Ist das nur ein Konglo­merat von Plagiaten?

Ob Carl Joseph Toscani (1725 bis nach 1815), die Malerei des Tee-Déjeuner, ist nicht zweifelsfrei sicher. Foto: Museum Schloss Fürstenberg

Weißes Gold aus Fürsten­berg, Folge 5: Tee-Déjeuner mit seegrünem Fond und Landschafts­ma­lerei, um 1767 oder später.

Eines der pracht­vollsten Fürsten­berger Geschirr­en­sem­bles stellt dieses Déjeuner dar – ein Frühstücks­ser­vice für zwei Personen. Solche Sets waren im 18. Jahrhun­dert außer­or­dent­lich beliebt. Als „Solitaire“ für eine oder als „Tête-à-tête“ für zwei Personen diente es dem Genuss der damals noch neuen und kostspie­ligen Heißge­tränke Kaffee, Tee und Schoko­lade. Déjeuners galten aber auch als Status­sym­bole der Reprä­sen­ta­tion, was sich an der oft besonders aufwän­digen Gestal­tung ablesen lässt. Und das Fehlen von Gebrauchs­spuren lässt darauf schließen, dass diese Porzel­lane gar nicht benutzt wurden. Vielmehr wurden sie zur Schau gestellt, oft von einem kostbaren Futteral geschützt.

Blicke nach Berlin und England

Das in der Ausstel­lung „In Herz und Hand. 275 Jahre Fürsten­berg – Schätze aus Privat­be­sitz“ gezeigte Déjeuner erfreut das Forscher­herz, denn es wirft einige Fragen auf und erhellt die Manufak­tur­praxis im 18. Jahrhun­dert. Zunächst richtet sich der Blick auf die Formen: Das große Tableau, auf dem die Tassen, Kannen und die Zucker­dose Platz finden können, fällt durch die aufwändig gearbei­teten, durch­bro­chenen Handhaben in abstra­hierter Muschel­form auf. Es sind kleine Meister­stücke der Rocaille, dem charak­te­ris­ti­schen Ornament des Rokoko. Die Fürsten­berger Künstler hatten dafür kurzer­hand ein Modell der König­li­chen Porzel­lan­ma­nu­faktur Berlin kopiert. Die Hohlge­fäße mit ihren geschwun­genen Randaus­schnitten und den auffäl­ligen Figuren­knäufen wiederum verraten, dass man auch nach England schaute. Denn diese Formen sind zuerst von der Keramik­ma­nu­faktur Wedgwood entworfen worden.

Als Zweites drängt sich der Dekor auf, der ebenfalls eine Übernahme darstellt. Bereits um 1730 hatte die Porzel­lan­ma­nu­faktur Meißen mit bunten Fonds begeis­tert, kombi­niert mit Reserven, die mit unter­schied­li­chen Motiven bemalt waren.

Ein übliches Vorgehen

Wie geht das nun alles zusammen? Ist das Déjeuner nur ein Konglo­merat von Plagiaten? Aus heutiger Perspek­tive von Urheber­recht und Muster­schutz mag es so anmuten. Aber im 18. Jahrhun­dert gab es dieses Bewusst­sein so noch nicht. Es war ein übliches, in allen Manufak­turen Europas verbrei­tetes Vorgehen, dass Produkte, die anderswo erfolg­reich waren, kopiert oder adaptiert wurden. Die Produ­zenten standen einer­seits in Konkur­renz zuein­ander, aber mehr noch schützten ihre jewei­ligen Landes­herren die einhei­mi­schen Betriebe durch Schutz­zölle oder gar Einfuhr­ver­bote. Dennoch strebte das (vermö­gende) Publikum nach den Luxus­waren und so war es für eine Manufaktur wie Fürsten­berg sogar sinnvoll, die begehrten Modelle der Konkur­renz aufzu­greifen. So konnte der einhei­mi­sche Markt bedient werden und im Idealfall profi­tierte man auch beim Export davon, wenn die Waren günstiger angeboten wurden.

