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Der Loewe - Journal der Braunschweigischen Stiftungen
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„Ich möchte Schulbücher für den Geschichtsunterricht untersuchen – hätten Sie da etwas?“ Diese Frage kann Kathrin Henne vom Informationszentrum Bildungsmedien am Georg-Eckert-Institut mit einem definitiven „Ja!“ beantworten. Über einen einmaligen Forschungsort mitten in Braunschweig.

Wer zum ersten Mal die Räume der Forschungsbibliothek des Leibniz-Instituts für Bildungsmedien|Georg-Eckert-Institut (GEI) betritt, sieht sehr schnell: Die haben nicht nur ,etwas‘. Dort befindet sich die weltweit größte Sammlung von Bildungsmedien in Form von Schulbüchern, Lehrplänen und schulischen digitalen Bildungsmedien der Fächer Geschichte, Geographie, Sozialkunde/Politik, Werteerziehung/Religion sowie deutschsprachigen Lesebüchern und internationalen Fibeln.

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Objekt des Monats, Folge 13: Der mit Tulpen verzierte Schrank der letzten Äbtissin von Gandersheim.

Frühlingsduft liegt in der Luft! Mit den ersten warmen Sonnenstrahlen kündigt sich der Frühling an und lässt die Natur zu neuem Leben erwachen. Zu den schönsten Frühlingsboten gehören Tulpen. Seit alters her gelten Tulpen als Symbol für neues Leben, Liebe und Hoffnung. Nicht nur in Vasen, auf dem Balkon, Parkanlagen oder auf ganzen Feldern finden sich die Frühlingsboten, sondern ganzjährig auch auf Kunstobjekten vergangener Zeiten.

Ein besonderes Möbelstück des 18. Jahrhunderts

Vielleicht nicht gleich auf den ersten, jedoch spätestens auf den zweiten Blick offenbart sich das Tulpenmotiv: Ein Strauß aus drei prächtigen Tulpen ziert beide Seiten eines Schrankes, der einst im Besitz von Auguste Dorothea von Braunschweig-Wolfenbüttel war (Abb. 1 und 2). Die jüngste Tochter des Braunschweiger Herzogs Carls. I. und dessen Gemahlin Philippine Charlotte von Preußen war von 1778 bis zu ihrem Tod im Jahr 1810 die letzte Äbtissin des Reichsstifts in Gandersheim, das danach aufgelöst wurde.

Das dekorative Tulpendetail befindet sich jeweils auf der linken und rechten Seite.

Das dekorative Tulpendetail befindet sich jeweils auf der linken und rechten Seite. Foto: Der Löwe

Aus dieser Zeit stammt auch der etwa ein Meter hohe Schrank aus dem Frühklassizismus, der mit verschnörkelten Elementen des Rokoko dekoriert ist. Neben dem mit Blattornamenten versehenen, bekrönten Monogramm Auguste Dorotheas, das unter einem Baldachin zu sehen ist, gehören dazu auch die aus gefärbtem Holz gestalteten Tulpensträuße. Diese zieren – ebenso wie weitere florale Motive – als kunstvolle Einlegearbeiten, sogenannte Marketerien, den Korpus des Schrankes. Marketerien waren ein zentrales Gestaltungsmerkmal des Rokoko. Sie konnten aus verschiedenen Hölzern, Perlmutt oder Elfenbein bestehen. Bei dieser Technik wurden mit einer hohen Präzision die jeweiligen Motive in die Holzoberfläche eingearbeitet und zusammengesetzt, wodurch eine fast malerische Wirkung geschaffen wurde. Die Tulpe passte mit ihren geschwungenen Blütenformen als dekoratives Element nahezu perfekt zur verspielten Ästhetik des Rokoko. Über der abschließbaren Tür des Schrankes befindet sich eine Schublade, die mit zwei Messinggriffen in Form von Blättern versehen ist.

Luxus, Eleganz und Vergänglichkeit

Bei den Tulpen, die hier mit einer Schleife als Strauß zusammengebunden sind, handelt es sich um die Sorte Semper Augustus, was so viel wie „immer erhaben“ bedeutet. Die mittlerweile ausgestorbene Tulpensorte galt als eine der bekanntesten und kostspieligsten Blumen, die sich ausgehend von den Niederlanden seit dem 17. Jahrhundert vor allem in wohlhabenden Kreisen als Statusobjekt großer Beliebtheit erfreute. Sie war jedoch nicht nur ein Symbol für Luxus, Eleganz und Reichtum, sondern auch für Vergänglichkeit. Ihre kurze jährliche Blütezeit erinnerte an die Endlichkeit des Lebens und weltlichen Reichtums. Diese Bedeutung war besonders in der barocken Vanitas-Malerei verbreitet, die die Vergänglichkeit des Lebens thematisierte. Aber auch im Rokoko setzte sie sich weiter fort, oft jedoch in einer spielerischeren Weise, wie auch hier zu sehen.

Erinnerungen an die „Tulpenmanie“

Das Motiv der Semper Augustus erinnert zudem an eine der ersten Spekulationsblasen der europäischen Geschichte: die sogenannte „Tulpenmanie“ in den Niederlanden. Denn die heute bei uns verbreitete Zierpflanze kam erst im Zuge der immer weiter ausgreifenden europäischen Handelsnetze Mitte des 16. Jahrhunderts aus dem Osmanischen Reich nach Europa. Die Zucht von immer komplexer gemusterten Sorten wurde besonders in den Niederlanden betrieben.

Eine zeitgenössische Darstellung der Tulpenart "Semper Augustus", vor 1640. Bild: Wikimedia Commons (gemeinfrei).

Eine zeitgenössische Darstellung der Tulpenart „Semper Augustus“, vor 1640. Bild: Wikimedia Commons (gemeinfrei).

