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Ein stark identitätsstiftender Ort

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Die herausragenden Kirchen im Braunschweiger Land, Teil 3: Die Klosterkirche Riddagshausen hat entsprechend den Regeln des Zisterzienserordens keinen Turm.

Die Klosterkirche Riddagshausen St. Mariae, eingebettet in ein historisch einmaliges Ensemble aus denkmalgeschützten Gebäuden, gilt als starker identitätsstiftender Ort für das Braunschweigische Land. Sie wurde als frühgotische Pfeilerbasilika errichtet und ist eines der ältesten gotischen Bauwerke in Deutschland. Die Baulast an der Klosterkirche trägt seit 2013 die Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz (SBK). Sie hat die Liegenschaft von der Stadt Braunschweig übernommen. Hintergrund war seinerzeit ein erheblicher Sanierungsstau in Höhe von damals bezifferten 4,5 Millionen Euro, den die Stadt nicht beheben konnte, weil anderes priorisiert worden war. Seither werden bauliche Defizite Stück für Stück ausgeglichen.

Orgel saniert, Heizung neu

Das Taufbecken. Foto: Archiv Georg Renz

Zuletzt war im vergangenen Jahr eine neue Heizungsanlage installiert worden. Weihnachten war es wieder warm in dem historischen Gemäuer. Ebenfalls 2023 war zudem die Führer-Orgel restauriert worden. Ihr äußeres Erscheinungsbild lehnt sich an die 1879 abgebaute „Schwalbennestorgel“ von H. Compenius d. Ä. aus dem Jahr 1619 an. Von dieser Vorgängerorgel erhalten gebliebene Gehäuseteile wurden für die neue Orgel wiederverwendet.

Schon einmal war der Sanierungsstau der Klosterkirche enorm. Erst eine Initiative von Richard Borek II. (1911-1993) sorgte nach erfolgter Sanierung für die Wiedereröffnung zur 700 Jahr-Feier 1975. Aus der damaligen Initiative entstand zunächst die Bürgerschaft Riddagshausen und später der Förderverein Riddagshausen – Naturschutz und Bürgerschaft.

Gefördert von Heinrich dem Löwen

Im Jahr 1145 hatten Zisterziensermönche das Kloster Riddagshausen gegründet. Zwei Jahre später stellte Papst Eugen III. das Kloster unter seinen Schutz. Mit Zustimmung und Förderung Heinrichs des Löwen stiftete Ludolf von Wenden dem Kloster 45 Hektar Land. Nach einem Vorgängerbau wurde im Jahr 1216 der Grundstein für die heutige Klosterkirche gelegt, die am 15. Juni 1275 geweiht wurde. Einen Kirchturm hat sie, den Regeln des Ordens entsprechend, nicht. Das Kloster Riddagshausen war eine Filiation (Tochtergründung) des Mutterklosters Amelungsborn. Unter Kaiser Otto IV., Sohn Heinrichs des Löwen, wurde die ursprünglich, kleine romanische Vorgängerkirche abgerissen und durch den bis heute erhaltenen Bau ersetzt.

Die Kanzlei. Foto: Archiv Georg Renz

Von der frühen Anlage sind neben der Klosterkirche die Siechenkapelle (1305), ein Stück Klostermauer und der Zugang zum Kloster, das romanische Nordtor-Gebäude (1147) mit der Torkapelle und der Pförtnerzelle erhalten. Besonderheiten sind die Marienstatue über dem Hauptportal im burgundischen Stil des 13. Jahrhunderts, die reich verzierte Kanzel von Zacharias König aus dem Jahr 1622 mit dem Aufgang, der Stationen aus dem Leben Jesu zeigt, und das sechseckige Taufbecken von 1562 aus Elmkalkstein mit dem um 1620 prachtvoll geschnitzten Baldachin darüber. Der mächtige Hochaltar (1735) zeigt wichtige Szenen wie Abendmahl, Kreuzigung und Auferstehung.

