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Neue Erinnerungsstele für NS-Opfer angezündet

Beschädigte Informationsstele vor dem Schießstand in der Buchhorst. Foto: Der Löwe
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Update

Nicht zur Tagesordnung übergehen: Einweihung der Tafel am Schießstand in der Buchhorst wurde in den Januar verschoben.

1937 wurde im Strafgefängnis Wolfenbüttel eine von 22 Hinrichtungsstätten im NS-Deutschland eingerichtet. Bis zur Befreiung durch US-Truppen wurden in Wolfenbüttel an 526 Männern und Frauen Todesurteile mit der Guillotine vollstreckt. Soldaten der Wehrmacht erschossen weitere fünf Verurteilte aus dem Strafgefängnis auf dem Schießstand Braunschweig-Buchhorst. Im Rahmen des Projekts „outSITE Wolfenbüttel“ der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel wurde dieser Tage eine neue Informationsstele aufgestellt. Ein Feuer zog sie jedoch kurz danach bereits in Mitleidenschaft.

Die Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten, die Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz und die Braunschweigische Stiftung haben deswegen die Einweihung der Informationsstele in den Januar verschoben. Obwohl die mutwilligen Beschädigungen an der in der vergangenen Woche aufgestellten Tafel beseitigt werden konnten und die Einweihung möglich gewesen wäre, haben sich die drei Stiftungen gemeinsam mit der Stadt Braunschweig darauf verständigt, nicht zur Tagesordnung übergehen zu wollen.

„Natürlich wäre die termingetreue Einweihung ebenfalls eine richtige Reaktion gewesen. Gemeinsam mit Vertretern aus Kommune, Land und Bund möchten wir Stiftungen nun aber ein zivilgesellschaftliches Zeichen setzen und neben die Bedeutung der Gedenkstätte und des Erinnerns auch den Widerstand gegen extremistische und radikale Äußerungen und Taten in der Gegenwart stellen. Dazu werden wir zu einer die Einweihung der Stele begleitenden Veranstaltung im Januar 2022 rechtzeitig einladen und hoffen, so eine noch größere Beteiligung der Stadt- und Regionsgesellschaft erreichen zu können, um damit auch die Bedeutung des Projektes ‚outSITE‘ zu unterstreichen“, heißt es in einer Pressemitteilung.

Medienwand mit allen Standorten

Das Projekt „outSITE Wolfenbüttel“ erinnert mit den Informationsstelen an acht früheren Außenorten des Strafgefängnisses Wolfenbüttel an die schrecklichen Ereignisse in den Jahren der NS-Diktatur. Insgesamt gab es 70 solcher Außenorte von Blankenburg im Harz bis nach Wesendorf in der Heide. Ein Medienwand im Dokumentationszentrum der Gedenkstätte der JVA Wolfenbüttel zeigt sämtliche Standorte und gibt entsprechende Informationen.

Trotz des Feuers wird die Einweihung der Stele wie geplant am 15. Dezember mit unter anderem Elke Gryglewski (Geschäftsführerin der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten), Tobias Henkel (Direktor der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz), Friedemann Schnur (Geschäftsführender Vorstand der Die Braunschweigische Stiftung) und Martina Staats (Leiterin der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel) stattfinden.

Kugelfänge für Hinrichtungen

Arnould van de Walle (1898–1944) gibt den Opfern ein Gesicht.

Arnould van de Walle (1898–1944) gibt den Opfern ein Gesicht.

Der militärische Schießübungsplatz in der Braunschweiger Buchhorst wurde 1876 für die Garnison Braunschweig angelegt und bis 1962 genutzt. Während der NS-Zeit  wurden im nördlichsten der erhaltenen Kugelfänge des Schießstandes mindestens 25 Soldaten und Zivilisten erschossen. Sie waren von der Militärjustiz beziehungsweise vom Volksgerichtshof als Deserteure oder Widerstandskämpfer zum Tode verurteilt worden.

Otto Kauffelt (1915–1940), Leo Pionke (1922–1944), Walter Siebert (1920–1944) und die „Nacht und Nebel“-Gefangenen Arnould van de Walle (1898–1944) und Marcel Wastelain (1906–1944) waren vor ihrer Hinrichtung im Strafgefängnis Wolfenbüttel inhaftiert. Die Stele soll über die frühere Nutzung des Schießplatzes als Hinrichtungsstätte informieren und an das Schicksal der Opfer erinnern.

Bewegende Zeilen

Arnould van de Walle schrieb kurz vor seiner Hinrichtung noch einen bewegenden Brief an seine Familie in Belgien. Darin heißt es:

„Ich bitte euch um Verzeihung, denn ich werde euch noch ein weiteres Mal viel Schmerz bereiten: In zwei Stunden werde ich erschossen sein. Ein schreckliches Geschick ließ in den Augen meiner Richter das, was in Wirklichkeit nur eine ein bisschen lächerliche Verfehlung war, zu einem Verbrechen mit Todesstrafe werden. …

Überdies stand mir in den letzten drei Monaten der Gefangenschaft der  katholische Geistliche von Wolfenbüttel und in meiner letzten Stunde der Braunschweiger Geistliche  zur Seite, und ich stelle mir nun das Jenseits als eine großartige Glückseligkeit vor. …

Man drängt mich, zum Schluss zu kommen. Auf Wiedersehen, meine Liebe, meine Geliebte. Weine nur, sei aber dann getröstet in den Gedanken, dass ich glücklich bin. Und von da oben werde ich über euch wachen. Sage dir, dass ich beim Sterben nicht zittern werde. Ich werde so sterben, wie es sich für einen belgischen Offizier gehört.“

Seit 2019 gibt es in der Gedenkstätte der JVA Wolfenbüttel ein Dokumentationszentrum mit der Dauerausstellung „Recht. Verbrechen. Folgen. Der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten ist eine moderne, beeindruckende und bewegende Dokumentation der NS-Justiz und ihrer Strafverfolgung im Braunschweigischen gelungen. Darauf setzt das Projekt „outSITE Wolfenbüttel“ auf.

Kontakt:

Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel
Am Herzogtore 13
38300 Wolfenbüttel

Telefon: 0531- 9355010
E-Mail: wolfenbuettel@stiftung-ng.de 
Internet: wolfenbuettel.stiftung-ng.de

Mehr unter: www.der-loewe.info/dort-wo-der-schrecken-herrschte

Video: www.der-loewe.info/500-gefangene-mit-dem-fallbeil-hingerichtet

 

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