Kaffee­bohnen gab es beim Apotheker

Kaffeemarke von Jürgens-Kaffee. Foto: privat.
Kaffeemarke von Jürgens-Kaffee. Foto: privat.

Die neue Publi­ka­tion von Peter Albrecht in der Reihe der Braun­schweiger Werkstücke beleuchtet die Geschichte des Kaffees in Braun­schweig.

Seit dem 18. Jahrhun­dert können Braun­schweiger diesen Luxus genießen. Wie aber kamen die Braun­schwei­ge­rinnen und Braun­schweiger an die Bohnen für eine Tasse Kaffee. Dieser Frage ging Autor Peter Albrecht, Histo­riker und Soziologe, in seinem jetzt vorge­legten Buch „Braun­schweig und der Kaffee“ nach.

Wer Kaffee trinken wollte, musste zualler­erst den Rohkaffee impor­tieren. Costa Rica, Äthiopien – der Duft der weiten Welt in Braun­schweig. Der Handel lief über Rohkaf­fee­agenten, die die Waren dann an die lokalen Händler weiter­gaben. Das war „nichts für schwache Nerven“, wie Albrecht feststellt. Rohkaf­fee­par­tien waren meist nicht groß, kaufte ein Agent zu schnell, bekam er vielleicht kurze Zeit später ein günsti­geres Angebot, ließ er sich zu viel Zeit, hatte vielleicht ein Mitbe­werber ihm den Kaffee schon wegge­schnappt. Käufer bekamen ihre Bohnen beim Apotheker, beim Krämer und beim Viktua­li­en­händler, heute gehen sie in den Super­markt, vielleicht noch in den Dritte-Welt-Laden.

1953: Kafee wieder Volks­ge­tränk

Aber Kaffee ist nicht gleich Kaffee. Denn es existierten zahlreiche „Ersatz­pro­dukte“, Malzkaffee, Getrei­de­kaffee, Schon­kaffee, Reform­kaffee. Alle warben mit dem „echten Kaffee­ge­schmack“ und besonders gesunden Zutaten. Echter Bohnen­kaffee war lange ein Luxus­pro­dukt, das sich nur wenige Haushalte leisten konnten. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg sorgte die Kaffee­be­wirt­schaf­tung dafür, dass „echter“ Kaffee wieder äußerst schwierig zu bekommen war. Erst 1953 konnte eine Braun­schweiger Zeitung wieder titeln „Kaffee wieder Volks­ge­tränk“, was sich ausdrück­lich auf Bohnen­kaffee und nicht etwa auf Zicho­ri­en­kaffee oder ähnliches bezog.

Heimbs Kaffee sorgte für Furore

Braun­schweig und der Kaffee – da denken viele vor allem an Heimbs. 1880 gründete Ferdinand Eichhorn das Unter­nehmen als „Spezi­al­ge­schäft in Kaffee und Thee“ Seit 1887 röstete Eichhorn seinen Kaffee selbst und betei­ligte sich 1894 an einer Dampf­rös­terei. 1920 stieg Carl Heimbs als Teilhaber in die Firma, seit 1934 firmierte das Unter­nehmen als „Heimbs Kaffee“. Furore machte Heimbs 1954 mit der Einfüh­rung des Aerotherm Röstver­fah­rens, bei dem die Kaffee­bohnen in einem heißen Luftstrom geröstet wurden.

Aber wer kennt schon Jürgens, Roever, König & Nickel, Zörner und Ulli? Sie alle rösteten im 20. Jahrhun­dert in Braun­schweig Rohkaffee. Das Rösten des Kaffees war entschei­dend für den Geschmack des Getränks und über die Methode gab es emotio­nale Ausein­an­der­set­zungen. War es anfangs die Aufgabe der Hausfrau, die benötigte Menge Rohkaf­fees über dem heimi­schen Herd zu rösten, spezia­li­sierten sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhun­derts kleinere Händler darauf. Kugel­röster, Trommel­röster, Dampf­röster – eine eigene Wissen­schaft. Nach dem Zweiten Weltkrieg traten die Großröster auf den Markt, die die kleinen Röster vom Markt verdrängten, jedoch auch gegenüber der national operie­renden Großkon­zerne aufgeben mussten. In den letzten Jahren entstehen vermehrt wieder kleine Röste­reien, die ihren Kunden direkt impor­tierte und selbst geröstete Kaffees anbieten.

Albrecht konzen­triert sich bei seinen Unter­su­chungen ganz auf Braun­schweig. Dabei ist die Stadt an der Oker nicht gerade als Kaffee­stadt bekannt wie Hamburg, Bremen oder Amsterdam. Hier wurde nur in einigen wenigen Fällen wirklich Kaffee­ge­schichte geschrieben. Aber für die Geschichte des Kaffees sind die Verhält­nisse in Braun­schweig durchaus inter­es­sant – auch weil es die erste derartige Unter­su­chung für eine einzelne Stadt ist.

Der Autor hat mit Förderung der Braun­schwei­gi­schen Stiftung ein reich­hal­tiges Buch vorgelegt, das nicht nur Kaffee­freunden spannende Geschichten zu ihrem Lieblings­ge­tränk bietet. Auch Sozial- und Wirtschafts­his­to­riker finden manche neue Erkenntnis. Albrecht wertete dabei vor allem Braun­schweiger Zeitungen und ihre Anzeigen aus und rekon­stru­iert so Röste­reien und Verkaufs­stellen und ihre Geschichte. Vor allem wird deutlich wie sich auch der Handel und das Geschäfts­leben in Braun­schweig verändert hat. Als Albrecht, der 1954 eine Lehre bei Heimbs & Sohn begann, konnte er sich nicht vorstellen, dass es 50 Jahre später nur noch diese eine Rösterei in Braun­schweig geben würde. Und dass es Café Wagner und Café Tolle nicht mehr geben würde, ebenso wenig den Lebens­mit­tel­laden und den Milch­händler um die Ecke. Am Beispiel des Kaffees wird deutlich wie sehr techni­sche Entwick­lungen auch unseren Alltag verändert haben. Und nach der Lektüre – eine gute Tasse Kaffee.

Infor­ma­tion

Peter Albrecht: Braun­schweig und der Kaffee. Die Geschichte des Röstkaf­fee­marktes von den Anfängen bis in unsere Tage. Göttingen 2019 (= Braun­schweiger Werkstücke 119).

502 Seiten, 34,90 €

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