Das Selbst­ver­trauen steigt

Über die Braunschweigische Identität debattierten: Autor Peter Schanz, Ministerpräsident a.D. Gerhard Glogowski, Moderator Armin Maus, Museumsdirektorin Dr. Heike Pöppelmann, Journalist Robert von Lucius, SBK-Präsident Tobias Henkel. Foto Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz/Andreas Greiner-Napp
Über die Braunschweigische Identität debattierten: Autor Peter Schanz, Ministerpräsident a.D. Gerhard Glogowski, Moderator Armin Maus, Museumsdirektorin Dr. Heike Pöppelmann, Journalist Robert von Lucius, SBK-Präsident Tobias Henkel. Foto Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz/Andreas Greiner-Napp

Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz lud zur Exper­ten­runde in die Herzog Anton Biblio­thek nach Wolfen­büttel.

Heinrich der Löwe – das ist der kleinste gemein­same Nenner bei der Antwort auf die Frage: … was heißt hier „Braun­schwei­gisch“. Eine illustre Exper­ten­runde versuchte auf Einladung der Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz in der voll besetzten Herzog August Biblio­thek in Wolfen­büttel die besondere Leiden­schaft und die Identität der Menschen auf dem Gebiet des ehema­ligen Landes Braun­schweig zu ergründen. Unter dem Strich stand, dass erst eine Vielzahl von Ereig­nissen auf ganz unter­schied­li­chen Gebieten und in ganz unter­schied­li­chen Epochen bis in die Gegenwart hinein den Nährboden zu dem fraglos ungewöhn­lich hohen Grad der Identi­fi­ka­tion mit dem Braun­schwei­gi­schen geführt hat.

Im Zuge der lebhaften Diskus­sion wurden folgende Aspekte als nachhaltig identi­täts­stif­tend angesehen: die gemein­samen histo­ri­schen Wurzeln mit dem Ursprung beim Stadt­gründer Heinrich dem Löwen, politi­sche Entwick­lungen wie die Auflösung des alten Landes Braun­schweig 1946 oder auch der Bezirks­re­gie­rung 2004. Dazu wurden überra­gende Bauwerke wie der Kaiserdom zu Königs­lutter oder der Burgplatz in Braun­schweig und auch die Tradi­ti­ons­in­sti­tu­tionen wie die drei Landes­mu­seen in Braun­schweig oder eben der Veran­stal­tungsort, die Herzog August Biblio­thek in Wolfen­büttel, genannt. Der Sport war mit Eintracht Braun­schweig gleich mehrfach Thema. Auch die Zukunfts­fä­hig­keit, die mit dem Titel Stadt der Wissen­schaft 2007 unter­stri­chen wurde, gilt als einschnei­dendes Ereignis für die braun­schwei­gi­sche Seele.

Die Einfüh­rung in die Veran­stal­tung anläss­lich des zehnjäh­rigen Bestehens der Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz lieferte Präsident Dr. Gert Hoffmann gleich mit der Begrüßung. „Es gibt kaum eine Region in Deutsch­land, die so kompli­ziert aufge­stellt und schwer zu definieren ist, wie die des alten Landes Braun­schweig“, sagte er. Und doch gebe es auch heute noch Zusam­men­halt bis nach Holzminden, nach Theding­hausen bei Bremen oder nach Hessen in Sachsen-Anhalt. „Braun­schwei­gi­sche Identität – das ist noch aktuell und eine spannende Frage­stel­lung“, lud er zur Debatte.

„Es gibt natürlich neue Heraus­for­de­rungen, aber die Geschichte spielt für die Identität eine große Rolle“, erklärte Dr. Heike Pöppel­mann, Direk­torin des Braun­schwei­gi­schen Landes­mu­seums, in der vom Chefre­dak­teur der Braun­schweiger Zeitung, Armin Maus, gelenkten Gesprächs­runde. Sie erinnerte daran, dass die Gründung ihres Museums 1891, damals Vater­län­di­sches Museum, schon von engagierten Bürgern forciert worden war, die bereits um den Verlust der eigenen Identität fürch­teten. Für Dr. Pöppel­mann ist das ein Beleg dafür, dass Identität sehr viel mit Emotionen zu tun hat. Schließ­lich galt die erste Ausstel­lung damals dem im Land Braun­schweig hoch verehrten „Schwarzen Herzog“, Friedrich-Wilhelm, der schon 75 Jahre zuvor im Kampf gegen Napoleon gefallen war.