Dort entwickelte sich im Laufe des ausgehenden 16. und beginnenden 17. Jahrhunderts auch ein reger Markt für Tulpenzwiebeln mit teils hohen Preisen: So ist für die seltene Semper Augustus für das Jahr 1623 pro Zwiebel ein Preis von 1.000 Gulden erzielt worden. Zum Vergleich: Das durchschnittliche Jahreseinkommen lag bei etwa 150 Gulden. Nach einem rasanten Preisanstieg besonders Anfang 1637 fanden sich Anfang Februar bei einer Versteigerung in Haarlem aber wider Erwarten keine Käufer mehr, die die aufgerufenen Preise zahlen wollten oder konnten. Innerhalb weniger Tage brach dadurch der gesamte Tulpenmarkt in den Niederlanden zusammen, und der Wert besonders hoch geschätzter Tulpensorten fiel um bis zu 95 Prozent.

Die Historikerin Anne Goldgar hat sich intensiv mit der Krise beschäftigt und gezeigt, dass der Handel mit Tulpenzwiebeln vor allem ein Phänomen gehobener Schichten und damit einer Minderheit war, und sich der wirtschaftliche Schaden des Zusammenbruchs in Grenzen hielt. Dennoch wurde das Geschehen schnell in Satire und bildender Kunst verarbeitet und oft im Rahmen moralischer Kritik an zügelloser Gier als Paradebeispiel angeführt. Die hübschen Frühlingsboten trugen als Motiv also sowohl einen Hauch der Exklusivität als auch eine Warnung mit sich.

Der Schrank aus der Sammlung der Richard Borek Stiftung kann bis zum 31. August 2025 in der Sonderausstellung „ResidenzWechsel“ im Weißen Saal des Schlossmuseums Braunschweig betrachtet werden.

Gute Gründe zum Feiern mit umfangreichem Programm: 750 Jahre Kirchweihe und 50 Jahre Rettung vor dem Verfall.

Wir schreiben das Jahr 1968. Die Klosterkirche ist schon seit einigen Jahren wegen akuter Baufälligkeit geschlossen. Gottesdienste finden, als Pastor Armin Kraft (1941-2022) seine neue Stelle in Riddagshausen antritt, nur noch in der Frauenkapelle statt. Richard Borek II. (1911-1993) pflegt morgens stets einen Spaziergang zu unternehmen.

Dabei blickt er oft hoch zur Wetterfahne auf dem Turm der Klosterkirche, um die Windrichtung zu erfahren: gutes Wetter vom Osten, Regen vom Westen. Doch diesmal bewegt sich da oben nichts mehr. Die defekte Wetterfahne wurde damals zum Symbol des desolaten Zustands der Klosterkirche. Die reparierte Fahne steht heute für die erfolgreiche Sanierung der Klosterkirche, die mit der Einweihung 1975 zur 700-Jahr-Feier abgeschlossen wurde.

Schreckgespenst Abriss

Es war ein schöner Erfolg für Pastor Kraft und „Macher“ Borek, die sich trotz großen Altersunterschieds bestens verstanden und ein gemeinsames Ziel verfolgten. Dank ihrer Initiative und Anstrengungen ist die Klosterkirche immer noch gerüstet für 750 Jahre Kirchweihe in diesem Jahr. Damals machte schon das Schreckgespenst Abriss die Runde. Die Klosterkirche wäre womöglich heute nur eine Ruine, weil andere Dinge der Stadt wichtiger erschienen.

Henning Borek, heute Vorsitzender Förderverein Riddagshausen - Naturschutz und Bürgerschaft, der damalige Pastor Armin Kraft und Richard Borek III.

Henning Borek, heute Vorsitzender Förderverein Riddagshausen – Naturschutz und Bürgerschaft, der damalige Pastor Armin Kraft und Richard Borek III., hatten neben Richard Borek II. großen Anteil an der Sanierung der Klosterkirche vor 50 Jahren. Foto: privat

Basis der Sanierung war die Gründung der Bürgerschaft Riddagshausen (heute Förderverein Riddagshausen – Naturschutz und Bürgerschaft). Die Vereinsgründung und der Einsatz von Richard Borek II. ermöglichte das Einwerben von Drittmitteln von Landeskirche, Stadt und Denkmalpflege.

Im Grunde gibt es in diesem Jahr sogar ein drittes Jubiläum zu feiern: Denn nach der Sanierung übernahm Henning Borek die Führung der Bürgerschaft. Sein Bruder Richard Borek III. und Armin Kraft hatten ihn dazu ermuntert. Henning Borek ist also seit 50 Jahren im Amt und im Einsatz für Riddagshausen und die Klosterkirche. „Die Leistung der Altvorderen ist auch Auftrag für die nachfolgende Generation“, sagt Henning Borek zu seinem Engagement, das längst zur eigenen Passion wurde.

Neuer Reparaturstau

Rund 40 Jahre nach der Sanierung stand die Zukunft der Klosterkirche wegen massiven Reparaturstaus erneut auf wackeligen Beinen. Es gelang aber der Richard Borek Stiftung, gemeinsam mit der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz und der Evangelischen Stiftung Neuerkerode, erneut die eindrucksvolle Klosterkirche als stark identitätsstiftenden Ort zu erhalten. Durch die Auflösung der Jägerhofstiftung nach dem Zweiten Weltkrieg war die Bauunterhaltung der Klosterkirche an die Stadt Braunschweig gefallen, die aber ihrer Verpflichtung nicht ausreichend nachkam.

Es konnte eine umfassende Vereinbarung geschlossen werden. Danach sind neben der Klosterkirche auch Frauenkapelle, Klostergarten und Streuobstwiese, Gärtnerei, Kloster, Zisterziensermuseum, Bockwindmühle, Jägerhof, Gaststätte Grüner Jäger und weitere Wohngebäude mit Wirkung vom 1. Januar 2014 in das Eigentum der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz übergegangen. Die Evangelische Stiftung Neuerkerode pachtete einen Großteil der Grundstücke für 99 Jahre.

