„Wasch­echter“ Braun­schweiger aus Hannover

Gerhard Glogowski. Foto: Peter Sierigk

Blick auf ein bewegtes Politikerleben: Ehren­bürger Gerhard Glogowski feiert seinen 80. Geburtstag.

Schon 1966 wurde Gerhard Glogowski Ratsmit­glied der damals noch selbst­stän­digen Gemeinde Waggum. Es war das erste politi­sche Amt, das dem Sozial­de­mo­kraten Gerhard Glogowski übertragen wurde. 1972 wurde er, noch nicht einmal 30 Jahre alt, Bürger­meister dort. Es folgte eine bemer­kens­werte politi­sche Reise mit vielen Höhen bis zum Minis­ter­prä­si­denten Nieder­sach­sens und einem abrupten Ende. Sein Rücktritt aus Gründen, die heute kaum noch dazu Anlass gäben, war fraglos eine schmerz­liche Zäsur. Aber der Respekt vor Gerhard Glogowski und seinem Wirken für Braun­schweig ist ungebro­chen und gipfelte in der Ehren­bür­ger­würde. Am Sonnabend, 11. Februar, wird der Vollblut-Politiker und erst recht Vollblut-Braun­schweiger 80 Jahre alt. Ein Anlass für eine Rückschau:

„Er gehört zu Braun­schweig wie die Eintracht oder der Dom“, sagte der damalige Oberbür­ger­meister Dr. Gert Hoffmann während der Verlei­hung der Ehren­bür­ger­würde am 11. Februar 2008, dem 65. Geburtstag Glogow­skis. Obgleich in Hannover geboren, habe er in einer Weise Lokal­pa­trio­tismus entwi­ckelt und gepflegt wie kein anderer in dieser Stadt, führte Hoffmann seiner­zeit aus. Und Glogowski erwiderte in seiner Dankes­rede: „Es ist schön, ein Braun­schweiger zu sein. Diese Stadt ist nicht meine Geburts­stadt, aber meine Heimat­stadt, in der ich immer leben werde.“ An beiden Aussagen, der von Hoffmann und der von Glogowski, hat sich bis zum heutigen Tag kein Jota geändert.

Im Arbei­ter­mi­lieu aufge­wachsen

Gerhard Glogow­skis Vater war der Fahrer der SPD-Politiker Erich Ollen­hauer und Herbert Wehner. Nach dem Besuch der Volks­schule absol­vierte Glogowski in Bonn eine Lehre zum Werkzeug­ma­cher. Zeitgleich schaffte er das Abitur auf der Abend­schule. Er studierte in Hamburg mit dem Abschluss Diplom-Volkswirt. Glogowski, aufge­wachsen im Arbei­ter­mi­lieu, zeichnet sich bis heute durch seine große Bürger­nähe aus.

Er war von 1976 bis 1981 und von 1986 bis 1990 zweimal Oberbür­ger­meister der Stadt. Dem Braun­schweiger Rat gehörte er seit 1974 an. 1978 wurde er in den Nieder­säch­si­schen Landtag gewählt. Als er 1990 als Nieder­säch­si­scher Innen­mi­nister in das Kabinett von Gerhard Schröder eintrat, gab er sein Amt als Stadt­ober­haupt auf. Zwischen 1998 und 1999 führte er die Nieder­säch­si­sche Landes­re­gie­rung als Minis­ter­prä­si­dent. Von 2000 bis 2007 war Gerhard Glogowski Präsident von Eintracht Braun­schweig. Er ist Vorstands­vor­sit­zender der Braun­schwei­gi­schen Stiftung und der Erich Mundstock Stiftung sowie Vizeprä­si­dent der Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz.

Heimat als Herd für Sicher­heit

Die Verwur­ze­lung in der Heimat ist für ihn kein Relikt aus längst vergan­genen Zeiten, sondern vielmehr eine Zukunfts­per­spek­tive auch für junge Menschen. „Ich bin der Auffas­sung, dass es gerade in dieser Zeit regio­naler Identität bedarf. Globa­li­sie­rung macht den Menschen Ängste. Auch Europa ist nicht so gestaltet, dass es für die Menschen Zuver­sicht bedeutet, sondern auch Kälte, Entfer­nung, Nicht­ver­stehen. Je stärker Globa­li­sie­rung um sich greift, je mehr brauchen wir Braun­schwei­gi­sche Identität, brauchen wir den regio­nalen Konsens, nämlich das Abbilden von Heimat. Der Mensch bedarf einer Umgebung, in der er nicht nur gerne lebt, sondern in der er auch sicher lebt. Dieses Bedürfnis wird größer“, erläu­terte er in einem Interview mit „Der Löwe – das Portal für das Braun­schwei­gi­sche“.

Gerhard Glogowski mischt sich bis heute ein, wenn es um seine Überzeu­gungen geht. Nicht mehr ganz so laut wahrnehmbar wie einst, aber immer noch präzise mit einem ausge­prägten politi­schen Instinkt wie etwa bei der von inter­es­sierter Seite forcierten Namens­de­batte für das Braun­schweiger Land. „Kein Mensch in der Region sehnt sich nach einem neuen Namen für das Braun­schwei­gi­sche. Ich halte den Namen ‚Region Braun­schweig-Wolfsburg‘ darüber hinaus für völlig ungeeignet, weil er zum Beispiel das dritte Oberzen­trum der Region, Salzgitter, aber auch histo­risch sehr bedeu­tende Städte wie Wolfen­büttel, Helmstedt oder Königs­lutter ausgrenzt“, meinte er gegenüber unserem Portal.

Eintracht und Karneval

Zwei große Leiden­schaften von Gerhard Glogowski: Karneval und Eintracht. Foto: Florian Klein­schmidt

Nicht zuletzt um Eintracht Braun­schweig hat sich Glogowski unter anderem als langjäh­riger Präsident verdient gemacht. Er führte den Verein in wirtschaft­lich sehr schwie­rigen Zeiten. Als Nieder­säch­si­scher Innen­mi­nister setzte er sich für den Ausbau des Eintracht-Stadions ein. Weil der Verein ihm viel zu verdanken hat, ernannte er Gerhard Glogowski 2007 zum Ehren­prä­si­denten.

Wohl aus seiner Zeit im Rheinland stammt Glogow­skis Leiden­schaft für den Karneval. Im Jahr 1977 entstand das Komitee Braun­schweiger Karneval. Als damaliger Oberbür­ger­meister regte er an, einen „Kinder-Karne­vals­umzug“ zu veran­stalten. Und so wurde 1979 das närrische Karne­vals­treiben mit dem ersten Umzug neu belebt. Es war der neuzeit­liche Ursprung des heute größten Karne­vals­um­zugs in Norddeutsch­land. Glogowski ist natürlich Ehren­mar­schall. Mit Freude und einem kräftigen „Helau“ blickt er nach zweijäh­riger Corona-Unter­bre­chung dem Schoduvel 2023 am 19. Februar entgegen. Bis dahin hat er sich von den Geburts­tags­fei­er­lich­keiten hoffent­lich bestens erholt.

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