Für Gerhard Glogowski hat sich die braun­schwei­gi­sche Identität gleich­wohl in den vergan­genen Jahren erheblich verändert: Einst war sie, in die Vergan­gen­heit gerichtet, vor allem vom Stolz geprägt, im Mittel­alter Zentrum europäi­scher Politik gewesen zu sein. Heute ist vor allem auch dank der positiven Entwick­lung seit der Wieder­ver­ei­ni­gung Deutsch­lands ein deutlich gestie­genes Selbst­wert­ge­fühl auszu­ma­chen. Für Glogowski stellt Wolfsburg mit Volks­wagen dabei einen Teil des Braun­schwei­gi­schen dar. „Wir müssen uns der Region zuwenden. Wir haben da Handlungs­mög­lich­keiten und Chancen“, sagte er. Er forderte, dass sich Braun­schweig und Wolfsburg auf Augenhöhe begeg­neten. Dabei vermisse er aber das klare Bekenntnis aus Wolfsburg für die Kultur in Braun­schweig. Für die weitere Regions­de­batte wünschte er Wolfsburg mehr Gelas­sen­heit und Braun­schweig weiterhin Stand­haf­tig­keit.

Obwohl er lediglich in zwei Abschnitten einmal für zwei und einmal für vier Jahre in Braun­schweig gelebt habe, sei er beken­nender Wahl-Braun­schweiger, versi­cherte Peter Schanz, Autor und Theater­re­gis­seur. In seinen Arbeiten wie „Braun­schweich, Braun­schweich!“ oder „Ölper 12 Points“ habe er gemeinsam mit der Jazzkan­tine versucht, dem Phänomen der braun­schwei­gi­schen Identität spiele­risch auf die Spur zu kommen. „Ich bin das erste Mal an diesem überdi­men­sio­nierten Bahnhof angekommen in der Stadt, die ich dann erst suchen musste“, nahm er Braun­schweig auf die Schippe, schwärmte aber vom Einbiegen auf den Steinweg und dem Blick auf das imposante Staats­theater. Schanz wies auf Charak­ter­merk­male der hier behei­ma­teten Menschen hin, die für ihn auch das Braun­schwei­gi­sche ausmachen: Wider­stands­fä­hig­keit, ein Hang zur Selbst­ironie, wie die Publi­kums­er­folge seiner Stücke tatsäch­lich beweisen, und die für ihn sympa­thi­sche Zurück­hal­tung.

Robert von Lucius, ehema­liger Nieder­sachsen-Korre­spon­dent der Frank­furter Allge­meinen Zeitung, stimmte dieser Einschät­zung nicht zu. Er merkte während der Diskus­sion an, dass Braun­schweigs Vorzüge, ob nun Museen, Forschungs­ein­rich­tungen oder auch histo­ri­sche Bauten, national nicht genügend bekannt seien. „Braun­schweig hat so viel zu bieten, dass es größere Aufmerk­sam­keit allemal verdient hätte“, sagte er. Er riet davon ab, Hannover als vergleich­bare Stadt heran­zu­ziehen. Dafür tauge Bremen aufgrund seiner ähnlichen Bürger­ge­sell­schaft viel eher. Das Bewusst­sein der Braun­schweiger Beson­der­heit müsse stärker der Zukunft zugewandt sein, meinte er.

Für Tobias Henkel, Direktor der Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz und als einziger Podiums­gast im Braun­schweiger Land geboren, ist der Braun­schweiger per se auf der Suche nach der eigenen Identität. „Er stellt sich permanent die Frage, was ihn bedroht“, versi­cherte Henkel. Die drei Landes­mu­seen in Braun­schweig und die Herzog August Biblio­thek in Wolfen­büttel als Insti­tu­tionen stellen für ihn Eckpfeiler der Identität dar. „Und deswegen stehen sie zu Recht unter verfas­sungs­recht­li­chem Schutz“, erklärte der SBK-Direktor. Alle Einrich­tungen werden von der SBK als so genannte überkom­mene Einrich­tungen dauerhaft unter­stützt.

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