Umfangreiches Festprogramm

Anlässlich der 750-jährigen Kirchweihe der Klosterkirche Riddagshausen lädt die Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz zusammen mit der Kirchengemeinde Riddagshausen-Gliesmarode, der Evangelischen Stiftung Neuerkerode und der Richard Borek Stiftung Besucherinnen und Besucher ein, gemeinsam die Vielfalt der Klosterkirche zu feiern. Zu diesem besonderen Jubiläum ist ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm geplant. Die Broschüre der Gemeinde können Sie hier herunterladen.

Titelseite der Broschüre zu 750 Jahre Klosterkiche Riddagshausen

Titelseite der Broschüre zu 750 Jahre Klosterkiche Riddagshausen. Foto: Kirchengemeinde Riddagshausen-Gliesmarode

 

29. März: Renaissance-Musik und Videokunst. Capella de la Torre: The Elements – Living Earth (20 Uhr). Capella de la Torre zählt zu den weltweit führenden Ensembles für Bläsermusik der frühen Neuzeit. Besonderer Höhepunkt sind die Projektionen mehrerer Video-Kunstwerke von Jean-François Guiton.

bis 3. April: Fotoausstellung in der Klosterkirche. Elena Kaufmann: Der Weiße Faden. Das Kunstprojekt beschäftigt sich mit der vorurteilsfreien Begegnung von unbekannten Menschen.

13. April: Eiermarkt am Palmsonntag in der Klosterkirche. Nach dem 11-Uhr-Gottesdienst ist der Markt in der Zeit von 12–16:30 Uhr für Besucher geöffnet. Im Hohen Chor wird ein festlich gedeckter Abendmahlstisch zu sehen sein. Die Aussteller bieten österliches Kunsthandwerk zum Schmücken des Osterfests an.

14. Juni: 7. Riddagshäuser Zisterziensertage. Ein traditionsreiches regionalgeschichtliches Symposium im Management-Marketing-Institut (10–16 Uhr). Beleuchtet werden die besonderen Aspekte der Geschichte der Zisterzienser in Norddeutschland. Dazu gehört auch die Geschichte der Riddagshäuser Abtei im Kontext der wechselvollen Geschichte der Stadt Braunschweig und des Fürstentums Braunschweig-Wolfenbüttel.

15. Juni: Festgottesdienst 750-Jahre Klosterkirche (11 Uhr). Am Trinitatis-Sonntag hält Landesbischof Dr. Christoph Meyns die Predigt des Festgottesdiensts. Anschließend wird im Garten der Geburtstag mit Überraschungsgästen gefeiert.

29. Juni–10. August: 22. Internationaler Riddagshäuser Orgelsommer, Konzerte jeweils sonntags (17 Uhr). 29. Juni: Ourania Gassiou und Eleni Keventsidou (London/GB, Athen/GR), 6. Juli: Martin Setchell (Christchurch/NZ), 13. Juli: Alma Bettencourt (Paris/F), 20. Juli: Hector Olivera (Sarasota/USA), 27. Juli: Alexander Flood (London/GB), 3. August: Colin Mark Andrews (Franklin/USA), 10. August: Hans-Dieter Karras

2. Juli: Der Dresdner Kreuzchor zu Gast in Riddagshausen (19:30 Uhr). Seit mehr als 800 Jahren bewegt der Chor mit seinem Gesang die Menschen, seit Hunderten von Jahren strömen sie in die Dresdner Kreuzkirche am Altmarkt, um die Kruzianer singen zu hören. Ein Gastkonzert des Kreuzchors unter Kreuzkantor Martin Lehmann bringt diese Magie der Musik nach Riddagshausen.

16. August: Die Musik der Hildegard von Bingen. Ars Choralis Coeln, Ordo Virtutum (20 Uhr). Hildegard von Bingen (1098–1179) hat mit ihren visionären Schriften und Gesängen eine Art theologisches Gesamtkunstwerk hinterlassen. Die Musik wurde für diese Inszenierung aus dem Original transkribiert. Mit dem Ensemble Ars Choralis Coeln wird die Aufführung eine visuelle und akustische Zeitreise.

30.–31. August: Riddagshäuser Dorfmarkt. Buntes Treiben rund um die Klosterkirche (11–18 Uhr). Erwartet werden mehr als 130 Aussteller, die alte Handwerkstechniken wie Filzen, Korbflechten, Puppenherstellung, Klöppeln, Steinmetzarbeiten und Drechslerei hautnah präsentieren. Musikalisch unterhalten werden die Besucher vom Philharmonic Volkswagen Orchestra und den Krazy Kats.

5. Oktober: Erntedankfest mit Herbstmarkt (11 Uhr). Der reich geschmückte Altar mit Erntegaben und die Erntekrone schmücken die Klosterkirche und stehen für die Dankbarkeit für eine reiche Ernte. Im Anschluss an den Gottesdienst beginnt im Klostergarten ein buntes Markttreiben mit Kunsthandwerk und Kulinarischem.

9. November: Martinsmarkt (11–17 Uhr). Nach dem Gottesdienst erwartet die Besucher auf dem Gemeindehof und im Gemeindehaus ein Martinsmarkt mit Kunsthandwerk.

Mehr zur Klosterkirche Riddagshausen

Video: Die Klosterkirche und ihre Geheimnisse
Video: Braunschweigische Spaziergänge: Riddagshausen
Video: Das Klostergut Riddagshausen

Das alte Opern- und Schauspielhaus am Hagenmarkt in Braunschweig zählte im 18. und 19. Jahrhundert zu den großen Musikhäusern in Norddeutschland. Nicht nur wegen seiner hervorragenden Akustik, sondern auch wegen der damals  modernen Bühnentechnik. Der Name des großen zeitgenösssichen Bühnenbildners Johann Oswald Harms (1643-1708), der auch mit der berühmten Hamburger Oper zusammenarbeitete, stand für das „größte, prächtigste und schönste […] Theatrum“ seiner Zeit.

