Paris, Wien, Prag und Berlin als Vorbilder

Stadtdirektor Wilhelm Bode förderte die Bildungsreform am Collegium Carolinum hin zu einer Polytechnische Akademie. Repro IBR
Stadtdirektor Wilhelm Bode förderte die Bildungsreform am Collegium Carolinum hin zu einer Polytechnische Akademie. Repro IBR

275 Jahre Techni­sche Univer­sität Braun­schweig, Folge 6: Bildungs­re­form hin zu akade­mi­schen Freiheiten im Lehren und Lernen.

Die Diskus­sion um die Qualität der Bildungs­in­sti­tute in der Stadt wurde erneut entfacht, als 1831 eine program­ma­ti­sche Schrift erschien, die die Einrich­tung einer polytech­ni­schen Akademie univer­si­tären Zuschnitts anregte. Autor der anonymen Schrift war Friedrich Wilhelm Spehr (1799 – 1833), der seit 1825 den dritten Lehrstuhl für Mathe­matik am Collegium Carolinum innehatte. Nach einer Analyse der Polytech­ni­schen Institute in Paris, Wien, Prag und Berlin sah er eine gute Chance für eine solche Akademie in Braun­schweig: „Eine polytech­ni­sche Akademie für Norddeutsch­land ist gewiß zeitgemäß, eine polytech­ni­sche Akademie in der Residenz­stadt Braun­schweig mit akade­mi­schen Freiheiten im Lehren und Lernen, würde ohne Zweifel ebenso bald herge­stellt, als in Aufnahme kommen.“

Spehr wollte vier Fakul­täten einrichten: eine mathe­ma­ti­sche, eine physi­ka­li­sche, eine techni­sche und eine histo­ri­sche. Dabei sah er als Ausbil­dungs­fä­cher vor: Baukunst, Forst­wirt­schaft, Landwirt­schaft, Berg- und Hütten­kunde, Chirurgie, Pharmazie oder Apothe­ker­kunst, Fabrik­kunde und Handlungs­wis­sen­schaften. Aber auch Geodäten, Militärs, Instru­men­ten­ma­cher und Nautiker fanden in Spehrs Konzept einen Platz.

Stadt­di­rektor Wilhelm Bode unter­stützte

Die Reaktion auf diese Vorschläge ließ nicht lange auf sich warten, so durch den Professor für klassi­sche Literatur am Collegium Carolinum, Victor Friedrich Leberecht Petri (1782 – 1857), der eine Anstalt zwischen Gymnasium und Univer­sität nach wie vor für sinnvoll hielt. Aller­dings erhielt Spehr überra­schend Unter­stüt­zung von außen. So setzten sich die politi­schen Vertreter des Bürger­tums im Herzogtum für eine Umwand­lung in eine Polytech­ni­sche Anstalt ein. In einer Denkschrift forderte auch Stadt­di­rektor Wilhelm Bode (1799 – 1854) 1833 eine Neuori­en­tie­rung. Ein Polytech­ni­sches Institut solle die „Jugend zur indus­tri­ellen Thätig­keit“ anhalten und den „umfas­sendsten Unter­richt“ in Mechanik und Techno­logie, in Chemie und in der Baukunst erteilen und zudem Kurse in Handels­wis­sen­schaften, Land- und Forst­wirt­schaft, Bergbau sowie Wundarznei- und Tierheil­kunde anbieten.

Umstruk­tu­rie­rung im Oktober 1835

Die Ausfüh­rungen Bodes belegen die praxis­be­zo­genen Beweg­gründe, die der Bildungs­re­form zugrunde lagen. Bode fand für seine Pläne Zustim­mung und Unter­stüt­zung bei dem einfluss­rei­chen Abgeord­neten und Landdrosten Ludwig Thedel August Freiherr von Cramm (1790 – 1858) und dem zustän­digen Minister Friedrich Schulz (1795 – 1864). Bereits am 22. Dezember 1834 beschloss die Stände­ver­samm­lung mehrheit­lich die neue, polytech­ni­sche Ausrich­tung des Collegium Carolinum. Mit herzog­li­chem Reskript vom 22. Oktober 1835 erfolgte die Umstruk­tu­rie­rung des Collegium Carolinum zu einer den „Gewerbs­wis­sen­schaften und Künsten vorzugs­weise gewid­meten Akademie“. Das Collegium Carolinum wurde in der Folge in drei Abtei­lungen unter­teilt: eine humanis­ti­sche, eine merkan­ti­lis­ti­sche und eine techni­sche; letztere entwi­ckelte sich in der Folge zur wichtigsten Abteilung.

Nach Wilhelm Bode wurde bereits 1896 die „Bodestraße“ im Östlichen Ringge­biet benannt. 1929 wurde sie in „Wilhelm-Bode-Straße“ umgetauft, damit eindeutig klar wurde, dass der ehemalige Stadt­di­rektor mit der Ehrung gemeint war.

Prof. Dr. h.c. Gerd Biegel ist Gründungs­di­rektor des Instituts für Braun­schwei­gi­sche Regio­nal­ge­schichte und Geschichts­ver­mitt­lung an der TU Braun­schweig

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