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Zum Schlossabbruch: Das historische Schloss im Mittelpunkt der Stadt

Gut voran schreitender Abbruch des Schlosses im Frühjahr 1960: der Nordflügel ist weg. Foto: Team Der Löwe
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Herzogliches Kalenderblatt, Folge 8: Vor 65 Jahren wurde das historische Braunschweiger Residenzschloss abgerissen.

In diesem Jahr jährt sich in Braunschweig der städtbauliche Sündenfall zum 65. Male: der Abriss der Ruine des Residenzschlosses. Nur fünf Jahre später wäre das Schloss aufgrund einer den Bauten des 19. Jahrhunderts gewogeneren Haltung erhalten geblieben, wie z. B. in Braunschweig der große Empfangsbau des Alten Hauptbahnhofes, der in den Neubau der NORD/LB einbezogen wurde. Carl Theodor Ottmers Hauptwerk wäre gerettet gewesen.Wie kam es damals zu der in Westdeutschland einzigartigen Fehlentscheidung?

Blick an der gut erhaltenen Westseite der Schlossruine entlang nach Norden, 1959. Foto: Team Der Löwe

Blick an der gut erhaltenen Westseite der Schlossruine entlang nach Norden, 1959. Foto: Team Der Löwe

Der Zweite Weltkrieg hatte das Äußere des Schlosses zu einem Drittel, das Innere weitgehend zerstört. Während viele historische Bauten in Braunschweig Notdächer erhielten, ignorierten die britische Besatzungsmacht und ab 1946 das Land Niedersachsen als Eigentümer die Schlossruine. Der sechste Platz auf der Denkmalliste des Landes Braunschweig aus den 1930er-Jahren bot keinen Schutz. Bald bemühte sich die Stadt um das begehrte Schlossgrundstück, das sie 1955 vom Land Niedersachsen erhielt. Die Ruine nahm man in Kauf.

Das Schloss und die Politik

In der SPD, damals im Stadtrat Regierungspartei, erwog bereits seit 1951 ein Parteiflügel, die Ruine abzureißen. Dem modernen Wiederaufbau der Stadt stand sie angeblich ‚im Wege’. Während andere historische Bauten wiederhergestellt in den neuen Traditionsinseln aufgingen und andere Städte Deutschlands ihren kriegszerstörten Schlössern einen ungebrochenen kunsthistorisch-kulturellen Wert zumaßen, zählte das alles in Braunschweig nicht. Zwischen 1952 und 1959 scheiterten daher neun Wiederaufbaupläne und zwei Sicherungsmaßnahmen an ihrem halbherzigen Betreiben.

Nach den ältesten Bauplänen fürs Schloss aus den Jahren 1952 bis 1954 sollte der zerstörte Nordflügel der allgemein gewünschten Stadthalle weichen; an eine Wiederherstellung des historischen Schlosses war im übrigen sowieso nie gedacht worden. Im Innern wären nur die Eckvestibüle und der Mitteltrakt mit Ballsaal, Rotunde und Hauptvestibül übrig geblieben. Auf dem Schlossplatz waren Grünanlagen und Parkplätze für die Stadthallenbesucher vorgesehen. Vortragssäle, Restaurant- und Hotelbetriebe rundeten das Angebot ab. Aber zur Rettung der „Krone der Stadt“, so die BZ im Januar 1953, kam es nie. Selbst die vergleichbaren Pläne der Investorengruppe „Schlossbau-GmbH“ lehnte die Stadt Ende 1959 ab, weil sie nicht an deren Rentabilität glaubte. Eine ältere, am Land gescheiterte Variante von 1955, sah einen Ausbau als Kulturschloss (wie 2005!) vor, mit Kino und Vortragssälen für die Volkshochschule und das Landesmuseum.

Kapitell an der Nordseite der fast intakten Rotunde, 1959. Foto: Team Der Löwe.

Kapitell an der Nordseite der fast intakten Rotunde, 1959. Foto: Team Der Löwe.

Das Schloss und eine zeitgemäße Nutzung

Aber wie hätte eine zeitgemäße Nutzung im aufgebauten Schloss das Selbstbewusstsein Braunschweigs als moderne und ehemalige Landeshauptstadt gefördert im Gegensatz zu den vielen gesichtslosen Projekten, um welche man sich später so bemühte.

Der SPD geführte Stadtrat zog es also vor, die geplante Stadthalle nicht mehr mit dem Schloss, sondern mit dem neuen Hauptbahnhof am östlichen Stadtrand zu verknüpfen und anstelle des Schlosses in der Stadt eine moderne Parkanlage als „Grüne Lunge“ anzulegen. Das bedeutete das Ende der Schlossruine. Die Stadt hatte Geld für die anderen Projekte. Das Scheitern des Schlossaufbaues lag nicht am Geld, sondern war eine politische Entscheidung. Aber noch 2017 will uns eine Biografie über Oberbürgermeisterin Martha Fuchs vom Gegenteil überzeugen.

Gottheit im südlichen Triumphsäulenkapitell, 1959 (2005 wieder verbaut). Foto: Team Der Löwe.

Gottheit im südlichen Triumphsäulenkapitell, 1959 (2005 wieder verbaut). Foto: Team Der Löwe.

1960 verlangten auch Fristsetzungen des Schlossvertrags eine Entscheidung, und die Stadtratswahlen mussten gewonnen werden. Mit einer Zweistimmenmehrheit beschloss im Januar 1960 die SPD den Abbruch: gegen die Meinung der Kunst- und Bauhistoriker und Denkmalpfleger aus Braunschweig und der ganzen Bundesrepublik sowie gegen die Meinung der hiesigen Bevölkerungsmehrheit, deren damaliges Sprachrohr die BZ war. Von den vier Baugutachten von 1959 und 1960 sprachen sich drei vergeblich für den Aufbau aus. Ungehört blieb die Demonstration der Herren Borek und Ebbecke auf dem Schlossplatz am 23. April. Indes verzögerte sich der Abbruch durch die verleugnete Festigkeit des Mauerwerks. Er dauerte bis August 1960.

Weiterführende Links

Dokumentation und Medienarchiv:
Die Berichte der Braunschweiger Zeitung zu Abriss und Wiederaufbau des Residenzschlosses
https://www.braunschweiger-residenzschloss.de/

 

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