Das Haus war eine herzogliche Einrichtung, nicht der Braunschweiger Bürger! Der theaterbegeisterte Herzog Anton Ulrich (reg. 1685-1714) ließ sich den Bau 27.000 Reichstaler kosten, und er entstand unter der Federführung von Anton Ulrichs Hofbaumeister Hermann Korb. Umgebaut wurden das alte, nach 1671 nicht mehr benötigte Rathaus des Weichbildes Hagen und dessen Gewandhaus. Am 2. Februar 1690 wurde es mit einer Aufführung der Oper „Cleopatra“ eröffnet (Musik von Johann S. Kusser). Die Uraufführungen  von G. E. Lessings Emilia Galotti anläßlich des Geburtstages von Herzogin Philippine Charlotte am 13. März 1772 und Goethes „Faust“ (Teil I) im Jahr 1819 belegen den nationalen Rang der Spielstätte.

Johann Oswald Harms, Bühnenentwurf für eine unbekannte Aufführung im Opernhaus, Aquarell 1691.

Johann Oswald Harms, Bühnenentwurf für eine unbekannte Aufführung im Opernhaus, Aquarell 1691.

Das Opernhaus als Teil herzöglicher Politik

Die Herzöge, seit 1671 wieder im Besitz der größten Stadt des Landes, wollten die Bürger schrittweise für sich gewinnen, nachdem schon in den 1680er Jahren mehrere Sozialstiftungen zur Entlastung von Bedürftigen eingerichtet worden waren. Als Opernnutzer im Blick hatte man neben den zahlenden, „wohlgekleideten“  Bürgern auch an die vielen Besucher der beiden Braunschweiger Handelsmessen, die jedes Jahr seit 1681 im Februar und August zwischen Altstadt- und Kohlmarkt stattfanden.

Das Haus besaß ferner einen großen Redoutensaal, einen Festsaal zur allgemeinen Benutzung. Solange kein repäsentatives Stadtschloss vorhanden war und sich die Herzöge bis 1724 bei ihren Besuchen in Braunschweig im Burgpalast und in den umgebauten Wirtschaftsgebäuden der Riddagshäuser Zisterzienser, im Grauen Hof, aufhielten, diente auch ihnen der Redoutensaal als Feststätte.

Das Opernhaus bildete schon 1690 den nördlichen Abschluss einer zukünftigen „Residenzmeile“ in Braunschweig. Sie erhielt seit dem frühen 18. Jht. entlang des Bohlwegs das herzogliche Zeughaus (1712-1735), das „Cavaliershaus“ (1748; für adelige Hofgäste), das Collegium Carolinum (1745), die Reitbahn (1748) und als südlichen Abschluß das Graue Hofschloss (1717-1724 ff.). Das Opernhaus bildete den Auftakt zu dieser Perlschnur an höfischen Bauten inmitten Braunschweigs, die allerdings 60 Jahre brauchte, bis sie vollständig war.

Das Opernhaus im Wandel der Zeiten

Das Äußere, wie es August Beck 1714 überlieferte, machte einen schlichten Eindruck: zweigeschossig mit Mezzanin und einfacher Giebelfront nach Westen, Balkons vor der ersten Etage der Besuchersäle. Unter Carl I. wurde 1745 durch Martin Peltier die Hauptseite nach Süden an die Straße verlegt, wo auch die Zugänge lagen. Hier beeindruckte eine frühklassizistische Tempelfront mit einem Relief des Musengottes Apollon, die von zwei übergiebelten, großen Dachgauben begleitet wurde. Damit war in Richtung Residenzschloss eine repäsentative Fassade entstanden, deren Tempelfront die höfische Formensprache des Grauen Hofschlosses zitierte.

Unbekannter Maler, Opernhaus am Hagenmarkt in Braunschweig nach Umbau von 1745 mit neuer Fassade nach Süden, Gemälde um 1830.

Unbekannter Maler, Opernhaus am Hagenmarkt in Braunschweig nach Umbau von 1745 mit neuer Fassade nach Süden, Gemälde um 1830.

1861 wurde das Opernhaus am Hagenmarkt aus Gründen der Feuergefährdung geschlossen und am heutigem Standort am Ende des Steinwegs ein neues Schauspielhaus errichtet. 2025 blickt das Staatstheater in Braunschweig auf eine 335jährige Tradition zurück. Eine Auszeichnung, die gewiß nur wenige Schauspielhäuser Europas bieten können.
In der derzeitigen Ausstellung „ResidenzWechsel“ (noch bis 31. August 2025) im Schlossmuseum ist dem Operhaus eine eigene  Abteilung mit umfangreichen Betrachtungen gewidmet. Und: am Hagenmarkt finden gerade Ausgrabungen statt, die die Kellergewölbe des Opernhauses und angrenzender Gebäude freilegen – sehenswert!

„Es genügt, ein Mensch zu heißen“ – mit einem Podiumsgespräch wurde die Ausstellung „Der Weiße Faden“ in der Klosterkirche Riddagshausen feierlich eröffnet.

20 Fotografien von 20 Frauen unterschiedlichen Glaubens laden dazu ein, unser Bild vom eigenen Glauben und dem Glauben anderer kritisch zu hinterfragen. Die Ausstellung läuft bis zum 3. April 2025. Im Gespräch mit Prof. Dr. Cord Friedrich Berghahn von der TU Braunschweig und Prof. Dr. Michael Grisko von der Richard Borek Stiftung verriet Elena Kaufmann, wie es zu dieser Ausstellung kam – und auch, was Lessings „Nathan der Weise“ damit zu tun hat.

