Altes Haus für neue Kunst

Die Villa Salve Hospes. Foto: Braunschweig Stadtmarketing GmbH/Marek Kruszewski
Die Villa Salve Hospes. Foto: Braunschweig Stadtmarketing GmbH/Marek Kruszewski

Braun­schweigs Museen, Folge 5: Kunst­verein Braun­schweig zeigt acht Ausstel­lungen pro Jahr in der Villa Salve Hospes.

So ein richtiges Museum im klassi­schen Sinn ist die Villa Salve Hospes nicht. Aber als Sitz des Kunst­ver­eins Braun­schweig mit seinen wechselnden Ausstel­lungen und als heraus­ra­gendes Bauwerk ist die Villa allemal einen ausgie­bigen Besuch wert

– egal, ob wir es Galerie oder Museum nennen? Das spielt spätes­tens dann keine Rolle mehr, wenn die ersten Schritte durch das frisch restau­rierte, schmie­de­ei­serne Tor getan sind und der Blick auf den hochherr­schaft­li­chen Eingang mit der goldenen Schrift „Salve Hospes“ (latei­nisch „Sei gegrüßt, Gast“) gerichtet ist.

Blick in die Ausstellung. Hier: Installation von Shannon Bool. Foto: Stefan Stark
Blick in die Ausstel­lung. Hier: Instal­la­tion von Shannon Bool. Foto: Stefan Stark

Die Außen­an­sicht und auch die Innen­ge­stal­tung sind dank des Denkmal­schutzes noch weitge­hend so erhalten, wie sie der herzog­liche Baumeister Peter Joseph Krahe einst zwischen 1805 bis 1808 entworfen hatte. Das, was an den Wänden hängt, bildet aber einen grandiosen Kontrast. „Wir präsen­tieren bedeu­tende Positionen inter­na­tio­naler Gegen­warts­kunst. Die Förderung junger Künst­le­rinnen und Künstler ist unser vorran­giges Ziel“, sagt Jule Hillgärtner. Die Theater‑, Film‑, und Medien­wis­sen­schaft­lerin ist seit 2014 Direk­torin des Kunst­ver­eins. Spätes­tens seither ist die Villa nicht nur ein Ort der Präsen­ta­tion, sondern auch einer des Austauschs und des Dialogs. Das Potenzial zeitge­nös­si­scher Kunst wird durch Ausstel­lungs­ka­ta­loge, Vortrags­reihen, Künst­ler­ge­spräche und Führungen unter­stri­chen.

Ein heraus­ra­gendes Beispiel dafür ist die nächste Ausstel­lung „The Faculty of Sensing. Thinking with, through and by Anton Wilhelm Amo“ vom 28. März bis zum 2. August. Der Kunst­verein Braun­schweig entwi­ckelt dazu auf Initia­tive von Bonaven­ture Soh Bejeng Ndikung ein umfäng­li­ches Projekt zu Ehren Anton Wilhelm Amos, einem heraus­ra­genden Philo­so­phen des 18. Jahrhun­derts. Anhand von Amos Schriften und ihrer Rezeption werden hochak­tu­elle Bezüge disku­tiert. Amo kam als afrika­ni­scher Sklave nach Braun­schweig und ging als Gelehrter. Im Rahmen des umfang­rei­chen Recherche- und Ausstel­lungs­pro­jekts wurden 16 inter­na­tio­nale Künst­le­rinnen und Künstler einge­laden, sich mit dem philo­so­phi­schen Denken Amos in größten­teils neu produ­zierten Arbeiten ausein­an­der­zu­setzen. Am 19. und 20. Juni wird ein mit inter­na­tional besetztes Symposium statt­finden.

Der Kunst­verein wurde bereits 1832 gegründet. Er zählt zu den renom­mier­testen Kunst­ver­einen Deutsch­lands. Organi­siert werden pro Jahr acht Einzel- oder Gruppen­aus­stel­lungen. Der zeitge­nös­si­sche britische Künstler Simon Fujiwara, dessen Werke heute etwa im Tate Modern in London, im Palais de Tokyo in Paris oder im Museum of Modern Art in New York zu sehen sind, sagte kürzlich im Gespräch mit Julia Hillgärtner, es sei ein Traum von ihm gewesen, im Kunst­verein Braun­schweig auszu­stellen. „Während ich an der Kunst­aka­demie war, habe ich das großar­tige Programm und die Künst­le­rinnen und Künstler verfolgt, die dort gezeigt wurden. Ganz besonders: Mike Kelley. Ich hatte seinen Katalog bestellt und war von den Instal­la­tionen, die er im Haus gezeigt hatte, ganz besessen. Als ich einge­laden wurde, auch im Kunst­verein auszu­stellen, war ich ziemlich jung und ganz am Anfang meiner Karriere. Es war sicher­lich ein Impuls“, wird er weiter in der Broschüre zur Jahres­gabe 2019/2020 zitiert.

