Voreilige Wehmut vor 70 Jahren

In der ersten Reihe während des Festakts zur Auflösunfg des Braunschweigischen Landtags vor 70 Jahren: (von links) Bernd Busemann, Präsident des Niedersächsischen Landtags, Dr. Gert Hoffmann, Präsident der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz, mit Ehefrau Doris, Gerhard Glogowski, Vizepräsident der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz, TU-Präsident Prof. Jürgen Hesselbach und Braunschweigs Oberbürgermeister Ulrich Markurth. Foto: Andreas Greiner-Napp
In der ersten Reihe während des Festakts zur Auflösunfg des Braunschweigischen Landtags vor 70 Jahren: (von links) Bernd Busemann, Präsident des Niedersächsischen Landtags, Dr. Gert Hoffmann, Präsident der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz, mit Ehefrau Doris, Gerhard Glogowski, Vizepräsident der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz, TU-Präsident Prof. Jürgen Hesselbach und Braunschweigs Oberbürgermeister Ulrich Markurth. Foto: Andreas Greiner-Napp

Landtags­prä­si­dent Busemann: „Die Geschichte ist nicht über Braun­schweig hinweg­ge­gangen. Das Land Braun­schweig lebt nicht nur in den Herzen seiner Bewohner weiter, sondern ist weiterhin eine reale Tatsache“.

„Das Land Braun­schweig ist noch immer ein wichtiges und ein gutes Land, gerade weil es heute ein wichtiger und guter Teil von Nieder­sachsen ist“, sagte Bernd Busemann, Präsident des Nieder­säch­si­schen Landtags, als Festredner während der Feier­stunde aus Anlass der letzten Sitzung des Braun­schwei­gi­schen Landtages vor 70 Jahren. Er reagierte damit auf den letzten Satz, den der damalige Abgeord­nete Gerhard von Franken­berg am 21. November 1946 im ehema­ligen Braun­schwei­gi­schen Landtag gespro­chen hatte: „So geht nun die Weltge­schichte über dieses Land dahin, das viele Jahrhun­derte seine Selbstän­dig­keit bewahrt hat.“

Zum Festakt mit dem Titel „Rückblick mit Weitsicht – vom letzten Landtag 1946 und Braun­schwei­gi­scher Identität heute“ hatte die Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz (SBK) einge­laden. Hier geht es zur Sonder­aus­gabe von „Der Löwe – das Journal der Braun­schwei­gi­schen Stiftungen“, die zur Auflösung des Braun­schwei­gi­schen Landtags erschienen ist:  https://www.der-loewe.info/wp-content/uploads/2016/11/DerLoewe_012016.pdf

Busemann stellte in seiner Ansprache fest, dass die Wehmut des Abschieds vom alten Land Braun­schweig in den Reden der Sitzung vor 70 Jahren zwar verständ­lich, aber eben auch verfrüht gewesen sei. „Denn die Geschichte ist nicht über Braun­schweig hinweg­ge­gangen. Das Land Braun­schweig lebt nicht nur in den Herzen seiner Bewohner weiter, sondern ist weiterhin eine reale Tatsache“, sagte er am histo­ri­schen Ort in der Aula der ehema­ligen Kant-Hochschule, dem heutigen Haus der Wissen­schaft vor Vertre­tern aus Politik, Wirtschaft, Wissen­schaft und Kultur.

Busemann stellte die Frage, was Nieder­sachsen heute ohne Braun­schweig wäre? „Jeden­falls sehr viel weniger! Nur ein paar Beispiele: Als Wissen­schafts- und Forschungs­standort sucht Braun­schweig deutsch­land­weit seines­glei­chen. Der Spitzen­sport ist in Braun­schweig fest etabliert, auch wenn das von Hannover aus manchmal mit übertrie­bener Missgunst verfolgt wird. Die Kunst- und Kultur­land­schaft Nieder­sach­sens spielt vor allem dank der Braun­schweiger Museen in der ersten Liga. Ganz vorne steht dabei das Herzog Anton Ulrich-Museum! Seine Sammlungen machen Braun­schweig zu einem Museums­standort von europäi­schem Rang. Als Wirtschafts­standort profi­tiert Braun­schweig von der hervor­ra­genden Vernet­zung zwischen Hochtech­no­lo­gie­un­ter­nehmen mit Forschung und Wissen­schaft“, antwor­tete er selbst und hob die bedeu­tende Rolle Braun­schweigs im heutigen Nieder­sachsen hervor.

Vor 70 Jahren habe der damalige Braun­schwei­gi­sche und spätere Nieder­säch­si­sche Minis­ter­prä­si­dent Alfred Kubel vor dem einstigen Landtag des alten Landes Braun­schweig gefordert, dass aus Nieder­sachsen ein Land werden müsse, das nicht „durch Annexionen Hannovers zustande gekommen ist, sondern ein Land, das eine Union der verschie­denen bishe­rigen Länder darstellt.“ Es gebe wohl nur wenige, die heute noch bestreiten würden, dass es zu dieser Union tatsäch­lich gekommen ist, meinte Busemann. „Nieder­sachsen ist eine Erfolgs­ge­schichte“ sagte er. Und weiter: „Das Land Braun­schweig hat überdurch­schnitt­lich viel in das neue Land Nieder­sachsen einge­bracht.“

Das Ende der Selbstän­dig­keit sei für viele dennoch hart gewesen. Seit 1235 hatte es in Deutsch­land ein eigen­stän­diges Land mit Namen Braun­schweig gegeben, erinnerte Busemann vor rund 200 geladenen Gästen. „Braun­schweig gehörte seit dem Mittel­alter zu den bedeu­tendsten deutschen Städten überhaupt. Schon damals hatte Braun­schweig an die 18.000 Einwohner, während in Hannover keine 5000, in Oldenburg etwa 2000 und in Bückeburg gar nur ein paar hundert Menschen lebten. Vielleicht gerade wegen seiner lange ungebro­chenen Tradition brachte sich das alte Land Braun­schweig von Anfang an konstruktiv in den neuen Gesamt­staat Nieder­sachsen ein“, führte Busemann weiter aus.

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