Nach einer Begrüßung durch Uta Dieterich von der Kirchengemeinde Riddagshausen, Christopher Kumitz-Brennecke von der Landeskirche Braunschweig sowie Maria-Rosa Berghahn von der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz gab die Künstlerin einen Einblick darin, wie das Fotoprojekt entstand.

Inspirationen aus Erfurt – und von Lessing

Prägend war für sie die Erfahrung der Fremdheit, als sie 2012 von Sankt Petersburg nach Erfurt zog: sowohl kulturell als auch sprachlich. „Erfurt war nicht Berlin. Ich sprach nur Englisch, aber mit mir wollte kaum jemand Englisch sprechen.“ Als junge Fotografin gelang Elena Kaufmann aber der Kontakt zur jüdischen Gemeinde Erfurt über ihr Fotoprojekt „Ein Jahr mit dem Stern“, bei dem sie das Alltagsleben in der Gemeinde begleitete. Ihre Erfahrung, trotz eines anderen Glaubens mit offenen Armen empfangen worden zu sein, wurde zur Initialzündung für das Projekt „Der Weiße Faden“: Die Frage nach der verbindenden, menschlichen Ebene trotz religiöser und kultureller Unterschiede.

Klosterkirche Riddagshausen, Seitenschiff mit Ausstellung "Der Weiße Faden", Porträtwände.

Die Porträts sind in den Seitenschiffen der Klosterkirche ausgestellt. Foto: Team Der Löwe

Dabei bildete die Beschäftigung mit Gotthold Ephraim Lessings Drama „Nathan der Weise“ ebenfalls eine Quelle der Inspiration. In dem 1779 geschriebenen und 1783 uraufgeführten Stück geht es um Toleranz und einen interreligiösen Dialog anstelle des Beharrens auf der Alleingültigkeit einer Religion. Die enthaltene „Ringparabel“ gehört zu den Schlüsseltexten der europäischen Aufklärung. Wie der Lessing-Experte Prof. Dr. Cord Berghahn betonte, ist die Frage nach dem Verhältnis Mensch-Religion ein zentraler Teil: „Wenn es um die Religion geht, geht es um den Kern des Ganzen: Aus der Religion selbst heraus zu zeigen, dass man ein Mensch sein kann.“

„Manchmal bin ich hinter den Menschen hergerannt“

Zwei Jahre lang suchte Elena Kaufmann für ihr Projekt Frauen unterschiedlicher Glaubensbekenntnisse, um sie für ihr Projekt zu gewinnen. Das war nicht immer einfach – nicht nur wegen der Corona-Pandemie. „Manchmal bin ich hinter den Menschen geradezu hergerannt“, erinnert sie sich lachend. Verschlungene und teils ganz zufällige Wege führten sie in einen hinduistischen Tempel in Hannover oder in eine einfache Wohnung im Leipzig. Oft wusste sie nicht, was sie hinter den Türen erwartete. Doch immer gelang es, einen Kommunikationsraum zu eröffnen zwischen den Menschen, in dem gegenseitiger Respekt und die Gemeinsamkeit eine zwischenmenschliche Ebene schaffen. Dieses Anliegen spiegelt sich in ihrer Ausstellung nun auch in der Klosterkirche Riddagshausen wider, die mit den hohen Decken ihrer Seitenschiffe und dem gedämpften Licht einen faszinierenden Rahmen für diese Ausstellung bietet. Inmitten dieses ehrwürdigen Ortes sind die Porträts der Frauen und ihre getrennt davon aufgestellten Glaubensbekenntnisse leise, aber kraftvolle Plädoyers für einen interreligiösen Dialog – besonders in Zeiten, in denen die Spaltung unserer Gesellschaft beängstigende Ausmaße anzunehmen scheint.

Elena Kaufmann wird neben einer Fotowand, die eine lächelnde dunkelhäutige Frau in weißem Gewand zeigt, fotografiert.

Elena Kaufmann mit einem der schönsten Porträts der Ausstellung.

Am 20.3., 18 Uhr, gibt es eine weitere Gelegenheit die Künstlerin vor Ort zu erleben: Im Gespräch mit der Leiterin des Museums für Photographie Barbara Hofmann-Johnson und Christoph Borek. Dann kann man mehr über das besondere weiße Gewand der Frauen und die über 40 Bilder erfahren, die es braucht, bis das „richtige“ Porträt sitzt.

Auftakt für „750 Jahre Klosterkirche Riddagshausen“

Die Eröffnung der Ausstellung, gefördert unter anderem von der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz, Die Braunschweigische Stiftung und der manyFACES Stiftung, markiert den Anfang des Jubiläumsjahres „750 Jahre Klosterkirche Riddagshausen“. Mit dem Wahlspruch der Zisterzienser – Die Tür steht offen, und so auch das Herz – lädt die Kirchengemeinde Riddagshausen-Gliesmarode im Jahr 2025 zu verschiedenen Veranstaltungen ein. Neben einem Video-Konzert der Capella della Torre am 29. März und einer Aufführung der Musik Hildegard von Bingens am 16. August gehört der Festgottesdienst am 15. Juni zu den weiteren Höhepunkten. Mehr Informationen zum Jubiläum stellt die Kirchengemeinde auf ihrer Website bereit.

Das Museum für Photographie in Braunschweig zeigt ein außergewöhnliches Fotoalbum. Wie es half, ein Krankenhaus zu unterstützen.

In den alten Zeiten, wo das Wünschen noch geholfen hat … lebte in Braunschweig eine Frau, die ihrer Zeit ein bisschen voraus war. Käthe Buchler, geboren 1876, war eine talentierte, ambitionierte und experimentierfreudige Amateurfotografin, die der Stadt Bilder hinterließ, die zu wertvollen Zeitzeugnissen wurden: Ihre Bilder aus den Jahren des Ersten Weltkrieges führen eindringlich vor Augen, wie es im Alltag an der „Heimatfront“ zuging. Sie fotografierte verwundete Soldaten im Lazarett, Frauen in Männerberufen und Kinder im Braunschweiger Rettungshaus, einer Erziehungsanstalt für sozial benachteiligte Jungen und Mädchen.

