Weichen­stel­lung für den Weg zur TU

Oberbürgermeister Heinrich Caspari (1805 bis 1880) setzte sich für mehr Technik am Collegiums Carolinum ein. Foto: Stadtarchiv
Oberbürgermeister Heinrich Caspari (1805 bis 1880) setzte sich für mehr Technik am Collegiums Carolinum ein. Foto: Stadtarchiv

275 Jahre Techni­sche Univer­sität Carolo-Wilhel­mina, Folge 8: Humanis­ti­sche und merkan­ti­li­sche Abteilung des Colle­giums Carolinum wurde 1862 aufgelöst.

Die Neuor­ga­ni­sa­tion des Colle­giums Carolinum von 1835 zeigte zunächst beacht­liche Erfolge. Bereits Anfang der 1840er Jahre jedoch begann erneut eine schwie­rige Phase, denn sinkende Zahlen an Studie­renden und die Stagna­tion im perso­nellen Ausbau ließen erneut kritische Stimmen laut werden. Auch wenn eine 1847 erschie­nene verglei­chende Unter­su­chung durch den Chemiker Friedrich Schödler Braun­schweig den Rang einer „Techni­schen Hochschule“ zuwies, so entsprach dies nicht der Realität.

Das Braun­schweiger Parlament, das das Collegium Carolinum erneut nur als Kosten­faktor betrach­tete, stellte insbe­son­dere die Notwen­dig­keit der humanis­ti­schen und merkan­ti­li­schen Abtei­lungen in Frage. Vorrang sollte ausschließ­lich die techni­sche Abteilung besitzen. Dagegen wehrten sich in erster Linie Victor Friedrich Leberecht Petri, die „humanis­ti­sche Säule“ des Colle­giums Carolinum und Julius Levin Ulrich Dedekind, der Vorsteher der merkan­ti­li­schen Abteilung. Nach dem Tode Petris 1857 verschärfte sich die Ausein­an­der­set­zung, in die sich nun auch der Braun­schweiger Oberbür­ger­meister Heinrich Caspari einschal­tete. Er forderte, ebenso wie der Direktor des Obergym­na­siums, Krüger, energisch die Umwand­lung des Collegium Carolinum in eine Polytech­ni­sche Schule.

Auf der Seite des Colle­giums war es der Vorsteher der techni­schen Abteilung, August Wilhelm Uhde, der durch ein Separat­votum ebenfalls für die Auflösung der humanis­ti­schen Abteilung plädierte. Jahrelang wehrte sich das Direk­to­rium des Colle­giums Carolinum gegen diese Forde­rungen, zeitweise unter­stützt durch den zustän­digen Staats­mi­nister, letztlich aber ohne Erfolg. Eine Teilre­form im Jahr 1855 erbrachte nicht den erhofften Erfolg, und so wurde das Collegium Carolinum 1862 endgültig in eine polytech­ni­sche Schule umgewan­delt, wobei die humanis­ti­sche und merkan­ti­li­sche Abteilung aufgelöst wurde.

Das Ergebnis der erneuten Reform lässt sich aus dem Vorbe­richt zum Lehrplan 1862/63 ersehen: „Die Umwand­lung des Herzog­li­chen Collegii Carolini in eine polytech­ni­sche Schule ist nun soweit zum Abschluss gebracht, dass die neue Anstalt mit acht Fachschulen: für den Maschi­nenbau mit 3 1/2jährigem, für das Bau- und Ingenieur­fach mit 4jährigem, das Hütten- und Salinen­fach mit 3jährigem, die chemische Technik mit 3jährigem, die Pharmacie mit 1 1/2jährigem, für Forst­wirth­schaft mit 2jährigem, für Landwirth­schaft mit 2jährigem und für das Eisenbahn- und Postfach mit 1 1/2jährigem Lehrcursus mit dem 29. October d. J. ihre neue Wirksam­keit beginnt.“

Damit fand das Collegium Carolinum Anschluss an die allge­meine Entwick­lung des Polytech­ni­schen Schul­we­sens in Deutsch­land im 19. Jahrhun­dert. Gleich­zeitig setzte der Prozess ein, der vom Polytech­nikum zur Techni­schen Hochschule in Braun­schweig führen sollte. Dies zeigte sich auch bei den studen­ti­schen Organi­sa­tionen und deren Entwick­lung.

In den 1860er Jahren kam es zu einer grund­le­genden Neuori­en­tie­rung im Bereich der Polytech­nika in Deutsch­land, wobei die Einrich­tungen in Karlsruhe und Aachen eine besondere Rolle spielten. Es ging dabei im Wesent­li­chen um den Übergang zu wissen­schaft­li­chen Hochschulen (z. B. Aachen) oder zumindest hochschul­ähn­li­chen Organi­sa­ti­ons­sta­tuten (z. B. Karlsruhe), um die Leistungs­fä­hig­keit der Polytech­nika den Anfor­de­rungen der Zeit anzupassen. So weit und so fortschritt­lich war man jedoch in Braun­schweig noch nicht, es bedurfte vielmehr erneut in diesen Jahren und der Zeit des frühen Kaiser­rei­ches „der merkwür­digen Zähigkeit einer Insti­tu­tion“, um schlichtweg überhaupt die Existenz der Polytech­ni­schen Schule in Braun­schweig zu sichern.

Prof. Dr. h.c. Gerd Biegel ist Gründungs­di­rektor des Instituts für Braun­schwei­gi­sche Regio­nal­ge­schichte und Geschichts­ver­mitt­lung an der TU Braun­schweig.

 

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