Der Lessing-Preis 2022 geht an: Vanessa Vu

Vanessa Vu erhält am 8. Mai den Lessing-Preis für Kritik. Foto: Stefanie Loos
Vanessa Vu erhält am 8. Mai den Lessing-Preis für Kritik. Foto: Stefanie Loos

Jury lobt Offen­le­gung von Rassismus und Diskri­mi­nie­rung der ZEIT-Journa­listin im Sinn von Lessings wissbe­gie­riger und unvor­ein­ge­nom­mener Haltung.

Die Vielschich­tig­keit der Stimmen, die die Journa­listin Vanessa Vu (München) ohne Vorbehalt zu Wort kommen lasse, ihre aufrich­tige Mühe um Offen­le­gung von Rassismus und Diskri­mi­nie­rung fänden in Lessings wissbe­gie­riger, beweg­li­cher und unvor­ein­ge­nom­mener Haltung ihren Widerhall, begründet die Jury ihre Wahl für die Preis­trä­gerin 2022 des Lessing-Preises für Kritik. Das teilten die Lessing-Akademie Wolfen­büttel, die Braun­schwei­gi­sche Stiftung und die Stadt Wolfen­büttel mit.

Seit 2017 arbeitet Vu als Redak­teurin bei der ZEIT. 2018 konzi­pierte sie die Serie „Alltag Rassismus“ mit mehreren eigenen Beiträgen. Mit ihrer journa­lis­ti­schen Arbeit trete sie entschlossen für inklusive Erzähl­weisen ein, ohne die Beson­nen­heit des kriti­schen Fragens aus den Augen zu verlieren. Mit dem Preis werde eine junge, vielseitig aktive Journa­listin ausge­zeichnet, so die Jury, die sich mit einem scharfen und aufmerk­samen Blick nah am Puls der Zeit bewegt.

Vanessa Vu wurde 1991 als Kind vietna­me­si­scher Einwan­derer in Deutsch­land geboren. Die Familie verbrachte ihre ersten Jahre in Deutsch­land in einem Asylbe­wer­ber­heim in Pfarr­kir­chen (Bayern). Nach dem Abitur studierte Vu an der Ludwig-Maximi­lians-Univer­sität (München), der Univer­sité de Paris und an der SOAS Univer­sity of London Sozial­wis­sen­schaften, Ethno­logie und Völker­recht. Anschlie­ßend absol­vierte sie die Deutsche Journa­lis­ten­schule in München.

Die bereits mehrfach prämierte Vu (unter anderem Helmut Schmidt Journa­lis­ten­preis 2019) lote in ihren Texten, Podcasts und Gesprächs­reihen die Untiefen des gesell­schaft­lich scheinbar Selbst­ver­ständ­li­chen aus. Mutig, berei­chernd und pointiert kontu­riere sie über den Horizont eigener Erfah­rungen hinaus das Gesicht der viet-deutschen ‚Genera­tion 1991, meint die Jury des Lessing-Preises für Kritik.

Die Preis­ver­lei­hung findet am 8. Mai im Lessing­theater in Wolfen­büttel statt. Die Laudatio wird Bascha Mika halten. Sie ist Profes­sorin an der Univer­sität der Künste in Berlin, war Chefre­dak­teurin der taz (1998–2009) und der Frank­furter Rundschau (2014 – 2020). Sie ist Mitglied des Medien­rates der Medien­an­stalt Berlin-Branden­burg und wirkt unter anderem im Stiftungsrat für den Friedens­preis des Deutschen Buchhan­dels mit.

Mit dem Lessing-Preis wird seit dem Jahr 2000 im zweijäh­rigen Rhythmus eine gesell­schaft­lich bedeu­tende, unabhän­gige, risiko­freu­dige kritische Leistung gewürdigt. Der Preis wird alle zwei Jahre verliehen und ist mit insgesamt 20.000 Euro dotiert. Eine Beson­der­heit ist, dass die Preis­träger (15.000 Euro) Förder­preis­träger (5.000 Euro) nach eigener Wahl bestimmen können.

Vanessa Vu hat für den Förder­preis die in Kabul geborene Illus­tra­torin, Kuratorin und Autorin Moshtari Hilal (Hamburg) sowie den auf Sri Lanka geborenen politi­schen Geogra­phen Sinthujan Varat­ha­rajah (Berlin) ausge­wählt, der sich in seiner Forschung unter anderem mit der Situation in Heimen für Asylbe­wer­be­rinnen und Asylbe­werber beschäf­tigt.

Die Jury 2022

Franziska Augstein (Publi­zistin, München), Cord-Friedrich Berghahn (Präsident der Lessing-Akademie Wolfen­büttel), Peter Burschel (Direktor der Herzog August Biblio­thek Wolfen­büttel), Lena Gorelik (Schrift­stel­lerin, München), Angela Ittel (Präsi­dentin der TU Braun­schweig), Albrecht von Lucke (Publizist, Berlin).

Die bishe­rigen Preis­träger (in Klammern Förder­preis­träger)

  • 2000: Karl Heinz Bohrer (Michael Maar)
  • 2002: Alexander Kluge (St. Peters­burger Cello-Duo)
  • 2004: Elfriede Jelinek (Antonio Fian)
  • 2006: Moshe Zimmer­mann (Sayed Kashua)
  • 2008: Peter Sloter­dijk (Dietmar Dath)
  • 2010: Kurt Flasch (Fiorella Retucci)
  • 2012: Claus Peymann (Nele Winkler)
  • 2014: Hans-Ulrich Wehler (Albrecht von Lucke)
  • 2016: Dieter Wieland (Thies Marsen)
  • 2018: Elizabeth Spira (Stefanie Panzen­böck)
  • 2020: Ines Geipel (Margarita Masly­u­kova, Ekaterina Melnikova, Ekaterina Pavlenko)

Fakten

Gotthold Ephraim Lessing Ölgemälde von Anton Graff (1736-1813) aus dem Jahr 1770. Foto: Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel
Gotthold Ephraim Lessing Ölgemälde von Anton Graff (1736–1813) aus dem Jahr 1770. Foto: Herzog August Biblio­thek Wolfen­büttel

Gotthold Ephraim Lessing (1729 – 1781), Biblio­thekar der Herzog August Biblio­thek, war ein bedeu­tender Dichter der Aufklä­rung. In seinen Stücken beschäf­tigt er sich vor allem kritisch mit Themen der Religion und der Toleranz. Seine Werke werden bis heute ununter­bro­chen aufge­führt. Neben Nathan der Weise gehört Emilia Galotti zu seinen bekann­testen Dramen. Es wurde am Herzog­li­chen Opernhaus am Hagen­markt in Braun­schweig 1772 urauf­ge­führt. Lessing starb in Braun­schweig. Sein Grab befindet sich auf dem Magnif­riedhof an der Ottmer­straße.

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