Logo Braunschweiger ZeitungDieser Artikel ist zuerst erschienen am 27.11.2024

Das Museum für Photographie in Braunschweig präsentiert in seiner aktuellen Jubiläumsausstellung zum 40-jährigen Bestehen aber auch die verspielte, romantische Seite der gebildeten, wohlhabenden Bürgersfrau: Käthe Buchlers Märchenalbum. Die Sammlung poetischer Inszenierungen vor allem von Märchen der Brüder Grimm entstand noch vor dem Ersten Weltkrieg. Das Fotoalbum ist datiert auf den 19. November 1909 und in der Ausstellung sorgsam hinter Glas geschützt. Familie, Freunde, Bekannte der Fotografin standen damals Pate für das Märchenpersonal der hessischen Brüder.

Käthe Buchler: Selbstporträt um 1905. Foto: Stadtarchiv | Käthe Buchler

So sehen wir ein traurig dreinschauendes, blumenbekränztes Schneewittchen mit wallendem Haar im weißen Kleid, umgeben von einem Zwergen-Trio – allerliebst dargestellt von drei Kindern mit angeklebten Rauschebärten. Unter dem Foto ist vermerkt, wer Schneewittchen darstellt: eine gewisse Elisabeth Hartwig. Für die lächelnde Gänseliesel mit ihren dicken Zöpfen hat Käthe Buchler ihre Tochter Ellen gewinnen können, die die fette Gans unter den Arm geklemmt hat. Wir sehen auch die Mutter der sieben Geißlein, die mit dem Finger droht vor dem bösen Wolf, der sich schon herangepirscht hat und seine Pranke auf eines der kleinen Geißenkinder legt. Alle Darsteller tragen Tiermasken; die Ziegenschar hat auch noch üppige weiße Kragen um die Hälse gelegt bekommen. Ob „Aschenbrödel“ im geschnürten Mieder, „Die sieben Raben“ (junge Frauen mit federbesetzten Häubchen) oder „Rotkäppchen“ mit Wein und Kuchen im Körbchen: Die Fotos sind sorgsam arrangiert und die Modelle liebevollst kostümiert und ausgestattet mit allerlei Requisiten.

Die Bilder sollten körperlich benachteiligten Kindern in Braunschweig zugutekommen

„Die Bilder dieses einmaligen Märchenbuchs dienten dazu, Geld zu sammeln für wohltätige Zwecke“, berichtet Museumsleiterin Barbara Hofmann-Johnson. Die Fotografin hatte auf der ersten Buchseite vermerkt: „Aufgenommen für den Bazar zum besten eines Krüppelheim‘s in Braunschweig“. Das Museum vermutet, dass die Spende dem Herzogin Elisabeth Hospital galt, das im Juni 1909 auf Betreiben der namensgebenden Herzogin und des damaligen Stadtrates Max Jüdel als Herzogin-Elisabeth-Heim (Landeskrüppel-, Heil- und Pflegeanstalt) gegründet worden war. Fortschritte in der chirurgischen Orthopädie sollten hier für die Behandlung körperlich benachteiligter Kinder genutzt werden.

In Käthe Buchlers Märchenalbum sind 35 Aufnahmen enthalten, die die Fotografin mit 23 Bildern des professionellen Braunschweiger Fotografen Adolph Sternitzky erweiterte. Er besaß ein eigenes Studio; die Märchenbilder von Käthe Buchler waren im Atelier ihres befreundeten Kollegen Wilhelm Müller entstanden. Das Originalbuch war der Museumssammlung 2019 überlassen worden. Bilder des Albums waren dort 2021 zum ersten Mal zu sehen gewesen: als Abzüge von Vintage-Fotografien aus dem Album sowie Neuabzüge (sogenannten Modern Prints) von digitalisierten Glasplattennegativen. Das Märchenbuch war für die Ausstellung „Double Dialoges“ erstmals digitalisiert und 2024 im Braunschweiger Stadtarchiv restauriert worden.

Nachfahren Käthe Buchlers hatten dem Museum im Jahr 2003 rund 1000 beschichtete Glasplatten, Kontaktabzüge und Abzüge überlassen. Noch in diesem Jahr sollen die letzten 300 Platten digitalisiert werden, um ihre Motive für die Nachwelt zu erhalten.

Käthe Buchler entdeckte ihre Leidenschaft für die Fotografie 1901, nachdem sie von ihrem Mann eine in Braunschweig gefertigte doppeläugige Voigtländer-Kamera geschenkt bekommen hatte. Sie versuchte es erst autodidaktisch, nahm ab 1906 jedoch an Fotografiekursen an der Lette-Schule in Berlin teil. „Dort waren Frauen zugelassen, was sonst zu jener Zeit nicht selbstverständlich war“, betont Museumsleiterin Hofmann-Johnson. Später habe Käthe Buchler ihre Bilder unter anderem in Lichtbildervorträgen gezeigt, die häufig aufklärerische und karitative Ziele verfolgt hätten.

