Gedenk­stätte Schill­straße: Stadt gibt die Träger­schaft ab

Kulturdezernentin Anja Hesse übergibt den neuen Vertrag an Gustav Partington als stellvertretenden Vorsitzendes des Arbeitskreises Andere Geschichte. Der Verein ist damit Träger des Gedenkstätte KZ-Außenlager Schillstraße sowie des Schill-Denkmals. Hauptamtliche Mitarbeiter in der Gedenkstätte sind Gerald Hartwig (links) und Gedenkstättenleiter Frank Ehrhardt (dritter von links). Foto: Florian Kleinschmidt
Kulturdezernentin Anja Hesse übergibt den neuen Vertrag an Gustav Partington als stellvertretenden Vorsitzendes des Arbeitskreises Andere Geschichte. Der Verein ist damit Träger des Gedenkstätte KZ-Außenlager Schillstraße sowie des Schill-Denkmals. Hauptamtliche Mitarbeiter in der Gedenkstätte sind Gerald Hartwig (links) und Gedenkstättenleiter Frank Ehrhardt (dritter von links). Foto: Florian Kleinschmidt

Mit Übertra­gung der Verant­wor­tung auf den Arbeits­kreis Andere Geschichte legt die Kommune die Erinne­rungs­ar­beit in die Hand der Stadt­ge­sell­schaft.

Mehr als 20 Jahre nach Eröffnung der Gedenk­stätte KZ-Außen­lager Schill­straße hat die Stadt die Träger­schaft für diesen zentralen Ort zur Aufar­bei­tung der Geschichte Braun­schweigs im Natio­nal­so­zia­lismus dem Arbeits­kreis Andere Geschichte übertragen.

Für den 150 Mitglieder zählenden Verein ist das nicht nur ein Vertrau­ens­be­weis, wie der stell­ver­tre­tende Vorsit­zende Gustav Partington sagt. Die Abkop­pe­lung von der Stadt verschafft dem Arbeits­kreis auch eine größere Unabhän­gig­keit bei der Themen­set­zung.

Die Kommune sei ein Dampfer. Der Arbeits­kreis könne dagegen wesent­lich flexibler auf aktuelle Fragen des Gedenkens und der Erinne­rungs­kultur reagieren, begründet Kultur- und Wissen­schafts­de­zer­nentin Anja Hesse die vom Rat beschlos­sene Stab-Übergabe an den Verein, der auch bisher schon das Offene Archiv in der Gedenk­stätte betreut hat.

Logo Braunschweiger ZeitungDieser Artikel ist zuerst erschienen am 01.07.2019. (Bezahl-Artikel)

Zudem: „ Wo der Staat die Erinne­rung sicher­stellt, ist die Notwen­dig­keit des zivil­ge­sell­schaft­li­chen Erinnerns nicht hinrei­chend gefordert “, hieß es in der Ratsvor­lage. Seit 1998 sah sich die Stadt für den Aufbau der Gedenk­stät­ten­ar­beit in der Verant­wor­tung. Jetzt sei der richtige Zeitpunkt gekommen, um der Stadt­ge­sell­schaft die Aufar­bei­tung auf diesem stabilen Fundament selbst zu überlassen.

Der richtige Zeitpunkt auch deshalb, weil sich die Erinne­rungs­kultur wandelt. Nicht mehr viele Zeitzeugen – bislang wichtigste Pfeiler – können Auskunft geben. Neue Konzepte und Themen sind gefragt.

Rund 2000 Besucher – darunter 50 Schul­klassen und Jugend­gruppen – kommen Jahr für Jahr in die Gedenk­stätte. Das Interesse an Geschichts­pro­jekten wächst. Zur Vermitt­lung suchen Gedenk­stätten-Leiter Frank Ehrhardt und sein Kollege Gerald Hartwig immer wieder neue Wege: So können Besucher auf ihrem Smart­phone mithilfe eines Gelän­de­guides den histo­ri­schen Ort an der Schill­straße erkunden. Ein weiteres Beispiel: Derzeit konzi­piert Hartwig einen mehrtä­gigen Workshop, sich dem Thema Kriegs­wirt­schaft und Zwangs­ar­beit künst­le­risch zu nähren.

Mit Übernahme der Träger­schaft hofft der Verein die Arbeit in der Gedenk­stätte inten­si­vieren zu können: Die Stadt hat den Etat von 98.000 auf 168.000 Euro aufge­stockt. Nun soll eine dritte haupt­be­ruf­liche Kraft einge­stellt werden, um histo­ri­sche Quellen zu erschließen und verfügbar zu machen.

Im Gegensatz zur Stadt hat der Verein als Träger außerdem bessere Aussichten, Förder­gelder etwa aus Töpfen der EU oder der Stiftung nieder­säch­si­sche Gedenk­stätten zu erhalten.

Ein weiterer Dreh- und Angel­punkt der Gedenk­stätte ist das Offene Archiv – quasi Sammel­stelle und Bewahrer des kollek­tiven lokalen Geschichts­ge­dächt­nisses. „Die Idee des Archivs und der Gedenk­stätte Schill­straße zielt auf das nicht festge­legte und nicht abgeschlos­sene Erinnern als eine Genera­tionen übergrei­fende Aufgabe“, sagt Anja Hesse. Alles ist im Prozess. Wie auch die Arbeit des Arbeits­kreises: „Wir bleiben nicht stehen“, verspricht Gustav Partington.

Logo Braunschweiger ZeitungDieser Artikel ist zuerst erschienen am 01.07.2019 und erreichbar unter: https://www.braunschweiger-zeitung.de/braunschweig/article226351477/Gedenkstaette-Schillstrasse-Stadt-Braunschweig-gibt-die-Traegerschaft-ab.html (Bezahl-Artikel)

Mehr über die Gedenk­stätte KZ Drütte in Salzgitter lesen Sie hier.

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