Eintrachts Meister­ma­cher

Bei der Triumphfahrt durch Braunschweig im ersten Wagen: Helmuth Johannsen (links) mit Vereinspräsident Balduin Fricke und Achim Bäse mit Meisterschale. Foto: Screenshot aus „In frischer Kraft und selbstbewusst“
Bei der Triumphfahrt durch Braunschweig im ersten Wagen: Helmuth Johannsen (links) mit Vereinspräsident Balduin Fricke und Achim Bäse mit Meisterschale. Foto: Screenshot aus „In frischer Kraft und selbstbewusst“

Große Sport­per­sön­lich­keiten, Folge 2: Trainer Helmuth Johannsen formte aus der Truppe der Namen­losen Deutsch­lands beste Fußball-Mannschaft 1967.

Es gibt auch die Gnade der frühen Geburt, jeden­falls für Fußball-Freunde von Eintracht Braun­schweig. Denn wer es hautnah erlebt hat, kann noch heute jeden Namen der Meister­mann­schaft um Kapitän Achim Bäse und Lenker Lothar Ulsaß herun­ter­beten. Und der hat natürlich auch die wichtigsten Ergeb­nisse wie das 2:1 gegen Borussia Mönchen­glad­bach, in letzter Minute von Erich Maas erzielt, das alles überra­gende 5:2 gegen Bayern München oder das angesichts des sicheren Titel­ge­winns freude­trunken bejubelte 4:1 gegen den 1. FC Nürnberg parat. Eintrachts Deutsche Fußball-Meister­schaft 1967 ist bis heute das wichtigste und spekta­ku­lärste Sport­er­eignis der Region. Der Vater dieses Triumphs war unbestritten Trainer Helmuth Johannsen (1920 – 1998). Damit zählt er zu den ganz großen Sport­per­sön­lich­keiten im Braun­schwei­gi­schen.

Kein Lautspre­cher à la Max Merkel

Er formte in vier Jahren aus der Mannschaft der Namen­losen nach vierjäh­riger Aufbau­ar­beit das beste Team Deutsch­lands. Johannsen hatte das Traineramt in Braun­schweig am 1. Juli 1963 mit Einfüh­rung der Bundes­liga übernommen. Er passte zum grund­so­liden Image des Klubs, war nie ein Lautspre­cher à la Max Merkel, sondern stets ein zielge­rich­teter, perspek­ti­visch denkender und akribisch arbei­tender Coach. Johannsen war ein Trainer der alten Schule. Sein Diplom hatte er 1949 unter Alt-Bundes­trainer Sepp Herberger ab.

Eintracht wurde belächelt in diesen Tagen, galt von der ersten Saison an als poten­ti­eller Absteiger. Doch mit geschickter Perso­nal­po­litik, großer Menschen­kenntnis und enormen takti­schen Verständnis düpierte er mit seinem Team die hochge­han­delten Klubs aus Köln, Bremen, München oder Frankfurt. In der Hälfte aller Spiele war Eintracht ohne Gegentor geblieben, eine taktische Meister­leis­tung! „Helmuth, lass die Löwen raus!“, riefen die Zuschauer zu Spiel­be­ginn. Und so vertei­digten sie auch. Wie die Löwen. Da macht es auch nichts, dass bis heute noch nie ein Meister weniger Tore schoss als Eintracht (49).

In Sachen Disziplin unüber­troffen

Die Spötter waren verstummt, die die Braun­schweiger Spiel­weise als „Bauern-Fußball“ abqua­li­fi­ziert hatten. Mag sein, dass die techni­schen Fertig­keiten anderer Teams mehr begeis­terten, aber in puncto Disziplin und Einsatz­be­reit­schaft blieb diese Eintracht-Mannschaft unüber­troffen. Johannsen kitzelte aus ihr die maximal mögliche Leistung heraus.

Wie erfolg­reich die Braun­schweiger Tugenden sein könnten, hatte beispiels­weise die Frank­furter Allge­meine Zeitung völlig falsch einge­schätzt. Sie schrieb über das Johannsen-Team zu Saison­be­ginn des Meister­jahres: „Die Gefahr, dass die Hanse der Bundes­li­ga­städte als nächsten Fremd­körper die biederen Braun­schweiger abstößt, lässt sich nicht von der Hand weisen.“

Väter­li­cher Freund der Spieler

Helmuth Johannsen köderte die damals teilweise namen­losen Spieler und schweißte sie zu einer verschwo­renen Gemein­schaft zusammen. „Er war sicher­lich ein harter Trainer, der streng auf Disziplin achtete. Er war aber auch ein väter­li­cher Freund“, erinnert sich der damalige Kapitän der 67er-Meister­mann­schaft, Achim Bäse, an den damaligen „Chef“.

„Ungerech­tig­keit gab es bei ihm nicht“, blickte Klaus Gerwien (1940 – 2018), der unter Johannsen wie auch Bäse, Ulsaß (1940 ‑1999), Horst Wolter und Erich Maas zum Natio­nal­spieler reifte, in einem Interview zurück. Für Johann­sens damaligen Co-Trainer Heinz Patzig (1929 – 2013) überstrahlte natürlich auch der Titel­ge­winn die Zusam­men­ar­beit, aber der Weg dahin sei lang und ganz stark von den Eigen­schaften Johann­sens geprägt gewesen. „Ich habe 13 Trainer in Braun­schweig erlebt, aber in Sachen Mensch­lich­keit kam keiner an Johannsen heran“, urteilte Patzig rückbli­ckend.

Wien und Turin unver­gessen

Johannsen arbeitete sieben Jahre lang bei Eintracht. Unver­gessen sind auch die fantas­ti­schen Europa­po­kal­spiele der Landes­meister 1968 gegen Rapid Wien (0:1, 2:0) und Juventus Turin (3:2, 0:1 und 0:1/Entscheidungsspiel in Bern). In der Bundes­liga übernahm er bei Hannover 96 und VfL Bochum weitere Trainer­ämter. Seine Trainer-Laufbahn ließ er in der Schweiz ausklingen. 1978 wurde er mit den Grasshop­pers Zürich noch einmal Schweizer Meister. „Die Hektik, mit der Erfolge buchstäb­lich erzwungen werden sollen, ist fast schon unerträg­lich. Abgeklärt­heit und planvolles Handeln müssen wieder stärker betont werden“, sagte Johannsen bei seinem Abschied vom Trainer­beruf 1985.

Zum Aufgebot der Meister­mann­schaft gehörten:

Horst Wolter und Hennes Jäcker als Torhüter sowie die Feldspieler: Achim Bäse, Wolfgang Brase, Hans Georg Dulz, Klaus Gerwien, Wolfgang Grzyb, Peter Kaack, Wolf-Rüdiger Krause, Erich Maas, Wolfgang Matz, Klaus Meyer, Jürgen Moll, Michael Polywka, Werner Rinas, Gerd Saborowski, Walter Schmidt, Wolfgang Simon und Lothar Ulsaß.

Das könnte Sie auch interessieren