Das Lessing-Denkmal war sein epoche­ma­chendes Werk

Ernst Rietschel. Foto: IBRG
Ernst Rietschel. Foto: IBRG

Ehren­bürger der Stadt Braun­schweig, Folge 4: Ernst Rietschel.

„Der Kunstklub wird Sie bitten, das Diplom der Ehren­mit­glied­schaft zu geneh­migen und von der Stadt Braun­schweig werden Sie den Ehren­bür­ger­brief erhalten“. Mit diesem Schreiben von Dr. Carl Schiller an den Dresdner Professor und Bildhauer Ernst Rietschel erreichte die Herstel­lung des Braun­schweiger Lessing-Denkmals seinen ehren­vollen Höhepunkt für den Künstler, dem die Stadt Braun­schweig ihre höchste Würdigung, die Ehren­bür­ger­würde, zukommen ließ. Es erscheint unbestritten, dass die heraus­ra­gende Stellung, die Ernst Rietschel in der Kunst des 19. Jahrhun­derts einnimmt, ganz wesent­lich durch sein Braun­schweiger Lessing-Standbild begründet wurde.

Das Binde­glied zwischen Lessing und Rietschel im 19. Jahrhun­dert war der Braun­schweiger Privat­ge­lehrte Schiller (1807 – 1874), der Lessing verehrte und mit Rietschel lebens­lange Freund­schaft schloss. Die längste Zeit seines Lebens war Schiller mit der Reali­sie­rung des Lessing-Denkmales beschäf­tigt, denn dessen Geschichte bis zur Einwei­hung reichte von 1831 bis 1863.

Rietschels Lessing-Denkmal. Archivfoto: Thomas Ostwald.
Rietschels Lessing-Denkmal. Archiv­foto: Thomas Ostwald.

Aufge­wachsen in Armut

Ernst Friedrich August Rietschel wurde am 15. Dezember 1804 in Pulsnitz in der sächsi­schen Lausitz geboren. Rietschels Vater war Handschuh­ma­cher und Küster an der Kirche von Pulsnitz. Es war eine Jugend in äußerster Armut, und Rietschel musste schon als Kind seinen Lebens­un­ter­halt selbst verdienen. Als Autodi­dakt lernte er in jeder freien Minute Zeichnen und Malen, ehe er 1820 in die Dresdner Kunst­aka­demie eintrat.

Entschei­dend wurde für ihn schließ­lich 1826 die Begegnung mit Christian Daniel Rauch in Berlin, in dessen Atelier er seine grund­le­gende Ausbil­dung, aber auch dauer­hafte Förderung erfuhr. 1826 erhielt Rietschel ein Reise­sti­pen­dium von der sächsi­schen Regierung, das er jedoch erst im August 1830 für einen neunmo­na­tigen Aufent­halt in Italien nutzte, da er 1829 Rauch in München bei der Fertig­stel­lung des Denkmals für König Max von Bayern unter­stützte.

Rietschel-Denkmal in Dresden. Foto IBRG
Rietschel-Denkmal in Dresden. Foto IBRG

Modell der Quadriga

Zahlreiche eigene Arbeiten folgten, so etwa die Luther-Büste für die Walhalla, das Denkmal für König Friedrich August I., in Dresden sowie Skulp­tu­ren­schmuck für den Giebel des Leipziger Univer­si­täts­ge­bäudes. 1846 entstand das Denkmal für Albrecht Thaer in Leipzig, 1847 eine Pietà im Auftrag des preußi­schen Königs Friedrich Wilhelm IV. (1795 – 1861), 1858 das Denkmal für Carl Maria von Weber und schließ­lich als epoche­ma­chende Leistung das Braun­schweiger Lessing-Standbild. Zahlreiche weitere Werke sollten noch folgen, von denen das Goethe-Schiller-Denkmal in Weimar (1857), das Modell der Quadriga auf dem Braun­schweiger Residenz­schloss (1863) und das Refor­ma­tions-Denkmal in Worms (1868) besonders hervor­zu­heben sind.

Bereits 1832 war Rietschel von Berlin nach Dresden gewech­selt, da er an die dortige Kunst­aka­demie als Professor berufen worden war. In Dresden lebte Ernst Rietschel bis zu seinem Tod am 21. Februar 1861. In den Jahren nach 1847 übten der Kontakt und die Freund­schaft mit Carl Schiller wesent­li­chen Einfluss auf die künst­le­ri­schen Entschei­dungen von Ernst Rietschel aus. Diese Tatsache wird im Brief­wechsel der Freunde deutlich, aber auch persön­liche Inter­essen und Alltags­fragen wurden ausge­tauscht.

Der Bedeutung bewusst

Natur­gemäß nahm das Thema Lessing-Denkmal den größten Raum in den überlie­ferten Briefen ein. Die Verbin­dung von Ernst Rietschel mit Braun­schweig ist weitge­hend in Verges­sen­heit geraten. Es gab viele Verbin­dungen des Dresdner Bildhauers Ernst Rietschel zu Braun­schweig, und in dieser Kultur­stadt war man sich im 19. Jahrhun­dert über die Qualität und Bedeutung der Kunst von Ernst Rietschel sehr schnell im Klaren. Daher hat man ihn am 29. September 1853 mit der Ehren­bür­ger­würde der Stadt Braun­schweig ausge­zeichnet. Er war der fünfte Ehren­bürger Braun­schweigs, vier Jahre nach dem größten Sohn der Stadt, Carl Friedrich Gauß.

Prof. Dr. h.c. Gerd Biegel ist Gründungs­di­rektor des Instituts für Braun­schwei­gi­sche Regio­nal­ge­schichte und Geschichts­ver­mitt­lung an der TU Braun­schweig.

Das könnte Sie auch interessieren