Braunschweig mit einem der eindrucksvollsten spätmittelalterlichen Stadtbilder in Deutschland
Braunschweigs Plätze, Folge 12: Der Altstadtmarkt ist mit St. Martini, Altstadtrathaus, Gewandhaus und Marktbrunnen bauliches Zeugnis der Blütezeit der Hanse.
Wie herrlich ist es doch samstags ganz früh über den Wochenmarkt auf dem Braunschweiger Altstadtmarkt zu schlendern! Welch‘ beeindruckende Kulisse bietet Braunschweigs vielleicht schönste Traditionsinsel, die sich vermutlich seit der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts entwickelt hat.
Darauf lassen jedenfalls archäologische Ausgrabungen an der Echternstraße im Jahr 2003 schließen. Die Pracht an dieser Stelle der Stadt kommt dabei nicht von ungefähr, denn der Altstadtmarkt bildete das Zentrum des größten und reichsten Weichbildes im mittelalterlichen Braunschweig, zu dem auch Kohlmarkt mit Poststraße und der Platz An der Martinikirche gehören.
Das Gesamtensemble sei ein einzigartiges Zeugnis mittelalterlicher Stadtbaukunst, meint Bauhistoriker und Stadtteilheimatpfleger Elmar Arnhold. Gemeinsam mit ihm stellt „Der Löwe – das Portal für das Braunschweigische“ Braunschweigs Innenstadt-Plätze in monatlicher Folge vor. Die Serie basiert auf dem von ihm verfassten und von der Richard Borek Stiftung herausgegebenen Buch „Braunschweiger Plätze in Geschichte und Gegenwart“ (s.u.). Anlass für das Buch waren die Umgestaltungspläne für den Hagenmarkt. Herausgekommen ist ein attraktives Standardwerk.
Zeugnis wirtschaftlicher Bedeutung
„Der Altstadtmarkt bietet eines der eindrucksvollsten spätmittelalterlichen Stadtbilder in Deutschland. Trotz umfassender Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg gehört die städtebauliche Komposition von St. Martini, Altstadtrathaus, Gewandhaus und Marktbrunnen zu den bedeutenden baulichen Zeugnissen aus der Blütezeit der Hanse“, schreibt Arnhold. Während der Burgplatz die mittelalterliche Herzogsresidenz widerspiegele, zeuge der Altstadtmarkt von der Bedeutung Braunschweigs als Wirtschaftszentrum und einer der führenden Hansestädte im 14., 15. und 16. Jahrhundert.
Der Altstadtmarkt ist der älteste und traditionsreichste Wochenmarkt Braunschweigs. Erstmals erwähnt wurde er vor mehr als 800 Jahren. Auf dem Platz fand einst alles statt, was spektakulär war: Reiterspiele, Huldigungen, Prozessionen, Hinrichtungen, und Jahrmärkte. Ein Rathaus als Zeichen städtischer Selbstverwaltung ist bereits um das Jahr 1253 nachweisbar. Es war der Vorgängerbau des bis heute erhaltenen Altstadtrathauses, von dessen Balkon während Eintrachts Meisterfeier 1967 Klaus Meyer tausenden Anhängern zurief: „Wollt ihr den Europapokal?“ Daraus wurde bekanntlich nach dem 0:1 im Berner Entscheidungsspiel gegen Juventus Turin bekanntlich nichts.
Fast alles war zerstört
Bomben hatten den Altstadtmarkt im Zweiten Weltkrieg nahezu komplett zerstört. Sämtliche Gebäude mit Ausnahme von St. Martini und dem „Haus zu den sieben Türmen“, das seinen Namen wegen des Giebelreliefs erhielt und heute eine Bank beherbergt, auf der Ostseite des Altstadtmarkts brannten aus. Komplett dem Feuersturm zum Opfer fielen die Fachwerkbauten, die an das Gewandhaus angebaut worden waren und einst auch als Verkaufsräume für den Messehandel dienten. Selbst das Becken des Marienbrunnens schmolz und der berühmte Ostgiebel des Gewandhauses stürzte arg in Mitleidenschaft gezogen während eines Orkans im Herbst 1946 in sich zusammen. Der 1590 entstandene und von 1948 bis 1950 wiederaufgebaute Ostgiebel gilt als das bedeutendste Werk der Renaissancebaukunst in Braunschweig.
„Schon in den ersten Überlegungen für den Wiederaufbau Braunschweigs war vorgesehen, dass der Altstadtmarkt in Anlehnung an seine einstige Gestalt wieder hergestellt werden sollte. Ein Plan Friedrich Wilhelm Kraemers zeigte ihn bereits im Sommer 1945 auf einem Stadtgrundriss neben dem Burgplatz als erhaltenswerte Traditionsinsel. Der bekannte Hochschullehrer plante und leitete schließlich selbst den Wiederaufbau des Gewandhauses (1948-1952) als Erweiterung der Industrie- und Handelskammer. Man verzichtete auf eine Neubebauung vor der Gewandhaus-Nordfassade“, führt Elmar Arnhold in seiner Schilderung über den Altstadtmarkt aus. Allerdings wurde ein Fachwerkhaus aus Teilen des ehemaligen Zollhauses aus Rüningen angebaut, das eben auch an die ehemalige Fachwerkzeile erinnern soll.
Mit der Wiederherstellung des Altstadtrathauses wurde 1947 begonnen. Heute wird der Prachtsaal des Gebäudes, die Dornse, als gute Stube der Stadt bezeichnet. Die Arbeiten an der Martinikirche nahmen einen längeren Zeitraum in Anspruch: Nachdem die Türme 1956 mit flachen Bedachungen versehen worden waren, erhielten sie erst 1980 ihre gotischen Turmspitzen zurück. Seit den frühen 1950er Jahren erfolgte der Wiederaufbau an der Nord- und Ostseite des Marktes. Das Stechinellihaus wurde in leicht veränderter Form neu errichtet.