Studieren in der herzog­li­chen Sammlung

Der Löwe im Schaumagazin des Naturhistorischen Museums. Foto: Andreas Greiner-Napp
Der Löwe im Schaumagazin des Naturhistorischen Museums. Foto: Andreas Greiner-Napp

275 Jahre Techni­sche Univer­sität Carolo-Wilhel­mina, Folge 4: Ein neuer Anfang nach der Franzo­sen­zeit.

Die Wieder­errich­tung des Herzog­tums Braun­schweig nach der Befreiung von der franzö­si­schen Herrschaft 1813/1815 löste Jubel bei der Bevöl­ke­rung, aber auch Nachdenk­lich­keit aus. Sollte nun wieder alles anders werden, musste man sich erneut ganz umstellen oder wurden die Zeiten nun unsicher? Manche Neuerung, besonders im Justiz­be­reich, war während der Franzo­sen­zeit einge­führt und begrüßt worden. Nun war es vorher­zu­sehen, dass das Rad der Geschichte nicht einfach zurück­ge­dreht werden konnte, sondern der Blick – trotz restau­ra­tiver Tendenzen – nach vorn zu richten war. Besonders im Bildungs­be­reich und damit auch für den Vorgänger der heutigen Techni­schen Univer­sität galt es, Probleme zu lösen.

Sehr rasch waren die Verant­wort­li­chen sich darüber einig, dass die Univer­sität Helmstedt nicht wieder eröffnet werden sollte, die Konkur­renz etwa von Göttingen oder Halle war zu groß. Ebenso nahelie­gend war die Schlie­ßung der von den Franzosen anstelle des Collegium Carolinum einge­rich­teten Königlich-Westphä­li­schen Militär­schule. Mit dem tradi­ti­ons­rei­chen Collegium Carolinum war hingegen die Möglich­keit geboten, zu relativ überschau­baren Kosten ein zentrales Bildungs­in­stitut wieder zu eröffnen.

Wesent­liche Neuerungen nach 1814

Das Reskript zur Wieder­eröff­nung vom 6. September 1814 lässt sowohl die Konti­nuität als auch wesent­liche Neuerungen erkennen: „Es hat dieses Institut dem gedop­pelten Zweck, …

1) dieje­nigen jungen Leute, welche sich den Wissen­schaften bestimmen, für den höheren Unter­richt der Univer­sität auf eine solche Art vorzu­be­reiten, dass sie dadurch, und durch eine auf diesem Institute erworbene Umsicht ihres künftigen Fachs, in den Stand gesetzt werden, den höheren Unter­richt schneller zu fassen und der fortdau­ernder Benutzung desselben, wenn es andere Rücksichten erlauben oder nothwendig machen, um ein Jahr den gewöhn­li­chen dreyjäh­rigen Cursus abzukürzen. Es soll aber auch dieses Institut

2) einem Jeden, dem es erstlich darum zu thun ist, durch mannich­fal­tige, gründ­liche und gemein­nütz­liche Kennt­nisse und Fertig­keiten sich nicht allein zu irgend einem unter­ge­ord­neten bürger­li­chen Amte oder Staats­dienste brauchbar zu machen, sondern sich zugleich den höhern Werth eines durch ächte Humanität und Sittlich­keit zum feinern gesel­ligen Leben wahrhaft und vielseitig gebil­deten Mannes zu verschaffen […] Die Aufnahme der Landes­kinder in dieses Institut kann nur nach einer vorgän­gigen Prüfung von einem durch die Direc­toren angeord­neten engern Ausschuß der aus den verschie­denen Fächern zu erwäh­lenden Lehrer statt finden […] Um übrigens den Unter­richt in mehreren Fächern, besonders der Natur-Geschichte, der Archäo­logie und der schönen Kunst anschau­lich und dadurch anzie­hender zu machen, soll es den Lehrern gestattet sein, in gewissen Stunden der einmal festge­setzten Tage mit einer Auswahl ihrer Zöglinge das Kunst- und Natura­lien-Cabinet zu besuchen, und solches für die Bildung derselben auf die beste Art zu benutzen.“

Erstes öffent­li­ches Museum

Das Kunst- und Natura­li­en­ka­bi­nett befand sich damals in den Räumen des alten Zeughauses. An der Stelle steht heute das Gebäude der ehema­ligen Bezirks­re­gie­rung. Ausgangs­punkt für diese damals besondere Möglich­keit der Studenten war das 1754 von Carl I. eröffnete Museum, das zunächst im ersten Stock der ursprüng­li­chen Burg Dankwar­derode unter­ge­bracht worden war. Es war das erste öffent­liche Museum in Deutsch­land. 1857 wurden die Kunst- und Natur­kun­de­samm­lung getrennt (heute Herzog Anton Ulrich-Museum und Natur­his­to­ri­sches Museum). Die natur­kund­liche Lehrsamm­lung des Collegium Caroli­nums wurde in dem Zuge mit der Natur­kun­de­samm­lung des Herzog­li­chen Natur­his­to­ri­schen Museum vereinigt. Im Schloss war das Natur­kun­de­mu­seum schließ­lich von 1921 bis 1937 unter­ge­bracht. Danach zog es in den damaligen Neubau an der Pockels­straße und blieb glück­li­cher­weise von Kriegs­schäden verschont. Dort ist bekannt­lich auch heute noch der Standort des Natur­his­to­ri­schen Museums. Die beliebten Dioramen entstanden in den 1950er Jahren und sind besondere Anzie­hungs­punkte.

Verbes­serte konzep­tio­nelle Grundlage

Das Collegium Carolinum wurde also mit verbes­serter konzep­tio­neller Grundlage am 17. Oktober 1814 wieder eröffnet. Diese neue Konzep­tion schien sich zunächst auch zu bestä­tigen. So schrieben sich 1814 sogleich 61 Studenten ein, eine für die Verhält­nisse des Collegium ausge­spro­chen große Anzahl, die in der Folge jedoch auf durch­schnitt­lich 40 Studenten zurück­ging. Entschei­dend verändert haben sich in dieser Zeit die sozialen Grund­lagen der Studenten, denn nun war bei der Herkunft vieler Caroliner festzu­stellen, dass sie aus dem einfachen bürger­li­chen Milieu abstammten. Kinder von Handwer­kern, Kaufleuten oder Gastwirten erhofften sich einen sozialen Aufstieg über den Bildungsweg.

Prof. Dr. h.c. Gerd Biegel ist Gründungs­di­rektor des Instituts für Braun­schwei­gi­sche Regio­nal­ge­schichte und Geschichts­ver­mitt­lung an der TU Braun­schweig.

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