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Unsere Herzöge widerlegen eine These

Die Reiterstandbilder vor dem zerstörten Schloss. Foto: Archiv Wedemeyer
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Braunschweigs skurrile Ecken und andere Merkwürdigkeiten, Folge 47: Beinhaltung der Pferde ist kein Geheimcode früherer Bildhauer.

Die beiden Reiterstandbilder, die nach der Rekonstruktion der Fassade des Residenzschlosses wieder auf dem Schlossplatz aufgestellt wurden, führen häufig zu Diskussionen bei Besuchern. Nicht wenige behaupten, dass die Beinhaltung der Pferde Aufschluss über das Schicksal ihrer Reiter geben würden. Steht das Pferd auf allen vier Beinen, hat der dargestellte Reiter die Schlacht unverletzt überstanden. Bei einem erhobenen Bein ist er in der Schlacht verwundet, bei zwei erhobenen starb er in der Schlacht. Soweit zu der These.

Machen wir die Probe auf das Exempel vor dem Schloss: Bei unseren beiden Herzögen trifft sie nicht zu, denn beide wurden in den Schlachten tödlich verwundet, ihre Pferde heben aber trotzdem nur einen Huf. Herzog Carl Wilhelm Ferdinand (geb. 1735) starb 1806 an den Folgen seiner schweren Verletzung aus der Schlacht von Jena und Auerstädt, Friedrich Wilhelm (geb. 1771) 1815 bei Quatrebras, Belgien. Dieser vermeintliche Geheimcode unter Bildhauern ist also eine Mär.  Cecil Adams vom Chicago Reader widerlegte die skurrile Behauptung bereits vor längerer Zeit. Nach Überprüfung von 18 berühmten Reiterstandbildern, darunter auch das von Napoleon, war klar: Diese Regel existiert nicht wirklich.

Das hiesige „Denkmalscomité“, bestehend aus 28 betuchten Bürgern,  beauftragte am 1. Mai 1864 die beiden in Braunschweig lebenden Bildhauer Anton Dominik Ritter von Fernkorn und Ernst Hähnel mit der Herstellung der Reiterstandbilder. Beide hatten schon gemeinsam gearbeitet. Hähnel hatte auch die Flügelpferde an der Wiener Hofoper geschaffen, aber aus gesundheitlichen Gründen fiel er bei der Produktion aus, so dass nur nach seinem Entwurf gearbeitet werden konnte. Die Modelle wurden von Franz Pönninger in Wien angefertigt, in Braunschweig wurden die Skulpturen danach dann bis 1874 von Georg Howaldt in Kupfer getrieben.

Die detaillierte Kleidung Carl Wilhelm Ferdinands – der linke Reiter mit dem Dreispitz – richtet sich genau nach der Vorlage und wurde präzise vom „Denkmalcomité“ vorgeschrieben. Ob auch die Schrittart der Pferde, wie in solchen Fällen üblich, vorgegeben war, lässt sich heute nicht mehr mit Gewissheit sagen. Herzog Carls Pferd ist so dargestellt, als würde es gespannt auf seinen Herrn lauschen. Seine Haltung drückt freiwilligen Gehorsam aus, was durch die zwanglose Haltung der Zügel noch betont wird.

Bei Herzog Friedrich Wilhelm, dem ‚Schwarzen Herzog‘, passt aber die Pferdedarstellung nicht zu seiner Haltung. Ernst Hähnel hatte das Pferd als sehr sturmbereit, aber zurückgehalten entworfen. Doch der Herzog hält die Zügel lose, und dadurch wirkt die Dynamik des Pferdes unglaubwürdig. Der Herzog setzt der Kraft seines Pferdes keine Bremse entgegen…

Nach dem Krieg litten die beiden Reiterstandbilder unter der Zerstörung durch Buntmetalldiebe. Sie wurden aber restauriert (1964/65) und zunächst unterhalb des Löwenwalles an der Kurt-Schumacher-Straße (1973) aufgestellt. Von dort kehrten sie, erneut überarbeitet, wieder auf den Schlossplatz zurück, als dort die Fassade rekonstruiert wurde (2007).

Fotos

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