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Ein Archiv zwischen Braunschweig und Wolfenbüttel

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Historikerin Meike Buck zeichnet die Diskussionen um den Standort des Niedersächsischen Staatsarchivs während der NS- und der Nachkriegszeit nach.

Die Rolle der Archive und ihres Personals im Nationalsozialismus wurde erst spät zum Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen. In den bisherigen Betrachtungen zu den staatlichen Archiven in Niedersachsen wurde die NS-Zeit eher ausschnitthaft beleuchtet, etwa im Zusammenhang mit den durch Kriegseinwirkung eingetretenen Gebäudeschäden und Archivalienverlusten oder nur punktuell und für besonders markante Personen untersucht. Die Historikerin und Archivarin Meike Buck widmet sich nun in ihrem Buch „Zwischen politischen Erwartungen und archivischem Selbstverständnis – Das Braunschweigische Landeshaupt- bzw. Staatsarchiv Wolfenbüttel in der Zeit des Nationalsozialismus“ dieser Epoche erstmals in ganzer Breite.

Buchvorstellung am 25. April

Die Buchvorstellung findet am 25. April um 19 Uhr im Niedersächsischen Landesarchiv, Abteilung Wolfenbüttel (Forstweg 2, 38302 Wolfenbüttel) statt. In ihrem Vortrag geht Meike Buck auf ein Thema aus dem Buch genauer ein, nämlich der Standortfrage. Dass sich das Archiv eines Territoriums nicht an dessen Hauptort befindet – wie das Archiv des ehemaligen Landes Braunschweig in Wolfenbüttel –, ist eher ungewöhnlich. Darüber gab es in den 1930er und nach 1945 wiederkehrende Diskussionen. Meike Buck zeichnet sie nach.

Umzug in den Neubau am Lechlumer Holze 1955/56. Foto: Niedersächsisches Landesarchiv, Wolfenbüttel

„Dass das Archiv, das ja für die Herzogliche Kanzlei zuständig war, in Wolfenbüttel untergebracht war, war nur logisch – schließlich befand sich der Sitz des Hofes und der Regierung dort“, erklärt Meike Buck. Auch als der Hof Mitte des 18. Jahrhunderts nach Braunschweig verlegt wurde, verblieben die Urkunden und historischen Akten in dem wuchtigen Spätrenaissancebau in der Wolfenbütteler Altstadt. Doch schon 1884 gab es erste Überlegungen für einen Neubau, die in den 1930er-Jahren konkreter wurden. Tatsächlich begann die nationalsozialistische Regierung mit den Planungen für einen Neubau in Wolfenbüttel. Finanzierung, Bauplan, Entwurf – alles schien geregelt, als Hermann Kleinau, der 1938 die Leitung übernahm, die Standortfrage stellte. Ein Sitz in der Hauptstadt Braunschweig nahe am Staatsministerium als politischem Machtzentrum hätte auch der gestiegenen Bedeutung des Archivs für die Ziele des Nationalsozialismus entsprochen. Doch der Zweite Weltkrieg stoppte alle Neubaupläne.

Denkmalschutz für den Neubau

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Raumnot des Archivs wieder aktuell und die Frage des Standortes erneut diskutiert. Am 13. September 1956 versammelten sich aber schließlich mehr als 100 geladene Gäste aus Politik, Wissenschaft und Kultur im Niedersächsischen Staatsarchiv Wolfenbüttel, um die Einweihung des neuen Archivgebäudes am Forstweg zu feiern. Der Neubau war der Abschluss eines langen Prozesses und vieler Diskussionen über den Standort und die Lagerung der Archivalien, welche sich über mehr als ein halbes Jahrhundert hingezogen hatten. Seit 1998 stehen das Gebäude und Teile seiner Inneneinrichtung unter Denkmalschutz. Es ist damit eines der jüngsten Baudenkmale in Wolfenbüttel.

Gäste bei der Einweihung des Neubaus am 13. September 1956. Foto: Niedersächsisches Landesarchiv, Wolfenbüttel

Das Buch wird als Band 4 der Kleinen Schriften des Niedersächsischen Landesarchivs erscheinen. „Da es bisher keine Arbeit über die Geschichte des Archivs in der NS-Zeit gab, hat das Landesarchiv den Druck der Masterarbeit ermöglicht“, freut sich Brage Bei der Wieden, Leiter der Abteilung Wolfenbüttel des Niedersächsischen Landesarchivs, über die Aufarbeitung von Meike Buck.
Anhand der drei Themenbereiche Quellen, Menschen und Räumlichkeiten hat sie erforscht, wie sich der Machtwechsel von 1930/1933 und der Zweite Weltkrieg strukturell, fachlich, personell, verwaltungstechnisch und baulich auf das Wolfenbütteler Archiv ausgewirkt haben. Es wird auch dargelegt, welche Folgen die Veränderungen für die Mitarbeiter hatten, ob sie mit ihrem Selbstverständnis als Archivare vereinbar waren, wie sie sich zum nationalsozialistischen Herrschaftssystem stellten und welche Handlungsspielräume sie hatten beziehungsweise nutzten.

Fakten:

„Zwischen politischen Erwartungen und archivischem Selbstverständnis – Das Braunschweigische Landeshaupt- bzw. Staatsarchiv Wolfenbüttel in der Zeit des Nationalsozialismus“, Meike Buck (Kleine Schriften des Niedersächsischen Landesarchivs, Band 4), Hannover 2023, 168 S., zahlreiche Abbildungen, ISBN 978-3-9822657-2-8, 12 Euro. Die Publikation ist im Buchhandel oder direkt beim Niedersächsischen Landesarchiv, Am Archiv 1, 30169 Hannover, oder per E-Mail an poststelle@nla.niedersachsen.de zu beziehen.

Die Abteilung Wolfenbüttel des Niedersächsischen Landesarchivs heute. Foto: Meike Buck

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