Erinne­rungs­stele für NS-Opfer enthüllt

Während der Enthüllung legten (von links) Oberbürgermeister Thorsten Kornblum, Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne, die Geschäftsführerin der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten Elke Gryglewski, Martina Staats, Leiterin der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbütte, Gerhard Glogowski, Vorstandsvorsitzender der Braunschweigischen Stiftung, Ulrich Markurth, Präsident der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz, und Tobias Henkel, Direktor der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz, weiße Rosen an der Erinnerungsstele ab. Foto: Peter Sierigk
Während der Enthüllung legten (von links) Oberbürgermeister Thorsten Kornblum, Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne, die Geschäftsführerin der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten Elke Gryglewski, Martina Staats, Leiterin der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbütte, Gerhard Glogowski, Vorstandsvorsitzender der Braunschweigischen Stiftung, Ulrich Markurth, Präsident der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz, und Tobias Henkel, Direktor der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz, weiße Rosen an der Erinnerungsstele ab. Foto: Peter Sierigk

Gedenkort am ehema­ligen Schieß­stand in der Buchhorst als “unver­zicht­barer Lernort für unser aller Zukunft” gewürdigt.

Nach der Zerstö­rung der neuen Erinne­rungs­stele an der Gedenk­stätte Buchhorst durch ein von unbekannten Tätern gelegtes Feuer im Dezember wurde die Tafel heute zwar mit Verzö­ge­rung, aber dafür unter großer medialer Aufmerk­sam­keit und bemer­kens­werter Anteil­nahme aus der Bevöl­ke­rung feierlich enthüllt. Die Stele erinnert an die NS-Opfer Otto Kauffelt, Leo Pionke, Walter Siebert, Arnould van de Walle und Marcel Wastelain sowie mindes­tens 20 weitere, die dort während der NS-Zeit hinge­richtet wurden. Vor der Erschie­ßung waren sie alle im Straf­ge­fängnis Wolfen­büttel inhaf­tiert und von der NS-Militär­justiz bezie­hungs­weise dem Volks­ge­richtshof als Deser­teure oder Wider­stands­kämpfer zum Tode verur­teilt worden. Das Straf­ge­fängnis Wolfen­büttel war die zentrale Haftan­stalt des ehema­ligen Freistaates Braun­schweig und seit 1937 eine von 22 Hinrich­tungs­stätten im NS-Deutsch­land.

Anschlag keine Petitesse

Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne hob die Bedeutung des Gedenkorts in der Buchhorst als „unverzichtbaren Lernort“ hervor. Foto: Peter Sierigk
Nieder­sach­sens Kultus­mi­nister Grant Hendrik Tonne hob die Bedeutung des Gedenk­orts in der Buchhorst als „unver­zicht­baren Lernort“ hervor. Foto: Peter Sierigk

Nieder­sach­sens Kultus­mi­nister hob während der Einwei­hung die Bedeutung von Gedenk­orten als „unver­zicht­bare Lernorte für die Zukunft von uns allen“ hervor. Die Beschä­di­gung der Stele durch Vanda­lismus habe ihn betroffen und wütend gemacht. Anschläge auf Gedenk­stätten und Erinne­rungs­orte seien keine Petitessen oder Dumme-Jungen-Streiche. Sie seien angesichts der Zunahme von Verharm­lo­sung und Umdeutung der NS-Verbre­chen mit großer Sorge zu betrachten. Es dürfe kein Niedrig­hängen solcher Taten geben, sagte er.

Die Erinne­rungs­stele in der Buchhorst wurde mit Unter­stüt­zung der Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz, der Braun­schwei­gi­schen Stiftung und der Stiftung nieder­säch­si­sche Gedenk­stätten reali­siert. Sie ist Teil des Forschungs­pro­jektes „outSITE Wolfen­büttel“, das das Netzwerk des Straf­ge­fäng­nisses Wolfen­büttel während der NS-Zeit dokumen­tiert. Insgesamt gab es 70 Außenorte von Blanken­burg im Harz bis nach Wesendorf in der Heide. Eine Medien­wand im Dokumen­ta­ti­ons­zen­trum der Gedenk­stätte der JVA Wolfen­büttel zeigt sämtliche Standorte und gibt entspre­chende Infor­ma­tionen. An insgesamt acht Außen­orten werden Infor­ma­ti­ons­ta­feln wie die in der Buchhorst aufge­stellt, die an die histo­ri­schen Tatorte der NS-Gewalt im Braun­schwei­gi­schen erinnern.

