1000 Objekte für Braun­schweig gerettet

Das im neogotischen Stil errichtete „Williams-Castle“ stand in der Nähe des Schlosses Richmond. Foto: Schlossmuseum Braunschweig
Das im neogotischen Stil errichtete „Williams-Castle“ stand in der Nähe des Schlosses Richmond. Foto: Schlossmuseum Braunschweig

Bei der Auktion auf der Marien­burg vor zehn Jahren kamen Schätze des Welfen­hauses unter den Hammer.

Die Welfen-Auktion auf der Marien­burg bei Hannover vor gut zehn Jahren dürfte wohl die letzte Möglich­keit gewesen sein, Kunst­schätze und Antiqui­täten in größerem Stil aus dem Besitz des Welfen­hauses zu erstei­gern. 20 000 Objekte umfasste der umfang­reiche, dreibän­dige Aukti­ons­ka­talog. In ihm waren zahlreiche Gegen­stände aus dem Braun­schweiger Schloss oder dem Besitz der Braun­schweiger Linie der Welfen zu finden. Die Braun­schweiger Richard Borek Stiftung nahm die Gelegen­heit wahr, Exponate für das damals in Gründung befind­liche Schloss­mu­seum zu erwerben und somit für Braun­schweig zu retten. Zeit für einen Rückblick.

Für Erika Borek, Mitglied des Stiftungs­vor­stands, sowie Dr. Bernd Wedemeyer, kunst­his­to­ri­scher Berater der Stiftung, sollte die Aukti­ons­zeit vor gut zehn Jahren 13 aufre­gende Tage bescheren. Am Ende des Aukti­on­s­ma­ra­thons konnte die Stiftung  knapp 1000 Objekte in ihren Fundus einordnen – und damit für das Schloss­mu­seum erstei­gern.

Im Vorfeld waren anhand der Kataloge die Objekte mit Bezug zur Braun­schwei­gi­schen Geschichte und vor allem zum Schloss heraus­ge­sucht sowie das jeweilige Limit für die Auktion festge­legt worden. Doch bei der Besich­ti­gung der Objekte auf Schloss Marien­burg kam die erste Ernüch­te­rung. Die Ausstel­lung habe in weiten Teilen eher an einen Trödel­markt, denn an eine Kunst­auk­tion erinnert, schildert Erika Borek die Verhält­nisse. Bilder, Porzellan, Silber, Waffen und Rüstungen waren über Jahre ungeschützt auf Böden und Schloss­räumen gestapelt gelagert worden. Dementspre­chend befanden sich Bilder und Antiqui­täten in teils sehr schlechtem Zustand.

Die Objekte waren nach dem Krieg aus den Schlös­sern der Welfen wie Cumber­land (in Öster­reich), sowie denen in Braun­schweig, Hannover und Blanken­burg auf die Marien­burg, dem letzten großen Schloss des Hauses, zusam­men­ge­tragen worden. Die jungen Erbprinzen des Welfen­hauses hatten sich vor gut zehn Jahren entschlossen, die rund 20 000 Objekte aus diesem Fundus unter den Hammer des Auktio­na­tors zu bringen. Das Interesse an der Auktion war groß. Bieter aus Deutsch­land, Großbri­tan­nien oder Russland reisten nach Hannover, 120 Leitungen wurden für Telefon­bieter geschaltet. Unter den Inter­es­sierten befanden sich nicht nur Museen, Stiftungen und bekannte Sammler, sondern auch der Adels-Jetset sowie viele Bürger, die Welfen-Devotio­na­lien erwerben wollten.

Das große inter­na­tio­nale Interesse an der Auktion war auch den weitver­zweigten Verwandt­schafts­ver­hält­nissen der Welfen geschuldet. So zeigte sich sehr schnell, dass die in Braun­schweig im Vorfeld kalku­lierten Aufschläge von zehn Prozent auf den Katalog­preis zu niedrig waren. „Für viele Stiftungen und Museen entwi­ckelte sich das zum Problem, da sie für das jeweilige Objekt nur den vorge­ge­benen Preis bieten, das einge­sparte Geld nicht auf andere Kunst­werke umdiri­gieren durften. Ich hatte den Vorteil, dass ich den Stiftungs­vor­sit­zenden kenne und mir mit einem Anruf höhere Limits freigeben ließ”, schmun­zelt Erika Borek. Ihr Ehemann, Richard Borek, gab  grünes Licht, und so konnten viele histo­risch wertvolle Bilder und edles Kunst­hand­werk für die Stiftung und damit für das Schloss-Museum Braun­schweig gesichert werden.

Für Erika Borek und Dr. Bernd Wedemeyer waren es Tage voller Spannung von 10 bis 18 Uhr. Auktionen sind wie Poker­par­tien. Man weiß nicht, wie wichtig das Aukti­onslos den anderen Bietern ist, wie weit sie gehen werden und  wann der Moment kommt, selbst „auszu­steigen”.

