Ein stark identi­täts­stif­tender Ort

Die schönste Ansicht der Klosterkirche gibt es vom Osten aus. Foto: Peter Sierigk

Die heraus­ra­genden Kirchen im Braun­schweiger Land, Teil 3: Die Kloster­kirche Riddags­hausen hat entspre­chend den Regeln des Zister­zi­en­ser­or­dens keinen Turm.

Die Kloster­kirche Riddags­hausen St. Mariae, einge­bettet in ein histo­risch einma­liges Ensemble aus denkmal­ge­schützten Gebäuden, gilt als starker identi­täts­stif­tender Ort für das Braun­schwei­gi­sche Land. Sie wurde als frühgo­ti­sche Pfeiler­ba­si­lika errichtet und ist eines der ältesten gotischen Bauwerke in Deutsch­land. Die Baulast an der Kloster­kirche trägt seit 2013 die Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz (SBK). Sie hat die Liegen­schaft von der Stadt Braun­schweig übernommen. Hinter­grund war seiner­zeit ein erheb­li­cher Sanie­rungs­stau in Höhe von damals bezif­ferten 4,5 Millionen Euro, den die Stadt nicht beheben konnte, weil anderes priori­siert worden war. Seither werden bauliche Defizite Stück für Stück ausge­gli­chen.

Orgel saniert, Heizung neu

Das Taufbe­cken. Foto: Archiv Georg Renz

Zuletzt war im vergan­genen Jahr eine neue Heizungs­an­lage instal­liert worden. Weihnachten war es wieder warm in dem histo­ri­schen Gemäuer. Ebenfalls 2023 war zudem die Führer-Orgel restau­riert worden. Ihr äußeres Erschei­nungs­bild lehnt sich an die 1879 abgebaute „Schwal­ben­nest­orgel“ von H. Compenius d. Ä. aus dem Jahr 1619 an. Von dieser Vorgän­ger­orgel erhalten geblie­bene Gehäu­se­teile wurden für die neue Orgel wieder­ver­wendet.

Schon einmal war der Sanie­rungs­stau der Kloster­kirche enorm. Erst eine Initia­tive von Richard Borek II. (1911–1993) sorgte nach erfolgter Sanierung für die Wieder­eröff­nung zur 700 Jahr-Feier 1975. Aus der damaligen Initia­tive entstand zunächst die Bürger­schaft Riddags­hausen und später der Förder­verein Riddags­hausen – Natur­schutz und Bürger­schaft.

Gefördert von Heinrich dem Löwen

Im Jahr 1145 hatten Zister­zi­en­ser­mönche das Kloster Riddags­hausen gegründet. Zwei Jahre später stellte Papst Eugen III. das Kloster unter seinen Schutz. Mit Zustim­mung und Förderung Heinrichs des Löwen stiftete Ludolf von Wenden dem Kloster 45 Hektar Land. Nach einem Vorgän­gerbau wurde im Jahr 1216 der Grund­stein für die heutige Kloster­kirche gelegt, die am 15. Juni 1275 geweiht wurde. Einen Kirchturm hat sie, den Regeln des Ordens entspre­chend, nicht. Das Kloster Riddags­hausen war eine Filiation (Tochter­grün­dung) des Mutter­klos­ters Amelungs­born. Unter Kaiser Otto IV., Sohn Heinrichs des Löwen, wurde die ursprüng­lich, kleine romani­sche Vorgän­ger­kirche abgerissen und durch den bis heute erhal­tenen Bau ersetzt.

Die Kanzlei. Foto: Archiv Georg Renz

Von der frühen Anlage sind neben der Kloster­kirche die Siechen­ka­pelle (1305), ein Stück Kloster­mauer und der Zugang zum Kloster, das romani­sche Nordtor-Gebäude (1147) mit der Torka­pelle und der Pfört­ner­zelle erhalten. Beson­der­heiten sind die Marien­statue über dem Haupt­portal im burgun­di­schen Stil des 13. Jahrhun­derts, die reich verzierte Kanzel von Zacharias König aus dem Jahr 1622 mit dem Aufgang, der Stationen aus dem Leben Jesu zeigt, und das sechs­eckige Taufbe­cken von 1562 aus Elmkalk­stein mit dem um 1620 pracht­voll geschnitzten Baldachin darüber. Der mächtige Hochaltar (1735) zeigt wichtige Szenen wie Abendmahl, Kreuzi­gung und Aufer­ste­hung.