Nahbar und emotional

Ulrich Markurth, Präsident der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz, freute sich über die große mediale Resonanz. Foto: Peter Sierigk
Ulrich Markurth, Präsident der Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz, freute sich über die große mediale Resonanz. Foto: Peter Sierigk

Braun­schweigs Oberbür­ger­meister Thorsten Kornblum verwies auf die Verpflich­tung, die Erinne­rung an die NS-Verbre­chen im Sinne der Menschen­würde und Demokratie wachzu­halten. Angesichts der Zerstö­rung der ersten Stele kriti­sierte er, dass es noch immer Menschen gebe, die den Wert der Erinne­rung nicht begriffen hätten. Gerade deswegen freute sich Ulrich Markurth, Präsident der Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz, über die große mediale Resonanz. Dadurch gelänge es, den wichtigen Ort des Erinnerns den Menschen näher­zu­bringen. „Nicht einmal alle Braun­schwei­ge­rinnen und Braun­schweiger kennen diesen Ort“, meinte er. Durch die Erinne­rungs­stele erhielten die NS-Opfer Namen und Gesichter, das mache die Ausein­an­der­set­zung mit der Geschichte nahbarer und emotio­naler.

Ort der Wahrheit

Gerhard Glogowski, Vorstands­vor­sit­zender der Braun­schwei­gi­schen Stiftung, nannte den Schieß­stand in der Buchhorst einen „Ort der Wahrheit“. Die neue Erinne­rungs­stele eröffne auch eine neue Chance, sich zu erinnern. „Wir dürfen nicht zulassen, dass die Wahrheit verschwiegen oder vernied­licht wird. Mit der Tafel werden wir den Menschen gerecht, die unter den Nazis gelitten haben und denen, die sich dafür einsetzen, dass es kein Vergessen gibt“, erläu­terte er.

Der Schieß­stand liegt im Stiftungs­wald der Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz. Seit vielen Jahren kümmert sich die Stiftung darum, dass das Gelände nicht zuwuchert, sondern pflegt es behutsam. „Wir freuen uns, dass wir hier unserer Aufgabe des Gedenkens und Erinnerns gerecht werden können“, sagte Tobias Henkel, Direktor der Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz. Gemeinsam mit allen Rednern der Einwei­hung legt er abschlie­ßend weiße Rosen unter die Gedenk­tafel, die das Konterfei des belgi­schen Offiziers Arnould van de Walle zeigt.

Die Anteilnahme an der Enthüllung war groß. Foto: Peter Sierigk
Die Anteil­nahme an der Enthül­lung war groß. Foto: Peter Sierigk

van de Walles Geschichte

Einige Gruppierungen legten Kränze nieder, darunter der Motorrad-Klub „Kuhle Wampe“. Foto: Peter Sierigk
Einige Gruppie­rungen legten Kränze nieder, darunter der Motorrad-Klub „Kuhle Wampe“. Foto: Peter Sierigk

Arnould van de Walles Sterbe­datum ist der 16. Juni 1944. Um 16.57 Uhr trafen den Belgier aller Wahrschein­lich­keit nach mehrere Kugeln. Überlie­fert ist dies, weil der Oberstaats­an­walt beim Landge­richt Braun­schweig, Dr. Hirte, dies dem Reichs­mi­nister der Justiz in Berlin berich­tete. Van de Walle gehörte in Belgien einer Wider­stands­gruppe namens „Lichter­velde“ an. Doch bereits beim zweiten Geheim­treffen im Hause van de Walles flog die Gruppe auf. Ein belgi­scher Gestapo-Spitzel hatte sie verraten. Nach Folter im Wehrmachts­ge­fängnis Gent kamen die 17 Wider­stands­kämpfer als sogenannte „Nacht-und-Nebel“-Gefangene heimlich nach Deutsch­land. Nicht einmal die Famili­en­an­ge­hö­rigen wurden über ihren Verbleib infor­miert. Das Amtsge­richt Leer verur­teilte die Belgier wegen Feind­be­güns­ti­gung zum Tode. Als Offizier der belgi­schen Armee wurde van de Walle im Schieß­stand Buchhorst erschossen, die 16 anderen Wider­ständler wurden mit dem Fallbeil im Straf­ge­fängnis Wolfen­büttel hinge­richtet.

Der Schieß­stand in der Buchhorst wurde 1876 für die Garnison Braun­schweig angelegt. Noch bis 1962 wurde die Anlage von der Polizei, der Bundes­wehr und dem Bundes­grenz­schutz für Schieß­übungen genutzt.

Kontakt:

Gedenk­stätte in der JVA Wolfen­büttel
Am Herzog­tore 13
38300 Wolfen­büttel

Telefon: 0531- 9355010
E‑Mail: wolfenbuettel@stiftung-ng.de
Internet: wolfenbuettel.stiftung-ng.de

Mehr unter: www.der-loewe.info/dort-wo-der-schrecken-herrschte

Video: www.der-loewe.info/500-gefangene-mit-dem-fallbeil-hingerichtet

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