 

Franziska Habelt, Kunstvermittlerin im Museum für Photographie in Braunschweig, zeigt das Märchenbuch der Käthe Buchler. Foto: FMN | Ann Claire Richter
Käthe Buchler: Selbstporträt um 1905. Foto: Stadtarchiv | Käthe Buchler
Rotkäppchen bringt der Großmutter Kuchen und Wein: Aus dem Märchenalbum von Käthe Buchler. Foto: Stadtarchiv Braunschweig | Käthe Buchler

Der Wolf und die sieben Geißlein: aus dem Märchenalbum von Käthe Buchler. Foto: Stadtarchiv Braunschweig | Käthe Buchler
Aschenputtel aus dem Märchenalbum von Käthe Buchler. Foto: Stadtarchiv Braunschweig | Käthe Buchle

 

Logo Braunschweiger ZeitungDieser Artikel ist zuerst erschienen am 27.11.2024 und erreichbar unter: www.braunschweiger-zeitung.de/kultur/article407588937/kaethe-buchler-eine-maerchenhafte-braunschweigerin.html

Objekt des Monats, Folge 12: Günther Kaphammels „Heiliger Abend“ aus dem Jahr 1992

Im Jahr 2025 feiern wir den 750. Jahrestag der Weihe der Klosterkirche Riddagshausen, gegründet wurde das Zisterzienserkloster bereits 1145. Zu seinen Förderern zählten die sächsischen und später braunschweigischen Herzöge sowie der Adel des Landes. Künstler trugen schon immer zur Berühmtheit des Ortes bei. Dazu gehört auch der Braunschweiger Maler und Zeichner Günther Kaphammel (1926–2002), der vor allem durch seine Aquarelle über die Region hinaus bekannt wurde. Er verfasste zudem ein Buch über den sogenannte „Goldenen Schnitt“ („Der Goldene Schnitt. Harmonische Proportionen“, Kaphammel 1999), ein Thema, mit dem er sich ein Leben lang auseinandersetzte.

1275 hatte Riddagshausen eines der modernsten Kirchengebäude

Kaphammels Werke vermitteln durch die zeichnerische Erfassung der Gebäudegefüge bei malerischer Farbigkeit die vielfältigsten Stimmungen im Klosterbereich. Sein zur Jahreszeit ausgewählter „Heiliger Abend“ aus dem Jahr 1992 zeigt, wie das farbige, warm strahlende Langhaus die Feiernden am Weihnachtsfest in der Klosterkirche geborgen umfangen hält. Mitte der 70er Jahre gestaltete Günther Kaphammel in einjähriger Arbeit die Innenmalerei der Säulenkapitelle und Gewölbebereiche der Klosterkirche.
Malerkollegen aus den 1950ern waren Wilhelm Frantzen und Robert Naumann. Ihre Reihe beginnt aber im 17. Jahrhundert mit Matthäus Merians Wiedergabe der Klosteranlage und setzt sich im darauffolgenden Jahrhundert fort mit Pascha Johann Friedrich Weitschs dichten Waldlandschaften. Wilhelm Pätz, Ludwig Tacke und Constantin Uhde schufen im 19. Jahrhundert ihre genauen Gebäudeansichten und weiten Bachlandschaften.
Das Kloster war schon sehr bedeutend, als es 1275 geweiht wurde. Die Mönche bewirtschafteten das damals in der ganzen Region modernste Kirchengebäude, das heute in Europa zu den besterhaltenen seiner Art zählt: drei vollständig eingewölbte Schiffe, ein Kapellenkranz rings um den typisch rechteckigen Chorbau und ein großes, doppeltüriges Westportal mit einer Marienfigur und Laubwerk.

Klosterkirche im Schnee. Foto: Richard Borek Stiftung

Architektur wird zur Skulptur

Die Zisterzienser bauten in Riddagshausen so, wie es die Mönche des Ordens stets taten: Architektur wird zur Skulptur. Man trifft im Baugefüge auf Hörner, Blattnester, Rosetten und abstrakte plastische Gebilde. In der Kirchenarchitektur veranschaulichen sie die Kraftmomente von Lasten und Tragen. Ihre floralen Formen sind zeittypisch botanisch bestimmbar: Eiche, Weinlaub, Efeu, Erdbeere und Löwenzahn. Laubwerk spiegelt den sogenannten hortus conclusus wieder, den beschlossenen Garten als Symbol der Muttergottes, der Schutzpatronin der Kirche. Darüber hinaus weist das Weinlaub auf Leben und Passion Christi hin.
Aber nicht nur die fortschrittlichste Baukunst im Vergleich zu den großen Kathedralen brachten die Zisterzienser mit, sondern auch ihre überlegene Systematik bei Fischzucht in großen Teichen, beim Obstanbau in weiten Gärten und beim Ackerbau durch Fruchtwechsel auf den großen Flächen. Kontakte mit ihren Schwesterklöstern in ganz Europa ließen das Wissen dieses Ordens durch die strenge Auslegung von „Bete und Arbeite“ anschwellen.
1568 kam mit der Reformation die Aufhebung des Klosters, dem bis 1690 die Einrichtung einer herzoglichen Lateinschule und bis 1809 ein Predigerseminar für die evangelische Landeskirche folgten. Geblieben sind außer der Kirche noch ein Torhausrest von ca. 1180, die Fremdenkapelle von ca. 1230 und die Siechenkapelle des Hospitals aus dem frühen 14. Jahrhundert. Den Eindruck der ehemaligen Landwirtschaft am Kloster vermitteln noch die Gebäude von Meierei, Schmiede und Schafmeisterhaus.

Weitläufige Naturlandschaft

Längst umgibt die Klosteranlage eine weitläufige Naturlandschaft, deren Zentren die noch erhaltenen elf Fischteiche sind. Zugvögel und andere Wildtiere sind hier zu Gast. 1975 erhielt diese das Prädikat „Europareservat“. Die Klosterkirche wurde nach Jahren des Verfalls vor allem durch die öffentlichkeitswirksame Unterstützung von Richard Borek II (1911-1993), dem Begründer des „Freundeskreises Riddagshausen“, saniert und 1975, im 700-jährigen Jubiläumsjahr, neu geweiht. Auch das Dorf wurde seit den 1960ern aufgewertet. Der ebenfalls durch Richard Borek geförderte Wiederaufbau großer, in Dörfern des Braunschweiger Landes abgebrochener braunschweigischer Bauernhäuser im Ortskern, stärkt den Charakter Riddagshausens als sehenswertes Ausflugsziel.