Seit 1996 finden parallel zum Programm im Haupthaus jährlich vier Ausstel­lungen in der Remise statt. Der Raum gilt als Experi­men­tier­feld für junge Künst­le­rinnen und Künstler vor allem aus dem Braun­schwei­gi­schen. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg residiert der Kunst­verein am Lessing­platz in der Villa Salve Hospes. Das Gebäude befindet sich seit 1924 im Besitz der Stadt Braun­schweig. Die Villa Salve Hospes wurde nach 1933 bis 1945 zum Ort natio­nal­so­zia­lis­ti­scher Kultur­po­litik, ehe sich der neu gegrün­dete, moderne Kunst­verein dort einrichten durfte.

Stich der Villa Salve Hospes von L. Tacke (1823-1899). Repro: Der Löwe
Stich der Villa Salve Hospes von L. Tacke (1823–1899). Repro: Der Löwe

Peter Joseph Krahe hatte das frühklas­si­zis­ti­sche Stadt­pa­lais für Kaufmann Diedrich Wilhelm Krause im Zuge der Anlage des Wallrings, der rund um die Stadt auf den früheren Bastio­närs­be­fes­ti­gungen gelegt wurde, entworfen. In ihrer klaren, einfachen Raumkon­zep­tion knüpft das Gebäude an die große Tradition venezia­ni­scher Villen der Renais­sance an. Zwischen der Villa Salve Hospes und dem Kunst­verein gibt es übrigens eine lange Verbin­dung. Denn Krahe war nicht nur Gründungs­mit­glied des Vorgän­gers „Verein der Kunst­freunde, sondern von 1834 bis zu seinem Tod 1840 auch dessen Vorsit­zender.

Der Bauherr der Villa Salve Hospes, Diedrich Wilhelm Krause (1773–1845), hatte 1804 das reiche Erbe seines Vaters angetreten und war Besitzer der 1770 gegrün­deten Firma „Conrad Wilhelm Krause et Sohn“, die vor allem mit Hopfen aber auch mit engli­schem Steingut und Tee handelte.

Das weitere Jahres­pro­gramm:

15. – 23. August: Meister­schü­le­rinnen und Meister­schüler. Hochschule für Bildende Kunst Braun­schweig.

15. – 23. August: Markues. Instal­la­tionen in Wort, Schrift und abstrakter Malerei.

12. September – 25. November: Nadia Belle­rique, Jeneen Frei Njootli, Kathy Slade. Vor dem Hinter­grund des Gastland-Auftritts von Kanada auf der Frank­furter Buchmesse widmet der Kunst­verein Braun­schweig in Koope­ra­tion mit der Contem­po­rary Art Gallery in Vancouver drei kanadi­schen Künst­le­rinnen eine umfang­reiche Ausstel­lung in der Villa.

5. Dezember – 14. Februar 2021: Karrabing Film Collective/Rory Pilgrim. Duoaus­stel­lung zu ökolo­gi­schen Heraus­for­de­rungen und ökono­mi­schen Zwängen.

5. Dezember – 14. Februar 2021: Gili Tal. Die Arbeiten werfen einen kriti­schen Blick auf die unheim­liche und ideali­sierte kommer­zi­elle Ästhetik von städti­scher Aufwer­tung in privaten und öffent­li­chen urbanen Räumen.

Mehr zur Amo-Ausstel­lung: https://www.der-loewe.info/gekommen-als-sklave-gegangen-als-gelehrter

Kontakt:

Kunst­verein Braun­schweig
Lessing­platz 12 38100 Braun­schweig

E‑Mail: info@kunstvereinbraunschweig.de
Homepage: www.kunstverein-bs.de
Telefon: 0531–49556
Öffnungs­zeiten: Dienstag bis Sonntag 11 – 17 Uhr, Donnerstag 11 – 20 Uhr

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