Die ideali­sierte Darstel­lung einer eroti­schen Tändelei

Der sogenannte „Kussleuchter“ von Simon Feilner, der um 1753 in Fürstenberg hergestellt wurde. Foto: Museum Schloss Fürstenberg

Weißes Gold aus Fürsten­berg, Folge 1: Tisch­leuchter mit Schäfer­paar von Simon Feilner (1726–1798).

Ohne Know-how von außen hätte es die Porzel­lan­ma­nu­faktur nie über das Versuchs­sta­dium hinaus­ge­schafft. So sehr sich Herzog Carl I. 1747 eine Manufaktur auch gewünscht haben mochte, die Umsetzung des Befehls zur Gründung war eine enorm schwie­rige und für die Betei­ligten sicher sehr oft Nerven aufrei­bende Angele­gen­heit. Dies gilt besonders für Johann Georg von Langen, den begabten „Hof-Jäger­meister“, der als erster Manufak­tur­di­rektor die Einrich­tung des Betriebs bewerk­stel­ligen sollte. Ihm zur Seite stand mit Johann Christoph Glaser ein Pseudo-Arkanist, der vorgab, in der Porzel­lan­her­stel­lung bewandert zu sein. Tatsäch­lich war er aber ein Hochstapler, dies jedoch mit Talent. Denn von Langen kam erst nach fast sechs Jahren hinter den Schwindel!

Erst mit der Ankunft von Johann Kilian Benck­graff im Sommer 1753, dem Betriebs­leiter der damals bereits erfolg­reich etablierten Porzel­lan­ma­nu­faktur in Höchst, konnten alle Schwie­rig­keiten überwunden werden. In seinem Gefolge befand sich auch Simon Feilner, der in Höchst als Modelleur und Porzel­lan­maler gearbeitet hatte. Schnell etablierte sich Feilner als maßgeb­li­cher Künstler in der nun aufstre­benden Manufaktur. Anläss­lich des 275-jährigen Gründungs­ju­bi­läums der Porzel­lan­ma­nu­faktur stellt „Der Löwe – das Portal für das Braun­schwei­gi­sche“ in einer sechs­tei­ligen Reihe heraus­ra­gende Stücke des Museums Schloss Fürsten­berg vor.

Heraus­for­de­rung für die junge Manufaktur

Das erste Modell Feilners für seine neue Wirkungs­stätte war der in dieser Folge vorge­stellte zweiflam­mige Tisch­leuchter mit einem Schäfer­paar. Feilner hatte diesen Leuchter bereits in Höchst model­liert. Höchst­wahr­schein­lich hatte er das Modell oder Arbeits­formen für die Produk­tion nach Fürsten­berg mitge­nommen, um sofort als Modelleur reüssieren zu können. Der Leuchter muss für die noch unerfah­renen Fürsten­berger Manufak­tu­risten eine echte Heraus­for­de­rung gewesen sein. Wie jede Porzel­lan­plastik konnte er nicht in einem Stück geformt, sondern musste aus einer Vielzahl von separat ausge­formten Einzel­teilen zusam­men­ge­setzt werden. Da die Porzel­lan­masse beim Brennen so hoch erhitzt wird, dass sie weich wird und zu schmelzen beginnt, muss bei der Konstruk­tion einer Figur die Statik beachtet werden. Oft müssen besondere Stütz­kon­struk­tionen, sogenannte Brenn­hilfen, entwi­ckelt werden, um abste­hende Teile wie beispiels­weise einen ausge­streckten Arm vor Defor­mie­rungen zu bewahren.

Mit dem sich küssenden Schäfer­paar befand sich Feilner inhalt­lich ganz auf der Höhe seiner Zeit, in der pastorale Motive hochge­schätzt waren. Seine Schäferin und der Schäfer waren kein reales bäuer­li­ches Personal, dass die Türe hütete. Vielmehr handelt es sich um eine ideali­sierte Darstel­lung eroti­scher Tändelei in idylli­scher Natur als sehnsuchts­volles Gegenbild zur mit gesell­schaft­li­chen Widrig­keiten gefüllten höfischen Gegenwart des 18. Jahrhun­derts.

Dr. Christian Lechelt ist Leiter des Museums Schloss Fürsten­berg.

Kontakt

Museum Schloss Fürsten­berg
Meinbrexener Straße 2
37699 Fürsten­berg

Telefon: 05271/966778–10
E‑Mail: museum@fuerstenberg-schloss.com
Internet: www.fuerstenberg-schloss.com

Öffnungs­zeiten:

Dienstag bis Sonntag sowie an Feier­tagen 10–17 Uhr.
Vom 19.12. bis 26.12. und vom 31.12. bis 6.1.2023 geschlossen

Eintritt: 8,50 Euro, ermäßigt: 5,50 Euro

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