Hannovers Befreier kam aus Braun­schweig

Gemälde von Herzog Ferdinand von Braunschweig-Wolfenbüttel. Foto: Wikipedia/gemeinfrei
Gemälde von Herzog Ferdinand von Braunschweig-Wolfenbüttel. Foto: Wikipedia/gemeinfrei

Geschichte(n) aus dem Braun­schwei­gi­schen, Folge 26: Im Sieben­jäh­rigen Krieg (1756–1763) befreite Herzog Ferdinand von Braun­schweig-Wolfen­büttel Norddeutsch­land von den franzö­si­schen Besatzern.

Herzog Ferdinand von Braun­schweig-Wolfen­büttel, Bruder des seiner­zeit regie­renden Herzog Carl I., erreichte im Sieben­jäh­rigen Krieg (1756 – 1763), als preußi­scher Offizier bemer­kens­werten militä­ri­schen Ruhm und trug entschei­dend zur Befreiung Norddeutsch­lands von franzö­si­schen Truppen bei. Herzog Ferdinand wurde am 12. Januar 1721 geboren. Anläss­lich der 300. Wieder­kehr des Geburts­tags erinnert Prof. Gerd Biegel, Gründungs­di­rektor des Instituts für Braun­schwei­gi­sche Regio­nal­ge­schichte an der Techni­schen Univer­sität Braun­schweig, in seinem diesjäh­rigen Silves­ter­vor­trag an die bedeu­tende Braun­schwei­gi­sche Persön­lich­keit.

Globale Dimension

Biegel schreibt Herzog Ferdinand in seinem Vortrag eine „globale Dimension“ zu. Pande­mie­be­dingt konnte der Vortrag nicht wie tradi­tio­nell üblich im Kaiserdom Königs­lutter gehalten werden, sondern wurde online an Inter­es­sierte verschickt. „Der Löwe – das Portal für das Braun­schwei­gi­sche“ fasst den Vortrag in seiner Reihe „Braun­schwei­gi­sche Geschichte(n)“ zusammen.

Auf Wunsch des engli­schen Königs Georg II. und unter Druck des preußi­schen Königs Friedrich II. wurde Herzog Ferdinand im November 1757 als Nachfolger des Herzogs von Cumber­land die Führung des Heeres in Nordwest­deutsch­land übertragen. Zuvor war Ferdinand als Gouver­neur von Magdeburg einge­setzt gewesen.

Rücksichts­lose Ausbeu­tung

Allein Herzog Carl I. von Braun­schweig (1713–1780) konnte sich durch eine hohe, an die Franzosen entrich­tete Geldsumme Neutra­lität in seiner Grafschaft Blanken­burg erkaufen. Norddeutsch­land war ansonsten in franzö­si­scher Hand. Die Franzosen besetzten, ohne auf nennens­werten Wider­stand zu stoßen, den gesamten welfi­schen Besitz und stürzten das Land durch rücksichts­lose Ausbeu­tung und Kontri­bu­tionen in Not und Elend.

Gemälde von der Schlacht bei Minden. Foto: Wikipedia/gemeinfrei
Gemälde von der Schlacht bei Minden. Foto: Wikipedia/gemeinfrei

Die sogenannte „Obser­va­ti­ons­armee“ bestand aus dem hanno­ver­schen Heer und norddeut­schen Soldtruppen. Es befand sich im Zustand physi­scher und morali­scher Auflösung. Entspre­chend schwierig gestal­tete sich die Aufgabe des Herzogs, zumal er diese gegen den entschie­denen Wider­spruch seines Bruders übernommen hatte. Herzog Carl I. hielt sich zu der Zeit im Exil in Blanken­burg auf.

Preußen als Großmacht etabliert

„Mit dem Sieg in der Schlacht bei Minden am 1. August 1759 hatte Herzog Ferdinand einen entschei­denden Erfolg gegen ein zahlen­mäßig überle­genes franzö­si­sches Heer errungen. Es war ein in vielfäl­tiger Hinsicht wirkungs­mäch­tiges Ereignis. Das für Preußen wichtige Westfalen blieb gesichert und Hannover sowie Norddeutsch­land waren von der franzö­si­schen Besetzung befreit, die mit der Schlacht bei Hasten­beck am 26. Juli 1757 und der schmach­vollen Konven­tion von Zeven am 8. September 1757 begonnen hatte. Hasten­beck, Zeven und Minden waren die entschei­denden Eckpunkte auf dem westli­chen Kriegs­schau­platz des Sieben­jäh­rigen Krieges, mit dessen Ende im Frieden von Huber­tus­burg sich Preußen unter Friedrich II. endgültig als europäi­sche Großmacht etablieren konnte“, schreibt Biegel.