Refor­ma­tion im Jahr 1568

Der Braun­schweiger Herzog Julius (1528–1589), der am branden­bur­gi­schen Hof eine evange­li­sche Erziehung genossen hatte, setzte 1568 die Refor­ma­tion im Land durch und führte die luther­sche Lehre als Staats­re­li­gion im Herzogtum Braun­schweig ein. Seither wird die Kloster­kirche Riddags­hausen als evange­lisch-luthe­ri­sche Gemein­de­kirche genutzt. Vorher waren die katho­li­sche Liturgie und die Marien­ver­eh­rung der Mönche Alltag im Kloster.

Die Einfüh­rung der Refor­ma­tion in Braun­schweig war nicht etwa ein singu­läres Ereignis, sondern ein jahrzehn­te­langer Prozess. Im Jahr 1517 hatte Martin Luther seine 95 Thesen in Witten­berg angeschlagen. Schnell fanden seine Positionen in den großen Städten, so auch in Braun­schweig unter der Bevöl­ke­rung Anhänger. Der Rat jedoch lehnte die refor­ma­to­ri­sche Bewegung aus Rücksicht auf Kaiser Karl V. und Herzog Heinrich den Jüngeren von Braun­schweig-Wolfen­büttel lange Zeit ab. 1528 gab der Rat seine Zurück­hal­tung auf und beauf­tragte Johannes Bugen­hagen, einen Vertrauten Luthers, mit der Erarbei­tung einer neuen Kirchen­ord­nung. Der Konflikt mit Herzog Heinrich dem Jüngeren, einer der schärfsten Gegner der Refor­ma­tion, eskalierte. Das Herzogtum trat erst nach Heinrichs Tod (1568) zur Refor­ma­tion über.

Zerstört und ausge­plün­dert

Das Haupt­portal (ohne die seiner­zeit in Restau­ra­tion befind­liche Marien­statue). Foto: Georg Renz

Das Kloster Riddags­hausen wurde im Zuge der Strei­tig­keiten zwischen protes­tan­ti­schen Braun­schweiger Bürgern und dem Herzog mehrfach zum Schau­platz von Kampfes­hand­lungen, zerstört und ausge­plün­dert. Nach der endgül­tigen Einfüh­rung der Refor­ma­tion wurde der Konvent als protes­tan­ti­sche Kloster­schule erhalten. Der Leiter trug weiterhin den Titel „Abt“. Die Zister­zi­enser haben nicht nur im Kloster Spuren hinter­lassen. Auch die Teiche, allen voran das Aushän­ge­schild Kreuz­teich, haben sie angelegt und damit eines der schönsten Naherho­lungs­ge­biete im Braun­schweiger Land geschaffen.

Zuletzt hatte die Kloster­kirche trotz ihrer großen Beliebt­heit und ihrer exponierten Lage keinen leichten Stand im Kreis der sieben Profil­kir­chen der evange­lisch-luthe­ri­schen Landes­kirche Braun­schweig. Dafür waren im Wesent­li­chen zwei Gründe verant­wort­lich: Zum einen gab es einen erheb­li­chen Sanie­rungs­stau, zum anderen sollte die Stelle des Pfarrers an der Kloster­kirche nach dem Weggang von Pastor Bernhard Knoblauch wegen der Neuord­nung der Verant­wor­tungs­be­reiche der Kirchen­ge­meinde Riddags­hausen-Glies­ma­rode nicht neu besetzt werden.

Heraus­ra­gende Pastore

Nach inten­siven Bemühungen durch den Kirchen­vor­stand und mit Hilfe der Richard Borek Stiftung ist seit dem 1. April 2021 mit Ulf Weber wieder ein Pfarrer für allge­mein­kirch­liche Aufgaben in der Kloster­kirche zuständig. Seine Arbeit für die überre­gio­nale Bedeutung der Kloster­kirche wird von den drei für diesen Ort bedeu­tenden Stiftungen, die Richard Borek Stiftung, die Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz und die Evange­li­schen Stiftung Neuerke­rode,  maßgeb­lich mitge­tragen. Mit der Besetzung der Stelle wird die Landes­kirche der beson­deren Rolle der Kloster­kirche als heraus­ra­gender Profil­kirche gerecht und ermög­licht Konti­nuität. Die gemeind­liche Arbeit wird unver­än­dert allein von Pfarrerin Sabine Wittekopf wahrge­nommen. Zuvor waren mit unter anderem Armin Kraft, Joachim Hempel und Thomas Hofer heraus­ra­gende Pastore an der Kloster­kirche.

Videos zum Thema:
https://www.der-loewe.info/braunschweigische-spaziergaenge‑2
https://youtu.be/HPVuTg-edIE

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