„Corten­stahl ist absolut fehl am Platz“

Der Altstadtmarkt mit Martinikirche, Altstadtrathaus, Stechinelli-Haus und Marienbrunnen sowie den beiden Haltestellen rechts, die einen Wetterschutz erhalten sollen. Foto: Vladan Rajkovic
Der Altstadtmarkt mit Martinikirche, Altstadtrathaus, Stechinelli-Haus und Marienbrunnen sowie den beiden Haltestellen rechts, die einen Wetterschutz erhalten sollen. Foto: Vladan Rajkovic

Bauhis­to­riker und Stadt­teil­hei­mat­pfleger Elmar Arnhold sieht die Wirkung des Altstadt­marktes als eine der wichtigsten Braun­schweiger Tradi­ti­ons­in­seln durch den geplanten, volumi­nösen Wetter­schutz für ÖPNV-Nutzer in Gefahr.

Die aktuell vorge­stellten Planungen für die Umgestal­tung der Halte­stellen am Altstadt­markt lösen bei Bauhis­to­riker und Stadt­teil­hei­mat­pfleger Elmar Arnhold erheb­liche Bedenken aus. „Der Altstadt­markt ist auch nach seinem Wieder­aufbau als Tradi­ti­ons­insel ein großar­tiges Zeugnis mittel­al­ter­li­cher Stadt­bau­kunst und als solches über unsere Landes­grenzen hinaus bekannt. Es ist unsen­sibel und unver­ant­wort­lich, dort skulp­tural und voluminös gestal­teten Wetter­schutz zu instal­lieren. Der histo­ri­sche Markt­platz mit Marti­ni­kirche, Altstadt­rat­haus, Gewand­haus, Stechi­nelli-Haus und Marien­brunnen verträgt keinen archi­tek­to­ni­schen Bruch, wenn er seine Funktion als heraus­ra­gende Tradi­ti­ons­insel  behalten soll. Das muss die Politik berück­sich­tigen“, fordert er.

Erheb­liche Abmes­sungen

Hinter­grund der Kritik sind Planungen der Stadt, auf dem Altstadt­markt massiven Wetter­schutz aus rostfar­benen Corten­stahl, wie er auch bei den Anbauten der Jakob-Kemenate und der Hagen­markt-Kemenate zum Einsatz kam, zu instal­lieren. Die geplanten Überda­chungen haben dabei erheb­liche Abmes­sungen. Sie sind jeweils 5,50 Meter lang, 1,70 Meter tief und 2,65 Meter hoch. „Derartige Häuschen werden den Charakter des histo­ri­schen Platzes für jedermann erlebbar nachhaltig verändern. Die Aufbauten stehen damit nicht im Einklang mit der Idee der Tradi­ti­ons­in­seln, die das histo­ri­sche Stadtbild Braun­schweigs überlie­fern“, erläutert Bauhis­to­riker Arnhold.

Die Braun­schweiger Tradi­ti­ons­in­seln waren auf Initia­tive von Landes­kon­ser­vator Kurt Seeleke (1912 – 2000) von 1946 an reali­siert worden, nachdem die Innen­stadt während des Zweiten Weltkrieges zu 90 Prozent zerstört worden war. Die Tradi­ti­ons­in­seln Aegidi­en­viertel, Altstadt­markt, Burgplatz, Magni­viertel und Michae­lis­viertel sind die einzig­ar­tige Verknüp­fung von der mittel­al­ter­li­chen Stadt zur modern aufge­bauten Stadt nach der Zerstö­rung.

Beste Erinne­rungs­kultur

„Die Tradi­ti­ons­in­seln stellen beste Erinne­rungs­kultur dar und sind  Anker­punkte Braun­schwei­gi­scher Identität“, sagt Elmar Arnhold.  „Ich halte es für geschichts­ver­gessen, jetzt solche Pläne auf dem Altstadt­markt durch­setzen zu wollen“, kriti­siert der Bauhis­to­riker und Stadt­teil­hei­mat­pfleger.

Der Umbau für einen barrie­re­freien Zugang zu den Halte­stellen in beide Richtungen mit Wetter­schutz, war vom Rat vor zwei Jahren beschlossen worden und ist zunächst unstrittig. In einem von der Verwal­tung angestrengten Gestal­tungs­wett­be­werb hat sich aber der beschrie­bene Vorschlag des Archi­tek­tur­büros K17 (Uslar) durch­ge­setzt.  „Auf den ersten Blick wird dieser Entwurf sicher polari­sieren. Viele Bürge­rinnen und Bürger werden sich fragen, ob solch eine moderne skulp­tu­rale ‚Instal­la­tion‘ auf den Altstadt­markt passt. Nimmt der Entwurf sich nicht zu wichtig? Vielen wird auch das Material Corten­stahl fremd und unpassend erscheinen“, hat Stadt­baurat Heinz-Georg Leuer die Brisanz erkannt und in der städti­schen Mittei­lung auch klar benannt.

Kontro­verse Diskus­sion

Der Entwurf wurde dem Stadt­be­zirksrat Innen­stadt  und dem Planungs- und Umwelt­aus­schuss im Rat der Stadt vorge­stellt und wird dort kontro­vers disku­tiert. Im Gestal­tungs­beirat der Stadt waren auch Lösungen ohne Wetter­schutz und mit den aus dem Stadtbild bekannten Standard­lö­sungen disku­tiert worden. Sechs Archi­tek­tur­büros waren zum Wettbe­werb einge­laden worden.

„Wir wollen einen inten­siven Diskurs über die poten­zi­ellen Optionen vor der Entschei­dung durch die Gremien im ersten Quartal 2021 ermög­li­chen“, kündigt Stadt­baurat Heinz-Georg Leuer an. „Die dazu zu erstel­lende Beschluss­vor­lage wird den öffent­li­chen Diskus­si­ons­pro­zess entspre­chend reflek­tieren.“

Filigraner Edelstahl als Kompro­miss

Bauhis­to­riker Arnhold schlägt einen Kompro­miss zwischen skulp­tu­raler Lösung wie von K17 vorge­schlagen und der üblichen Standard­lö­sung vor. „An einem so exponierten Platz muss die Umfeld­ge­stal­tung zurück­treten. Sie darf das hochbe­deu­tende Ensemble Altstadt­markt nicht massiv stören. Skulp­tural insze­nierter Corten­stahl ist aber viel zu dominant und würde genau das tun. Was bei den Kemenaten geglückt ist, wäre hier ungeeignet. Eine filigrane, trans­pa­rente Lösung aus Edelstahl und Glas als Wetter­schutz für die Nutzer des Öffent­li­chen Perso­nen­nah­ver­kehrs kann ich mir dagegen gut vorstellen“, meint er.

Gegenüber den für die Umgestal­tung der Halte­stellen am Altstadt­markt veran­schlagten Haushalts­mit­teln würde die Umsetzung des Entwurfs von K17 mit dem Wetter­schutz aus Corten­stahl 280.000 Euro mehr kosten, heißt es seitens der Verwal­tung. In Summe würde das dann insgesamt 610.000 Euro bedeuten.

Weitere Infor­ma­tionen finden Sie auf der Seite der Stadt Braun­schweig.

Ein Beitrag der Richard Borek Stiftung.

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