Erreicht hatte Herzog Ferdinand das mit einer desolaten und zusam­men­ge­wür­felten Truppe mit Kontin­genten aus sechs verschie­denen Ländern. 40.000 Mann standen 55.000 Mann der Franzosen gegenüber. „Aller­dings war es seiner militä­ri­schen Fähigkeit und überle­genen Führungs­qua­lität als Heerführer gelungen, ein taktisch geschickt operie­rendes und hoch motiviertes Heer in die Schlacht bei Minden zu führen, dessen Tapfer­keit letztlich manchen Nachteil gegen die überle­genen Verbün­deten Frank­reich und Sachsen ausglich. Der entschei­dende Angriff der Infan­terie auf die Elite der franzö­si­schen Kaval­lerie war dabei nur ein Beispiel für ungewöhn­liche Taten in dieser Schlacht“, so Biegel.

Große Verluste auf beiden Seiten

Der preußi­sche König Friedrich II. schrieb in einem Brief an den Herzog. „Ich danke Ihnen von Herzen für den mir überschickten Plan von der Bataille von Minden; ich habe ihn betrachtet, und die Falle, in die Sie den Marschall von Contades hinein­ge­lockt haben, sehr bewundert.“ Beide Truppen hatten in der Schlacht bei Minden schwere Verluste erlitten. Auf franzö­si­scher und sächsi­scher Seite wurden die Verluste mit rund 8.000 Mann beziffert, während auf Seiten der „Alliierten Armee“ knapp 3.000 Gefallene gezählt wurden.

„Aus allen Dörfern von Hahlen und Hartum bis nach Todten­hausen wurden am Tage nach der Schlacht mitten aus der Ernte­ar­beit heraus die Bauern aufge­boten, um die Ernte des Todes auf der Minder­heide bergen zu helfen. Die Fuhren mit Verwun­deten knarrten auf den ausge­fah­renen Sandwegen auf Minden und Peters­hagen zu, wo die Lazarette waren. In den sandigen Heide­boden wurden tiefe Gruben gegraben, in denen die Tausende Namen­loser einge­schau­felt wurden an der Stelle, wo sie der Säbelhieb, der Bajonett­stich oder die Kugel getroffen hatte. Dunkle franzö­si­sche Gesichter, englische und hanno­ver­sche Rotröcke, blutge­tränkte hessische, preußi­sche und braun­schwei­gi­sche Uniformen. Eine tagelange Arbeit, denn der Tod hatte große Ernte gehalten und die Toten lagen weit versprengt im Tannen­holz, Busch und Hohlweg. Hundert Jahre darauf wurden noch in einer Kiesgrube auf der Heide mensch­liche Gerippe und franzö­si­sche Reiter­har­ni­sche gefunden“, zitiert Biegel aus einen histo­ri­schen Bericht.

König und Feldherr gespalten

Das persön­liche Verhältnis zwischen König und Feldherr war später gestört. Ferdi­nands Interesse galt weniger den Sonder­in­ter­essen des preußi­schen Staates als vielmehr dem norddeut­schen Raum, den er zu vertei­digen dachte und so konnten Spannungen nicht ausbleiben. Herzog Ferdinand von Braun­schweig schied im Juni 1766 im Range eines Feldmar­schalls überra­schend aus dem preußi­schen Dienst aus und verzich­tete auf sämtliche Pensi­ons­an­sprüche.

Verarmt in Vechelde gestorben

Er lebte fortan als Privat­mann zeitweise in Braun­schweig und als „Gutsherr von Vechelde“, wo er sich 1764 einen Sommer­sitz erworben hatte und am 3. Juli 1792 hoch verschuldet starb. Als Privat­mann hatte sich Ferdinand vielfäl­tigen wissen­schaft­li­chen und kultu­rellen Aufgaben gewidmet, förderte entspre­chende Bestre­bungen trotz finan­ziell beschei­dener Mittel auf großzü­gige Weise und verschaffte seinem „Hof“ zeitweise eine bemer­kens­werte kultu­relle Bedeutung. Wichtiger Partner war, so trägt Prof. Gerd Biegel vor, Ferdinand Abt Jerusalem (1709–1789), Mitbe­gründer des Collegium Carolinum vor 275 Jahren. Ferdi­nands beson­deres Interesse galt der Freimau­rerei, die ihn auch mit Lessing verband.

Seine nachhal­tige Wirkungs­mäch­tig­keit als Feldherr und die Hilfe für das welfische Kurhan­nover fand ihren Nieder­schlag in der Aufnahme einer Büste Ferdi­nands in die Walhalla. Die Inschrift lautet „Hannovers Befreier“.

Prof. Dr. h. c. Gerd Biegel ist Gründungs­di­rektor des Instituts für Braun­schwei­gi­sche Regio­nal­ge­schichte an der TU Braun­schweig.

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