Ist ein Jubiläum zu feiern?

Klosterkirche Riddagshausen. Foto: Peter Sierigk
Klosterkirche Riddagshausen. Foto: Peter Sierigk

Von der Schwie­rig­keit der histo­ri­schen Datierung des Zister­zen­sier­klos­ters Riddags­hausen.

Frohe Kunde kommt aus Riddags­hausen: Man will den 800. Jahrestag der Grund­stein­le­gung für die Kloster­kirche feiern. Vom 17. bis 24. Juni wird ein attrak­tives Programm geboten („Der Löwe“ berich­tete), das hoffent­lich sehr viele Besucher anlocken wird. Sehr schön, als Braun­schweiger freut man sich über ein solches Ereignis und fängt an, sich mit dem Thema etwas näher zu beschäf­tigen und geht der Frage nach, wann denn eigent­lich dieses Kloster der Zister­zi­en­ser­mönche überhaupt gegründet wurde.

Es war einer der Minis­te­rialen aus dem Gefolge Heinrich des Löwen, der die Gründung eines neuen Klosters vor den Toren der Stadt Braun­schweig vorbe­rei­tete. Ludolf von Dahlum, Stadtvogt von Braun­schweig, stiftete das Kloster und ermög­lichte diese  Einrich­tung auch durch Schen­kungen seines Herren, Herzog Heinrich der Löwe. Man bezeich­nete diese Stiftung gelegent­lich auch als „Strohmann-Stiftung“, denn diese Gründung erfolgte natürlich ganz im Sinne Herzog Heinrichs.

Im Jahre 1146 (nicht: 1145) wurde das Kloster Cella sanctae Mariae östlich von Braun­schweig durch Zister­zi­en­ser­mönche aus Amelungs­born gegründet. 1147 stellte Papst Eugen III. das Kloster unter seinen Schutz. Herzog Heinrich der Löwe beschenkte es 1173 mit wertvollen Reliquien, die er von seiner Pilger­reise nach Jerusalem mitge­bracht hatte. Von diesem ersten Bau gibt es keine Reste mehr zu sehen.

Mit dem Neubau des Nachfol­ge­baus unter dem Welfen­kaiser Otto IV., einem Sohn Heinrichs des Löwen, wurde dann im Jahre 1206 begonnen, wie in dem Chronicon Riddags­hu­sanum belegt ist: „1206 wird das neue Kloster von den Vätern zu bauen angefangen“. Diese Notiz erfolgte nach einem Eintrag über die Eroberung Goslars am 9. Juni 1206. Professor Bernd Hucker wies darauf in seiner Arbeit „Der imperiale Monumen­tal­stil in Deutsch­land 1206–1218: Kaiser Otto IV., der Magde­burger Domneubau und die Zister­zi­en­ser­gotik“ bereits im Jahr 2009 hin (vgl. dazu: „Aufbruch in die Gotik. Der Magde­burger Dom und die späte Staufer­zeit.“ Mainz, Verlag Philipp von Zabern, S. 91).

Und plötzlich durch­zuckt einen der Gedanke: „Upps – wann war die Grund­stein-legung denn nun wirklich?“ 1206 oder 1216?

Kaiser Otto IV. äußerte sich im März des Jahres 1215 über den Neubau: „Da wir eine herzliche Zuneigung zu allen Klöstern dieses Ordens hegen, besonders zu dem von uns sehr geliebten Kloster Riddags­hausen, begehren wir, dass unser gutes und heilsames Vorhaben tatkräftig voran­komme, sooft wir bei gegebener Gelegen­heit die Mittel haben, es in angemes­sener Weise zu fördern“.  Der Braun­schweiger Vogt Balduin von Dahlum wurde um 1216 Zister­zi­en­ser­mönch in Riddags­hausen.

Geweiht wurde die neue Kloster­kirche im Jahre 1275, und darauf bezieht sich die Nachricht auf der neuen Web-Seite des Klosters, dass man 1975 das 700jährige Jubiläum feierte, nachdem umfang­reiche Renovie­rungen abgeschlossen wurden.

Verwirrt fragt sich der Braun­schweig-Freund, wie denn wohl überhaupt so eine Grund­stein­le­gung im Mittel­alter ausge­sehen haben mag und wie ein solches Ereignis dokumen­tiert wurde. Heute ein Festakt mit Honora­tioren, so kann man sich für das Mittel­alter eher eine andere Zeremonie denken. Dort, wo einst der Hochaltar stehen sollte, errich­tete man ein Holzkreuz. Die Bauhütte beginnt mit der Ausfüh­rung des Baues. Und irgend­wann kann der Bau genutzt werden. Oder?

Wie man sich also eine Grund­stein­le­gung im Mittel­alter vorzu­stellen hat, könnte man dem Bericht des Abtes Sugar von St. Denis (bei Paris) entnehmen, der über den Baubeginn des neuen Sanktua­rium seines Klosters vom 14. Juli 1140 schreibt: „Nur fünf Wochen nach der feier­li­chen Weihe des neuen Westbaus am 9. Juni 1140 versam­melte Abt Suger wiederum Bischöfe und Äbte, und sogar den franzö­si­schen König Ludwig VII. Alle zogen in feier­li­cher Prozes­sion mit den wichtigsten Reliquien des Klosters zum Bauplatz.“ Gemeinsam stieg man dann in die ausge­ho­bene Baugrube hinunter, und die Bischöfe berei­teten nach einem umfas­senden Gebet mit geweihtem Wasser eigen­händig den Mörtel zu, legten die ersten Steine hinein, sangen Psalme und beteten dazu, u.a. den Psalm 86,  „funda­menta eius“. Dann setzte der König auf diese Steine einen weiteren, einige der Anwesenden spendeten Edelsteine, man sang „lapides preciosi amnes muri tui“, die Kirchweih-Antiphon. Es war also insgesamt kein litur­gi­scher Akt, sondern ein feier­li­cher Baubeginn. Jede der betei­ligten Personen bringt einen Stein an die richtige Stelle, alles zusammen bildete die feier­liche Grund­stein­le­gung.

Davon abwei­chend gibt es aber auch überlie­ferte Grund­stein­le­gungen aus dem 12. Jahrhun­dert, bei denen ein einziger Stein, ein „primus“ oder „primarius lapis“ verlegt wurde (vgl. Untermann, Forma Ordinis. München/Berlin 2001, 193–202.) In seiner Abhand­lung „primus lapis in funda­mentum deponitur. Kunst­his­to­ri­sche

Überle­gungen zur Funktion der Grund­stein­le­gung im Mittel­alter“ weist der Verfasser Matthias Untermann darauf hin, dass es in den alten Überlie­fe­rungen „Fundare“ (gründen) und „construere“ (bauen) heißen kann, die als Verben parallel  stehen und den Bau allgemein bezeichnen, während man für die Grund­stein­le­gung wiederum ein anderes Datum festge­halten hat.

Dieser kleine Exkurs zeigt schon, wie schwierig so etwas festzu­legen ist bzw. zu übersetzen ist, um schließ­lich dadurch ein sicheres Datum zu erhalten.

Es bleibt also schwierig, solche Daten genau zuzuordnen. Für Riddags­hausen aller­dings müssen wir Dank der Chronik festhalten, dass ein histo­ri­sches Datum 1206 lautet. Geweiht wurde der fertige Bau dann also 1275. Aber wem das alles bis zum nächsten Jubiläum zu lange dauert, der feiert mit vielen anderen fröhlich das „runde“ Jubiläum. Ob 1206 oder 1216 – es wird sicher besonders schön und inter­es­sant rund um die Kloster­kirche!

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