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Buch veröffentlicht: „Geschichte, an die wir uns immer erinnern müssen“

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Publikation „outSITE Wolfenbüttel – Das Strafgefängnis Wolfenbüttel und sein Netzwerk im Land Braunschweig“ vorgestellt.

Rechtzeitig zum 77. Jahrestag der Befreiung des Strafgefängnisses Wolfenbüttel am 11. April 1945 haben die Autoren Tomke Blotevogel, Janna Lölke, Gustav Partington und Martina Staats mit dem Buch „outSITE Wolfenbüttel – Das Strafgefängnis Wolfenbüttel und sein Netzwerk im Land Braunschweig“ eine umfassende Dokumentation über die schlimmen Geschehnisse von 1933 bis zum letzten Tag der zentralen Haftanstalt des ehemaligen Freistaats Braunschweig vorgelegt. Herausgeber sind die Gedenkstätte in der Justizvollzugsanstalt Wolfenbüttel und die Stiftung niedersächsische Gedenkstätten. Das Buch ist dort für 7,50 Euro erhältlich oder kann unter der ISBN-Nummer 978-3-946991-11-3 bestellt werden.

Vier Jahre Forschung

Der Buchtitel. Foto: Der Löwe

Das Buch basiert auf den Ergebnissen von bislang vierjähriger Forschungsarbeit. „Ziel des Projektes ist die Erforschung der Außenstellen im Land Braunschweig und ihre Sichtbarmachung. Am Beispiel des Strafgefängnisses Wolfenbüttel wird auch die weitreichende Beteiligung der deutschen Justiz und des Strafvollzugs an der Durchsetzung, Aufrechterhaltung und Radikalisierung der NS-Herrschaft nachvollzogen werden“ erläuterte Martina Staats, Leiterin der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel, während der Präsentation des Buches.

Enthalten sind auch die Schicksale vieler Opfer, deren Nachfahren vor allem aus Belgien, den Niederlanden, Frankreich, aber auch Polen und Deutschland am 10. April in Wolfenbüttel erwartet werden. Enthüllt werden dann im Rahmen des Projekts „outSITE Wolfenbüttel“ zwei weitere Erinnerungsstellen, wie sie bereits am Schießstand in der Buchhorst und an der medizinischen Fakultät der Universität in Göttingen zu sehen sind. In der Buchhorst waren mindestens 25 Gefangene hingerichtet worden, und an das Anatomischen Institut waren von 1939 bis 1944 mehr als 200 Leichen von Gefangenen zur „medizinischen Forschung“ transportiert worden.

„Himmelfahrtskommando“ Bombenräumung

Die Autoren Tomke Blotevogel und Gustav Partington, stellten bei der Buchpräsentation beispielhaft Außenorte vor, an denen die überwiegend politischen Gefangenen, arbeiten mussten. Tomke Blotevogel schilderte Aufräumarbeiten nach Luftangriffen in Braunschweig. „Arbeitskommandos wurden zu Aufräumarbeiten herangezogen. Bombensprengtruppen von je 12 bis 29 Gefangenen wurden etwa zur lebensgefährlichen Beseitigung von Blindgängern verpflichtet“, berichtete sie. Bei den „Himmelfahrtskommandos“ kam es zu mehreren tödlichen Unglücken. Gustav Partington erinnerte an Einsätze auf dem Braunschweiger Hauptfriedhof. „Die zahlreichen Opfer der schweren Bombenangriffe 1944 stellten die Braunschweiger Friedhofsverwaltung vor große Herausforderungen, da nicht ausreichend Arbeitskräfte zum Ausheben der Gräber zur Verfügung standen. Nach dem Bombardement vom 10. Februar 1944 forderte sie deswegen sechzig Strafgefangene dafür an“, zeigte er auf, wie vielschichtig die Strafgefangenen eingesetzt wurden.

Bei den beiden neuen Stelen im Wolfenbütteler Stadtgebiet Wolfenbüttel handelt es sich um zwei Außenorte für Zwangsarbeiter. lm Juni 1939 wurden 20 Gefangene für Erdarbeiten beim Bau des Bahnhofs eingesetzt. Den Auftrag dafür hatte die Braunschweiger Firma Karl Schaare erhalten. Und in der Maschinenfabrik Gebrüder Welger musste während des Zweiten Weltkriegs eine wachsende Anzahl von Straf- und Kriegsgefangenen in der Rüstungsproduktion arbeiten. Insgesamt wird es acht Stelen geben, die an unterschiedlichen Orten an die Opfer erinnern. Eine neunte war geplant, musste aber wegen des Brandanschlags auf die zuerst errichtete Stele in der Buchhorst weichen.

15.000 Strafgefangene

Im Buch werden mehr als 60 Haft-, Arbeits- und Hinrichtungsorte sowie Friedhöfe besprochen. Geschildert wird in knappen Worten und stets mit Illustrationen, was dort geschah. Wer mehr erfahren möchte über die Opfer, findet in der vor einigen Jahren komplett sanierten und erheblich aufgewerteten Dauerausstellung der Gedenkstätte herausragende Recherchemöglichkeiten. Insgesamt saßen zwischen 1933 und 1945 rund 15.000 Männer in Wolfenbüttel ein. In der seit 1937 eingerichteten Hinrichtungsstelle wurden 526 Todesurteile an Frauen, die zumeist im Braunschweiger Gefängnis Rennelberg eingesessen hatten, und Männern vollstreckt. Ungezählte kamen dazu an den Außenorten zu Tode.

Bei der Präsentation waren Ulrich Markurth, Präsident der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz, und Gerhard Glogowski, Vorstandsvorsitzender der Braunschweigischen Stiftung, dabei. Beide lobten die akribische Arbeit des Projekts „outSite Wolfenbüttel“. „Wieso wurde die Geschichte des Strafgefängnisses nicht schon vor 30, 40 oder 50 Jahren erforscht“, fragte Gerhard Glogowski und gab die Antwort gleich mit: „Wir sind heute, nach Jahrzehnten in der Situation, dass wir klarer über die Vergangenheit denken können.“  Das Buch belege, dass die großen Verbrechen der Nazis nicht nur in Auschwitz, Birkenau oder Bergen-Belsen begangen wurden, sondern ganz vielen Orten im Land. „Die Dokumentation zeigt Geschichte, an die wir uns immer erinnern müssen“, mahnte Ulrich Markurth. Die Stiftungen und der Zukunftsfonds Asse haben die Publikation maßgeblich gefördert.

Video: www.der-loewe.info/500-gefangene-mit-dem-fallbeil-hingerichtet

Mehr: www.der-loewe.info/dort-wo-der-schrecken-herrschte

Kontakt:

Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel
Am Herzogtore 13
38300 Wolfenbüttel

Telefon: 05331 – 9355010
E-Mail: wolfenbuettel@stiftung-ng.de 
Internet: wolfenbuettel.stiftung-ng.de

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