Reformation im Jahr 1568

Der Braunschweiger Herzog Julius (1528-1589), der am brandenburgischen Hof eine evangelische Erziehung genossen hatte, setzte 1568 die Reformation im Land durch und führte die luthersche Lehre als Staatsreligion im Herzogtum Braunschweig ein. Seither wird die Klosterkirche Riddagshausen als evangelisch-lutherische Gemeindekirche genutzt. Vorher waren die katholische Liturgie und die Marienverehrung der Mönche Alltag im Kloster.

Die Einführung der Reformation in Braunschweig war nicht etwa ein singuläres Ereignis, sondern ein jahrzehntelanger Prozess. Im Jahr 1517 hatte Martin Luther seine 95 Thesen in Wittenberg angeschlagen. Schnell fanden seine Positionen in den großen Städten, so auch in Braunschweig unter der Bevölkerung Anhänger. Der Rat jedoch lehnte die reformatorische Bewegung aus Rücksicht auf Kaiser Karl V. und Herzog Heinrich den Jüngeren von Braunschweig-Wolfenbüttel lange Zeit ab. 1528 gab der Rat seine Zurückhaltung auf und beauftragte Johannes Bugenhagen, einen Vertrauten Luthers, mit der Erarbeitung einer neuen Kirchenordnung. Der Konflikt mit Herzog Heinrich dem Jüngeren, einer der schärfsten Gegner der Reformation, eskalierte. Das Herzogtum trat erst nach Heinrichs Tod (1568) zur Reformation über.

Zerstört und ausgeplündert

Das Hauptportal (ohne die seinerzeit in Restauration befindliche Marienstatue). Foto: Georg Renz

Das Kloster Riddagshausen wurde im Zuge der Streitigkeiten zwischen protestantischen Braunschweiger Bürgern und dem Herzog mehrfach zum Schauplatz von Kampfeshandlungen, zerstört und ausgeplündert. Nach der endgültigen Einführung der Reformation wurde der Konvent als protestantische Klosterschule erhalten. Der Leiter trug weiterhin den Titel „Abt“. Die Zisterzienser haben nicht nur im Kloster Spuren hinterlassen. Auch die Teiche, allen voran das Aushängeschild Kreuzteich, haben sie angelegt und damit eines der schönsten Naherholungsgebiete im Braunschweiger Land geschaffen.

Zuletzt hatte die Klosterkirche trotz ihrer großen Beliebtheit und ihrer exponierten Lage keinen leichten Stand im Kreis der sieben Profilkirchen der evangelisch-lutherischen Landeskirche Braunschweig. Dafür waren im Wesentlichen zwei Gründe verantwortlich: Zum einen gab es einen erheblichen Sanierungsstau, zum anderen sollte die Stelle des Pfarrers an der Klosterkirche nach dem Weggang von Pastor Bernhard Knoblauch wegen der Neuordnung der Verantwortungsbereiche der Kirchengemeinde Riddagshausen-Gliesmarode nicht neu besetzt werden.

Herausragende Pastore

Nach intensiven Bemühungen durch den Kirchenvorstand und mit Hilfe der Richard Borek Stiftung ist seit dem 1. April 2021 mit Ulf Weber wieder ein Pfarrer für allgemeinkirchliche Aufgaben in der Klosterkirche zuständig. Seine Arbeit für die überregionale Bedeutung der Klosterkirche wird von den drei für diesen Ort bedeutenden Stiftungen, die Richard Borek Stiftung, die Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz und die Evangelischen Stiftung Neuerkerode,  maßgeblich mitgetragen. Mit der Besetzung der Stelle wird die Landeskirche der besonderen Rolle der Klosterkirche als herausragender Profilkirche gerecht und ermöglicht Kontinuität. Die gemeindliche Arbeit wird unverändert allein von Pfarrerin Sabine Wittekopf wahrgenommen. Zuvor waren mit unter anderem Armin Kraft, Joachim Hempel und Thomas Hofer herausragende Pastore an der Klosterkirche.

Videos zum Thema:
https://www.der-loewe.info/braunschweigische-spaziergaenge-2
https://youtu.be/HPVuTg-edIE

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