Dr. Bernd Wedemeyer ist Bau- und Kunsthistoriker.

Videos:

Video: „Braunschweigische Spaziergänge“

Die Klosterkirche und ihre Geheimnisse

Die sogenannte Braunschweiger Revolution trieb den ungeliebten „Diamantenherzog“ Karl II. (1804-1873) in die Flucht.

Am 7. September 1830 ging das Braunschweiger Schloss in Flammen auf. Eine wütende Menge stürmte die herzoglichen Privatgemächer und die benachbarte Kanzlei. Die sogenannte Braunschweiger Revolution trieb den ungeliebten „Diamantenherzog“ Karl II. (1804-1873) in die Flucht. Karls jüngerer Bruder Wilhelm (1806-1884) übernahm wenige Tage später provisorisch die Regierung.

Die Erstürmung des Schlosses brachte Diverses von dort in Umlauf, von Alltagsdingen bis zu Schrifttum, Bargeld und Kostbarkeiten. Wir können uns vorstellen, wie unübersichtlich die Lage war; zeitgenössische Darstellungen zeigen große Menschenmengen. Gegenstände wurden eingesteckt und weggeschafft, um sie vor den Flammen zu schützen. Was passierte mit diesen Sachen und mit den Menschen, die sie an sich nahmen?
In Archivakten zur Wiederbeschaffung von Gegenständen aus dem herzoglichen Besitz und aus der Staatskanzlei entsteht interessanterweise der Eindruck, als sei beim Schlossbrand nichts Besonderes passiert. Statt Plünderung und Diebstahl zu kriminalisieren, wurde nämlich auf Verständigung gesetzt. Wir entdecken sogar ein Motiv des Heldentums!

Dank an die Einwohner

Noch ein Jahr nach dem Schlossbrand wurden Gegenstände abgeliefert. Foto: Niedersächsisches Landesarchiv – Abteilung Wolfenbüttel, 12 A Neu, Fb 5, Nr. 776.

Das Herzogliche Staatsministerium bedankte sich nämlich unmittelbar nach dem Feuer mit einer Bekanntmachung in den Braunschweiger Anzeigen für den „thätig und unermüdet geleisteten Beistand“ vieler Bürger, die geholfen hatten, Akten aus der brennenden Staatskanzlei zu retten. „Bei der fraglichen Feuersbrunst sind aber auch viele Acten […] entweder ein Raub der Flammen geworden, oder auf sonstige Weise abhanden gekommen“, hieß es weiter. Das Ministerium forderte die Einwohner auf, Papiere und Gegenstände „an den Rath Wolpers im Dompropsteigebäude unverzüglich abzuliefern.“

Zentrale Anlaufstellen sollten es den Braunschweigern leicht machen, Gegenstände abzuliefern. Rat Wolpers, der zuständige Beamte, erstattete dem Ministerium regelmäßig Bericht: „Der hiesige Einwohner Söchtig, wohnhaft auf der Kaiserstraße, erschien heute [am 9. September 1830] um an mich das angeblich von ihm gerettete Große Staats Siegel abzuliefern, worüber er sich eine Bescheinigung und demnächst wegen seiner Armuth eine Erkenntlichkeit erbat. Erstere wurde ihm von mir ertheilt und wegen Letzterer desfalls zur Geduld verwiesen.“ Söchtig stellt sich also als Held dar, der das Siegel gerettet habe. Wolpers scheint nicht so recht an selbstlose Motive zu glauben. Aber das Ministerium ließ nur fraglos Quittungen ausstellen.

Schloss verspricht Wohlstand

Aus diesen Amtsvorgängen erfahren wir heute etwas mehr über die Ausstattung der herzoglichen Residenz; zum Beispiel lernen wir, dass Bücher, Bargeld, silberne Dessertmesser und Korkenzieher abgeliefert wurden. Vor allem kleine Handwerker und Tagelöhner wurden vorstellig und erhofften sich eine Belohnung. Das Jahr 1830 war schwierig gewesen, die Ernte schlecht, die Getreidepreise hoch. Herzog Karl II. hatte kaum in öffentliche Bauprojekte investiert, also waren viele Handwerker ohne Arbeit. Das Schloss wurde somit zu einem Ort, der in harten Zeiten plötzlich Wohlstand versprach, wenn man es geschickt anfing. Viele Braunschweiger – genaue Zahlen haben wir leider nicht – entschieden sich dafür, „heiße Ware“ einzureichen und stattdessen „Finderlohn“ einzufordern. Damit wurden sie nicht weiter behelligt. Um weitere Unruhe zu vermeiden, verständigten sich der Magistrat und das herzogliche Ministerium mit den Bürgern auf generelle Amnestie.

Es gab aber auch schwerere Fälle von Plünderung und Diebstahl, die tatsächlich zum Prozess führten. Die Schuhmachergesellen Werner und Henning hatten beim Schlossbrand „Pretiosen und Gelder“ gestohlen und in ihrem Rucksack außer Landes gebracht. Schmuck, Edelsteine und Siegel mit dem herzoglichen Wappen wurden von der Polizei in einem Bordell in Hannover sichergestellt. Die beiden Diebe wurden zu neun Monaten „öffentlicher Arbeitsstrafe“ verurteilt.

Heidi Mehrkens ist Lecturer in Modern European History an der schottischen University of Aberdeen. Sie lehrt und forscht unter anderem zur Kultur- und Politikgeschichte moderner europäischer Monarchien sowie zur Militär- und Mediengeschichte des 19. Jahrhunderts. Sie arbeitet derzeit zur Regierungszeit Herzog Karls II. von Braunschweig im internationalen Kontext.

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