Kernstück wurde die techni­sche Abteilung

Heinrich Büssing besuchte als Gasthörer Vorlesungen am Collegium Carolinum. Foto: Wikipedia
Heinrich Büssing besuchte als Gasthörer Vorlesungen am Collegium Carolinum. Foto: Wikipedia

275 Jahre Techni­sche Univer­sität Carolo-Wilhel­mina, Folge 7: Lehran­gebot zu Beginn der Indus­tria­li­sie­rung entsprach den Anfor­de­rungen der Zeit.

Das Collegium Carolinum wurde am 22. Oktober 1835 in drei Abtei­lungen unter­teilt: eine humanis­ti­sche, eine merkan­ti­lis­ti­sche und eine techni­sche. Letztere entwi­ckelte sich in der Folge zur wichtigsten Abteilung. In der merkan­ti­lis­ti­schen Abteilung, die sich als wissen­schaft­liche Einrich­tung verstand, erhielten angehende Kaufleute Unter­richt in Theorie und Politik des Handels, kaufmän­ni­schem Rechnen, Korre­spon­denz in deutscher, franzö­si­scher, engli­scher und italie­ni­scher Sprache, Buchhalten, Waren­kunde, Techno­logie, Handels­geo­gra­phie, Handels- und Wechsel­recht und mehr. Ganz in der geistes­wis­sen­schaft­li­chen Tradition befand sich die humanis­ti­sche Abteilung. Bedeu­tende Vertreter waren neben Victor Friedrich Leberecht Petri für klassi­sche Sprachen und Literatur, seit 1821 Friedrich Conrad Griepen­kerl (1782 – 1849) für deutsche Sprache und Literatur und im Fach Geschichte ab 1845 Wilhelm Assmann (1800 – 1875).

Kernstück der Neuor­ga­ni­sa­tion war die Einrich­tung der techni­schen Abteilung, deren Gründer und erster Vorstand August Wilhelm Uhde (1807 – 1861) wurde. Diese Abteilung sollte zur höheren techni­schen Ausbil­dung dienen, in Abgren­zung zur Erlangung handwerk­li­cher Fertig­keiten. „Die techni­sche Abthei­lung des Collegii Carolini ist für den höheren wissen­schaft­li­chen Unter­richt der Techniker bestimmt“, befür­wor­tete Uhde eine Wissen­schaft, die an die Praxis heran­führt, ohne jedoch in diese überzu­gehen.

Ausbilden für den Eigen­be­darf

Als „Teil der Natur­wis­sen­schaften“ wurden auch Botanik, Zoologie und Minera­logie gelehrt, jedoch war die Eigen­stän­dig­keit als wissen­schaft­liche Disziplin in Braun­schweig zur Zeit der Reorga­ni­sa­tion 1835 noch nicht entschei­dend zum Tragen gekommen. Ganz anders dagegen die chemisch-pharma­zeu­ti­schen Fächer, die zur Keimzelle der natur­wis­sen­schaft­lich-techni­schen Diszi­plinen werden sollten. Dabei waren ab 1835 Pharmazie und Landwirt­schaft sowie ab 1838 die Forst­wirt­schaft eigen­stän­dige Studi­en­rich­tungen. Ziel war es überwie­gend, geeig­neten und gut vorge­bil­deten Nachwuchs für den Bedarf der eigenen Landes­ver­wal­tung auszu­bilden.

Maschi­nenbau von beson­derer Bedeutung

Zu erwähnen ist noch der Maschi­nenbau, kam doch gerade diesem Wissen­schafts­zweig, der sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhun­derts heraus­bil­dete, besondere Bedeutung für die Entwick­lung der Indus­tria­li­sie­rung in Deutsch­land zu. Am 19. Juli 1835 gelang es, Johann Bernhard Schneider als Professor für Statik, Mechanik und darstel­lender Geometrie zu gewinnen, der in der Tradition der von Bode als Vorbild formu­lierten Wiener Schule stand und bald zur heraus­ra­genden Autorität auf techni­schem Gebiet in Braun­schweig wurde. Im Dezember 1837 wurde Schneider auch techni­scher Leiter der Braun­schweiger Staats­bahnen und Mitglied der herzog­li­chen Eisen­bahn­kom­mis­sion. Er entwi­ckelte sich zum Eisen­bahn­spe­zia­listen mit inter­na­tional hohem Ansehen.

Büssing als Gasthörer

Sein Nachfolger wurde der ehemalige Schüler des Collegium Carolinum Adolf Friedrich Scheffler (1828 – 1913). Bei Scheffler hatte auch Heinrich Büssing (1843 – 1929) als Gasthörer des Collegium Carolinum zwischen 1862 – 1866 Mechanik-Vorle­sungen gehört. Als im Zuge des allge­meinen technisch-indus­tri­ellen Wandels das Collegium Carolinum 1862/63 in ein Polytech­nikum umgewan­delt wurde, verbes­serte sich die Situation und das Lehran­gebot entsprach den aktuellen Anfor­de­rungen der technisch-indus­tri­ellen Entwick­lungen der Zeit. Das Collegium Carolinum hatte es stets verstanden die Zeichen der Zeit zu erkennen, neue Strömungen der Wissen­schaften zu integrieren und das eigene Institut auf Zukunft zu orien­tieren.

Prof. Dr. h.c. Gerd Biegel ist Gründungs­di­rektor des Instituts für Braun­schwei­gi­sche Regio­nal­ge­schichte und Geschichts­ver­mitt­lung an der TU Braun­schweig.

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