Nachdem das Limit erhöht worden war, konnte als erstes ein Gemälde aus dem 17. Jahrhun­dert erstei­gert werden, das Herzog Friedrich zu Braun­schweig und Lüneburg zeigt. Weniger glücklich lief es beispiels­weise bei einem sehr schönen Porträt von Marie von Baden, der Frau des “Schwarzen Herzogs”, der zur Zeit eine Sonder­aus­stel­lung im Schloss­mu­seum gewidmet ist.  Das Bild erstei­gerte das Landes­mu­seum Württem­berg. Für ein anderes Porträt von ihr bekam die Richard Bork Stiftung den Zuschlag.

Manchmal war auch ein wenig Glück mit im Spiel. Im Katalog wurde ein Gemälde als Bildnis von Ernst-August von Hannover bezeichnet. Ein Nachbar sagte zu Erika Borek: „Sie bieten doch sonst für alles, was mit Braun­schweig zu tun hat. Schauen Sie mal genau hin, hinten am Thron ist das Wappen der Braun­schweiger Welfen zu sehen.” Es stimmte. Das Gemälde war falsch einge­ordnet worden. Heute hängt das Porträt von Herzog Wilhelm als Haupt­blick­fang im Weißen-Saal des Schloss­mu­seums.

Ein Porträt von Herzogin Victoria Luise war mit 300 bis 500 Euro Ausruf­preis im Katalog zu finden. Erika Borek plante, es für sich selber zu erstei­gern. Es hing so hoch im Treppen­haus, dass sie auf eine Leiter steigen musste, um es zu begut­achten. Doch aus dem Erwerb wurde nichts. Es entbrannte ein Bieter­wett­streit um dieses Gemälde, der den Preis des Bildes auf 22 000 Euro hochtrieb. Dafür erstei­gerte sie ein anderes Gemälde von Victoria Luise. Das Gemälde von Sophie Koner aus dem Jahr 1897 zeigt die Preußen-Prinzessin als Mädchen mit einem Hund.

Die Braun­schweiger boten auf alle im Voraus ausge­wählten Exponate. Aller­dings stand eine vergol­dete Silber­schale aus dem Besitz Herzog Wilhelms eigent­lich nicht auf der Wunsch­liste. „Eine junge Russin, die im Auftrag ein Porzel­lan­ser­vice aus St. Peters­burg erstei­gern sollte, hatte verse­hent­lich für die Silber­schale geboten. Ich habe sie übernommen, sonst hätte die Unglück­liche die Kosten selbst tragen müssen”, erzählt Erika Borek. Die Richard Borek Stiftung kam so zu einer weiteren Silber­schale, nachdem eine bereits erstei­gert worden war.

Der Umfang der erwor­benen Schätze aus dem Welfen­be­sitz macht es wohl schwer, die besten Stücke zu benennen. Das Gemälde von Wilhelm Tacke aus dem ahre 1853 von Williams­castle, das Schloss, das bis 1906  bei Richmond stand, gehört aller­dings dazu. Sicher­lich auch eine Prunkuhr, ein Hochzeits­ge­schenk an Herzogin Victoria Luise und Herzog Ernst August. Sie zeigt, wie sich Hohen­zol­lern und Welfen die Hand reichen. Diese Uhr war übrigens vor kurzem als Leihgabe in der Ausstel­lung „Frauen­sache – Wie Branden­burg Preußen wurde” im Schloss Charlot­ten­burg in Berlin zu sehen.

Aus dem Keller der Marien­burg wurden am Ende der Auktion die Sachen verstei­gert, die als Einzel­stücke kaum Abnehmer gefunden hätten. Zu Konvo­luten mit vier oder fünf Objekten zusam­men­ge­packt kamen sie zur Verstei­ge­rung. Beim Rundgang entdeckte Dr. Bernd Wedemeyer einen Stuhl, der nach einem Entwurf von Peter Joseph Krahe gefertigt worden war. Es handelte sich um ein Konvolut von fünf Stühlen, das erstei­gert wurde.

Manche Objekte tauchten später im Kunst­handel auf und wurden von der Richard Borek Stiftung erworben. Heute sind 98 Prozent der erstei­gerten Objekte gereinigt sowie restau­riert und im  Schloss­mu­seum zu betrachten oder bilden einen reichen Fundus für manche Sonder­aus­stel­lung. Einige davon sind in der Bilder­ga­lerie im Anhang zu sehen.

Die Auktion vor gut zehn Jahren schloss nach Verstei­ge­rung der 20 000 Objekte mit einem Gesamt­erlös von 44 Millionen Euro, die in Erhalt und Restau­rie­rung der Welfen-Schlösser inves­tiert werden sollen. Der dreibän­dige Katalog zur Auktion vor zehn Jahren ist im Schloss-Museum für 38,50 Euro erhält­lich.

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