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Große Herausforderung: Verdoppelung der Einwohnerzahl

Wilhelm Pockels mit Amtskette. Foto: Stadtarchiv
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Geschichte(n) aus dem Braunschweigischen, Folge 31: In die Ägide von Oberbürgermeister Wilhelm Pockels fiel die Stadterweiterung nach Ludwig Winters Plänen mit der Anlage des Wilhelminischen Rings.

„Hoffmann übergab Markurth die Amtskette“ – so lautete die Überschrift der Braunschweiger Zeitung in ihrer Ausgabe vom 31. Juni 2014. An den jüngsten Wechsel im Amt des Oberbürgermeisters von Dr. Gert Hoffmann zu Ulrich Markurth werden sich wohl die meisten Braunschweigerinnen und Braunschweiger noch erinnern. Neu wird für die meisten aber sein, dass Wilhelm Pockels (1832 – 1904) der erste war, der jene Amtskette tragen durfte. Die 1881 angefertigte Kette, trugen und werden auch künftig alle Braunschweiger Oberbürgermeister seither zu festlichen Anlässen tragen. Die Goldkette zeigt das Konterfei von Herzog Wilhelm (1806 – 1884) und das Stadtwappen. Gefertigt hat sie die kaiserliche Berliner Hof-Goldschmiede mit dem schmucken Namen D. Vollgold & Sohn. Angeblich soll sie damals 275 Reichsmark gekostet haben.

Von 74.000 auf 130.000 Einwohner

Und noch etwas ist während der Amtszeit von Wilhelm Pockels (1879 – 1904) entstanden, das heute jede Braunschweigerin und jeder Braunschweiger bestens kennen. Die Rede ist vom Ring. Der Stadterweiterungsplan von Ludwig Winter wurde unter Pockels Ägide zu großen Teilen umgesetzt. Braunschweig platzte aus allen Nähten. Industrialisierung mit den neuen Arbeitsplätzen am Rande der Stadt und sinkende Sterblichkeit führten nahezu zu einer Verdoppelung der Einwohnerzahl während Pockels Amtszeit, schreibt Claudia Böhler in ihrem Beitrag über Pockels im von der Braunschweigischen Landschaft herausgegeben Buch „Die Braunschweiger Bürgermeister“. Während 1879 erst 74.000 Menschen in Braunschweig lebten, so waren es1904 schon 130.000.

Anfangs kritisch beäugt

Bei Amtsantritt wurde der gebürtige Wolfenbütteler Pockels zunächst skeptisch beäugt. Seine vorherigen Stationen waren Bürgermeister in Seesen, Polizeipräsident in Braunschweig und Gefängnisdirektor in Wolfenbüttel. Jurist Pockels, der in Holzminden sein Abitur gemacht und in Göttingen studiert hatte, verfügte also über jede Menge der für einen Oberbürgermeister nötigen Verwaltungserfahrung. Dennoch setzte er sich nur hauchdünn im zweiten Wahlgang mit 17 von 33 Stimmen gegen Stadtrat Rittmeyer durch. Anfangs hatte Pockels durchaus mit innerstädtischer Opposition zu kämpfen. Doch Pockels Geschäftsführung und die Fortschritte bei der städtischen Infrastruktur ließen die Kritiker schnell verstummen, erläutert Claudia Böhler. Der Stadterweiterungsplan mit dem zweiten Ring um die nun vergrößerte Stadt nach dem Wallring von Peter Joseph Krahe prägt bis heute die Struktur der Braunschweiger Innenstadt.

Keine Rücksicht auf Flurstücke

Der Braunschweiger Ring fand auch Erwähnung im von Hans-Eckhard Lindemann 1999 verfassten Buch „Stadt im Quadrat: Geschichte und Gegenwart“ (Birkhäuser Verlag, Basel). Darin heißt es: „Die beginnende ungeregelte Bebauung entlang der Landstraßen verlangte eine städtebauliche Ordnung. Carl Tappes erster Stadterweiterungsplan von 1870 orientierte sich weitgehend am vorhandenen, unregelmäßigen Wegenetz und an der Flurgliederung mit der bereits bestehenden Einzelhausbebauung. Der ihm nachfolgende Stadtbautrat Ludwig Winter zeichnete 1889 konsequenter einen gerasterten Stadtentwicklungsplan auf das Kataster, ohne auf Flurstücksgrenzen und Feldwege Rücksicht zu nehmen. Grundlage des Plans waren die vorhandenen Einfallsstraßen, die durch eine Ringstraße, den Wilhelminischen Ring miteinander verbunden wurden.“

Sauberkeit und Ordnung

Neben der Stadterweiterung bezeichnete Pockels, so schreibt der Braunschweiger Historiker und Gründungsdirektor des Instituts für Braunschweigische Regionalgeschichte, Prof. Dr. h. c. Gerd Biegel, den Kampf um Sauberkeit und Ordnung in der Stadt, Steigerung und Effizienz und Leistungsfähigkeit der Stadtverwaltung sowie die Sanierung des städtischen Haushaltes als seine wesentlichen Aufgaben an. Das klingt wie eine Blaupause für folgende ebenfalls klassisch bürgerliche Oberbürgermeister wie etwa Dr. Gert Hoffmann.

Kanalisation eingeführt

Wilhelm Pockels hatte eine überaus segens- und erfolgreiche Amtstätigkeit für Braunschweig, urteilt Biegel. In Pockels Zeit wurden die Kanalisation und die Rieselfelder angelegt, der Hauptfriedhof gebaut, auch das Rathaus, das Städtische Museum sowie eine Reihe neuer Schulen. Darüber hinaus wurde der Bürgerpark erweitert sowie die Gasversorgung und die Straßenbeleuchtung eingeführt. Nicht zuletzt wegen dieser Erfolgsbilanz wurde Pockels später auch zum Präsident des braunschweigischen Landtages gewählt.

12.000 Mark Jahresgehalt

Die enorme Bedeutung von Pockels habe sich, so Claudia Böhler, auch in der Besoldung als Oberbürgermeister widergespiegelt. Während er anfangs ein Jahresgehalt von 7.500 Mark erhalten hatte, so kam er 1891 auf 12.000 Mark. Pockels genoss große Wertschätzung als pflichtbewusster, energischer und prinzipientreuer Mann. Nach seinem überraschenden Tod am 13. Januar 1904 durch einen Schlaganfall beim Neujahrsempfang des Prinzregenten des Herzogtums Braunschweig, Albrecht von Preußen, wurde er in einem städtischen Ehrengrab auf dem Hauptfriedhof beigesetzt.

„Ein beneidenswertes Ende“

„Unvergessen wird das Bild bleiben, wie ich gestern unsern Pockels bis zum letzten Moment hoch aufgerichtet sah, wie er strammen Schrittes sich hielt, bis der Tod – unser aller Meister – mit eiserner Hand ihn niederschlug. Ein beneidenswertes Ende fürwahr, das diesem Manne beschieden war. Bis zum letzten Moment konnte er in Pflichttreue seines Amtes walten. Wahrlich ein beneidenswertes Ende“, erinnerte sich der damalige Vizepräsident des Braunschweigischen Landtags, Wilhelm Semler, tags darauf an das dramatische Ableben von Wilhelm Pockels.

Ihm zu Ehren trägt übrigens die Pockelsstraße im Univiertel seinen Namen. Wissenschaftlerin Agnes Pockels, die 1932 als erste Frau die Ehrendoktorwürde der damaligen Technischen Hochschule Braunschweig erhalten hatte, hätte es natürlich auch verdient gehabt…

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