Sensible Sezierung der politi­schen Kultur

Film- und Kulturkritiker Georg Seeßlen. Foto: Guido Alfs

Film- und Kultur­kri­tiker Georg Seeßlen wird mit dem Lessing-Preis für Kritik 2024 ausge­zeichnet.

Der in Bayern und Italien lebende Publizist, Film- und Kultur­kri­tiker Georg Seeßlen wird den Lessing-Preis für Kritik 2024 erhalten. Mit Seeßlen werde ein heraus­ra­gender Kritiker geehrt, dessen Werk geprägt sei von einer facet­ten­rei­chen, kapita­lis­mus­skep­ti­schen Medien- und Kunst­kritik, so die Jury. Coura­giert stehe Seeßlen für eine sensible, unauf­dring­li­chen Sezierung der politi­schen Kultur. Stilis­tisch vielfältig und mit argumen­ta­tiver Klarheit wende sich Seeßlen gegen unlautere Verein­nah­mungen von Kunst und Kultur und die Gefähr­dung der Gegen­warts­kunst durch ökono­mi­sche und ideolo­gi­sche Zwänge.

Preis­über­gabe am 12. Mai

Der Lessing-Preis für Kritik wird seit dem Jahr 2000 alle zwei Jahre von der Braun­schwei­gi­schen Stiftung, der Lessing-Akademie e.V. Wolfen­büttel und der Stadt Wolfen­büttel ausgelobt. Mit dem Preis wird nach dem Vorbild Lessings Kritik als bedeu­tende, geistig und insti­tu­tio­nell unabhän­gige, risiko­freu­dige Leistung ausge­zeichnet. Die Preis­ver­lei­hung findet am 12. Mai (11 Uhr) im Lessing­theater in Wolfen­büttel statt. Die Laudatio auf Georg Seeßlen wird Moritz Baßler halten. Er ist Professor für Litera­tur­wis­sen­schaften an der Univer­sität Münster. Baßler hat zahlreiche Publi­ka­tionen zur Litera­tur­theorie, zur Klassi­schen Moderne, Gegen­warts­li­te­ratur und Popkultur veröf­fent­licht.

Georg Seeßlen (Jahrgang 1948) studierte Malerei sowie Kunst­ge­schichte und Semio­logie an der Ludwig-Maximi­lians-Univer­sität München. Er zählt zu den renom­mier­testen Autoren im Bereich der Filmre­zep­tion und Populär­kultur, ist Feuil­le­to­nist, Cineast und Filmkri­tiker. Seeßlen war Dozent an verschie­denen Hochschulen im In- und Ausland und arbeitet als freier Autor. Er schrieb unter anderem für die Frank­furter Rundschau, den Tages­spiegel, die Taz und die Zeit. Er veröf­fent­lichte zahlreiche Monogra­fien zu Regis­seuren, Schau­spie­lern und Filmgenres. 2017 erhielt er den Deutschen Preis für Medien­pu­bli­zistik vom Verein der Freunde des Adolf-Grimme-Preises (Bert-Donnepp-Preis).

Für fried­volles Zusam­men­leben

Eine Beson­der­heit ist, dass die Preis­träger (15.000 Euro) Förder­preis­träger (5.000 Euro) nach eigener Wahl bestimmen können. Georg Seeßlen hat für den Förder­preis das Projekt ‚Über die Kunst auf dem Weg zum Frieden‘ der  Freunde des Tel Aviv Museum of Art Deutsch­land e.V. (Tamad) vorge­schlagen. Das Projekt bringt seit vielen Jahren jüdische, musli­mi­sche und christ­liche Kinder und Jugend­liche aller sozialen Schichten im Tel Aviv Museum of Art in Israel zusammen, um gemeinsam die Welt der Kunst zu entdecken. Im Mittel­punkt steht dabei das Bemühen um ein fried­volles Zusam­men­leben in der Gruppe, geprägt von Akzeptanz und Respekt ungeachtet von Herkunft, Sprache und Glaube.

Die Jury 2024

Carolin Amlinger (Litera­tur­wis­sen­schaft­lerin und Sozio­login an der Univer­sität Basel), Cord-Friedrich Berghahn (Litera­tur­wis­sen­schaftler an der Techni­schen Univer­sität Braun­schweig,  Präsident der Lessing-Akademie sowie des Israel Jakobson Netzwerks),  Peter Burschel (Histo­riker an Georg-August-Univer­sität Göttingen und Direktor der Herzog August Biblio­thek Wolfen­büttel), Annika Reich (Schrift­stel­lerin, Mitgrün­derin und künst­le­ri­sche Leiterin des Aktions­bünd­nisses ‚Wir machen das‘), Dr. Vanessa Reinwand-Weiss (Kultur­wis­sen­schaft­lerin an der Univer­sität Hildes­heim und Direk­torin der Bundes­aka­demie für kultu­relle Bildung Wolfen­büttel), David Schraven (Journa­list und Gründer des Recherche-Netzwerks ‚Correctiv‘).

Die bishe­rigen Preis­träger (und Förder­preis­träger)

2000: Karl Heinz Bohrer (Michael Maar)
2002: Alexander Kluge (St. Peters­burger Cello-Duo)
2004: Elfriede Jelinek (Antonio Fian)
2006: Moshe Zimmer­mann (Sayed Kashua)
2008: Peter Sloter­dijk (Dietmar Dath)
2010: Kurt Flasch (Fiorella Retucci)
2012: Claus Peymann (Nele Winkler)
2014: Hans-Ulrich Wehler (Albrecht von Lucke)
2016: Dieter Wieland (Thies Marsen)
2018: Elizabeth T. Spira (Stefanie Panzen­böck)
2020: Ines Geipel (Margarita Masly­u­kova, Ekaterina Melnikova, Ekaterina Pavlenko)
2022: Vanessa Vu (Moshtari Hilal, Sinthujan Varat­ha­rajah)

Infos: Gotthold Ephraim Lessing (1729 – 1781), Biblio­thekar der Herzog August Biblio­thek, war ein  bedeu­tender Dichter der Aufklä­rung. In seinen Stücken beschäf­tigt er sich vor allem kritisch mit Themen der Religion und der Toleranz. Seine Werke werden bis heute ununter­bro­chen aufge­führt. Neben Nathan der Weise gehört Emilia Galotti zu seinen bekann­testen Dramen. Es wurde am Herzog­li­chen Opernhaus am Hagen­markt in Braun­schweig 1772 urauf­ge­führt. Lessing starb in Braun­schweig. Sein Grab befindet sich auf dem Magnif­riedhof an der Ottmer­straße.

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