es waren ganz besonders seine Anmer­kungen und Hinweise, aufgrund derer das Bildungs­an­gebot des Collegium Carolinum auch auf techni­sche, ökono­mi­sche und natur­wis­sen­schaft­liche Bildungs­ziele hin erweitert wurde. Nach Schrader von Schlies­tedt sollten die Schüler, die keine Univer­si­täts­aus­bil­dung anstrebten, auf heraus­ra­gende Positionen im aufge­klärt absolu­tis­ti­schen Staat mit seiner merkan­ti­lis­ti­schen Wirtschafts­po­litik vorbe­reitet werden. Damit setzte er einen wesent­li­chen techni­schen Akzent und verschafften dem Carolinum sein spezi­fi­sches Bildungs­profil, das die geistes­wis­sen­schaft­liche Ausrich­tung mit einer technisch-natur­wis­sen­schaft­li­chen Bildung verband, wobei beide Ausbil­dungs­rich­tungen als gleich­wertig gelten sollten: „Die anstalten unsers Carolini sollen fürnem­lich auch denen nützlich werden, die sich dem militair­stande, dem hofe, der policey, der kaufmann­schaft, dem landleben, den forsten, bergwercken und anders ständen, auch künsten gewidmet haben, und an deren vernünf­tigen unter­wei­sung dem gemeinen wesen eben so viel als an dem unter­richt derer, die in den vier facul­täten gelehrte werden wollen, gelegen ist.“

Bildungs­pro­gramm im Sinne einer „Staats­schule“

Vorbe­rei­tung auf das Studium an der Univer­sität oder auf eine nicht­aka­de­mi­sche Berufs­lauf­bahn sollte das neue Collegium in gleicher Weise ermög­li­chen und damit auch ganz im Sinne einer „Staats­schule“ einen Beitrag zum Wohlergehen des Staates leisten, der für seine neue Wirtschafts­po­litik dringend auf quali­fi­zierte Mitar­beiter angewiesen war. Als Lehrge­biete sah die „Vorläuf­fige Nachricht“ vor: Theologie, Geschichte, Rechts­ge­lehrt­heit, Weltweis­heit, Mathe­ma­ti­sche Wissen­schaften (mit Mechanik, Feldmessen, Baukunst), Humaniora, Fremde Sprachen und Künste. Ebenso wichtig erschien dem Verfasser der Hinweis, dass der Unter­richt „durch­ge­hends in Teutscher Sprache“ gehalten wird.

Als Gebäude diente das am Bohlweg gelegene ehemalige Dienst­ge­bäude des Stadt­kom­man­danten. In der Nähe am Hagen­markt befand sich das Opernhaus, benach­bart lagen Zeughaus und Kavalier­haus, und auch das künftige Residenz­schloss war in Sicht­weite. Zwischen 1745 und 1748 wurde die reprä­sen­ta­tive Gesamt­an­lage für die geplante Nutzung des Collegium Carolinum umgebaut. Verant­wort­lich dafür waren der Franzose Martin Peltier de Belfort und Albrecht Heinrich Counradi (1699 – 1774). Beide waren auch Lehrer am Collegium Carolinum und zwar Counradi von 1746 an für prakti­sche Mathe­matik (Feldmess­wesen) sowie Zivil- und Militär­bau­kunst, Peltier von 1747 an neben­amt­lich für Baukunst.

Prof. Dr. h.c. Gerd Biegel ist Gründungs­di­rektor des Instituts für Braun­schwei­gi­sche Regio­nal­ge­schichte und Geschichts­ver­mitt­lung an der TU Braun­schweig.

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