Die Fürsten­berger Wegdwood-Rezeption belegt die enorme Popula­rität dieser Keramiken zu einem sehr frühen Zeitpunkt. 1759 hatte Josiah Wedgwood seine Manufaktur in Stafford­shire gegründet, und er baute sie mit Wagemut und Geschick, Erfin­der­geist und strate­gi­schem Marketing zu einem führenden Unter­nehmen aus. Herzog Carl I. gehörte schon frühzeitig zu den Kunden. Er hatte das vorbild­ge­bende Potenzial der engli­schen Produkte erkannt. Deshalb gelangten die Gefäße sogleich in das öffent­lich zugäng­liche Herzog­liche Kunst- und Natura­li­en­ka­bi­nett, dem Ursprung des heutigen Herzog Anton Ulrich-Museums. Dort konnten sie von den Fürsten­berger Künstlern studiert werden.

Dekor nach „Meißener Bauart“

Während die Formen des Déjeuners also hochmo­dern waren, ist der Dekor nach „Meißener Bauart“ zu seiner Zeit eigent­lich schon altmo­disch gewesen. Da sich aber vergleichs­weise zahlreiche Stücke mit diesem Dekor­schema in diversen Sammlungen befinden, scheint es in Fürsten­berg eine gute Nachfrage danach gegeben zu haben. In der kunst­his­to­ri­schen Forschung hat sich kolpor­tiert, dass alle diese Stücke von dem Porzel­lan­maler Carl Joseph Toscani bemalten wurden. Er hatte zuvor in Meißen und Berlin gearbeitet, in Fürsten­berg war er nachweis­lich 1765–67 und noch einmal ab 1769 tätig, bis er später zu einem unbekannten Zeitpunkt an die Porzel­lan­ma­nu­faktur in Kopen­hagen wechselte. Er malte Figuren, Blumen und Landschaften und ist als Spezia­list für gespritzte Fonds in den Akten dokumen­tiert. Diese Technik, mit der ein gleich­mä­ßiger Farbauf­trag erzielt wurde, soll Toscani in Meißen gelernt und nach Fürsten­berg mitge­bracht haben. Die Landschafts­mo­tive in den Reserven sind zudem in einem sehr indivi­du­ellen Duktus gemalt, so dass es nahe liegt, sie einem Maler zuzuschreiben.

Zum Abschluss noch eine Bemerkung zu dem faszi­nie­renden Farbton: Im 18. Jahrhun­dert bezeich­nete man ihn gern als „seegrün“. Die zarte bläulich-grüne Nuance war eine Modefarbe des Rokokos und leitete sich von den Seladon­gla­suren fernöst­li­cher Porzel­lane ab. Diese waren seit Jahrhun­derten in China begehrt, weil sie an Jade erinnerten. Dass es sich dabei um eine spezielle Glasur­technik handelte, wussten die Europäer aber nicht. Darum imitierten sie die Farbig­keit mit ihren Mitteln der Porzel­lan­ma­lerei. Die aus dem Franzö­si­schen entlehnte, alter­na­tive Bezeich­nung „Seladon“ (oder „Celadon“) für das „Seegrün“ ist wiederum auf den damals äußerst beliebten Schäfer­roman „L’Astrée“ von Honoré d’Urfé von 1610 zurück­zu­führen, dessen Haupt­figur „Céladon“ hieß und in mattgrüne Gewänder gekleidet war.

Dr. Christian Lechelt ist Leiter des Museums Schloss Fürsten­berg

Kontakt:
Museum Schloss Fürsten­berg
Meinbrexener Straße 2
37699 Fürsten­berg

Telefon: 05271/966778–10
E‑Mail: museum@fuerstenberg-schloss.com
Internet: www.fuerstenberg-schloss.com

Öffnungs­zeiten: Dienstag bis Sonntag sowie an Feier­tagen 10–17 Uhr
Eintritt: 8,50 Euro, ermäßigt: 5,50 Euro

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