„Heimat­pflege bietet zuver­läs­sige Verortung“

Braunschweiger Originale im Gespräch: der Deutsche Hermann und der Rechen-August mit Besuchern am 12. Tag der Braunschweigischen Landschaft (2014 in Vechelde). Foto: Andreas Greiner-Napp
Braunschweiger Originale im Gespräch: der Deutsche Hermann und der Rechen-August mit Besuchern am 12. Tag der Braunschweigischen Landschaft (2014 in Vechelde). Foto: Andreas Greiner-Napp

Auf Einladung der Braun­schwei­gi­schen Landschaft hält Histo­riker Prof. Dr. Karl H. Schneider am 1. Tag der Heimat­pflege im Braun­schweiger Land das Impuls­re­ferat „Bedeutung und Perspek­tive der Heimat­pflege heute“.

Die intensive Heimat­pflege im Braun­schweiger Land hat der Regio­nal­his­to­riker Prof. Dr. Karl H. Schneider (Hannover) als eine besondere Stärke ausge­macht. Engagierte Heimat­pfle­ge­rinnen und-pfleger, das Landes­ar­chiv in Wolfen­büttel, das Stadt­ar­chiv in Braun­schweig, das Institut für Braun­schwei­gi­sche Regio­nal­ge­schichte an der Techni­schen Univer­sität, die starke Facebook-Gruppe „Braun­schweig im Wandel der Zeit“, der Braun­schwei­gi­scher Geschichts­verein und nicht zuletzt das Inter­net­portal der Braun­schwei­gi­schen Stiftungen „Der Löwe“, das alles kennt er und zählt es auf. Das Braun­schwei­gi­sche habe eine „tolle Geschichts­land­schaft“ urteilt der Professor der Univer­sität Hannover im Gespräch mit dem „Löwen“.

Schneider ist einer der führenden Experten auf dem Gebiet der „angewandten Regio­nal­ge­schichte“. Er ist unter anderem Mitglied der Histo­ri­schen Kommis­sion für Nieder­sachsen und Bremen. Auf Einladung der Braun­schwei­gi­schen Landschaft hält Karl H. Schneider das Impuls­re­ferat „Bedeutung und Perspek­tive der Heimat­pflege heute“. Anlass des Vortrags ist der 1. Tag der Heimat­pflege im Braun­schweiger Land am kommenden Freitag (18. Oktober) im Braun­schwei­gi­schen Landes­mu­seum. Schneider sagt, dass er mit seinem Werben für die Heimat­pflege vor dem großen Kreis der regio­nalen Heimat­pfleger natürlich „Eulen nach Athen“ trage, aber ihm ginge es darum, zu ermutigen und auch junge Menschen zu motivieren, sich einzu­bringen, weil Heimat­pflege in dieser Zeit der „ganz schnellen Prozesse“ zuver­läs­sige Verortung biete.

Mehr als 350 Heimat­pfle­ge­rinnen und Heimat­pfleger sind auf dem Gebiet der Braun­schwei­gi­schen Landschaft aktiv und leisten mit ihrer ehren­amt­li­chen Arbeit einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung und Fortschrei­bung der Geschichte unserer Region. Sie alle sind einge­laden. Die Braun­schwei­gi­sche Landschaft bietet mit ihrer Arbeits­ge­mein­schaft die Möglich­keit zur Vernet­zung und zum Austausch mit den Heimat­pfle­ge­rinnen und Heimat­pfle­gern anderer Städte und Gemeinden. Unter anderem gibt die Braun­schwei­gi­sche Landschaft spannende, heimat­kund­liche Schriften wie „Spuren­suche – Momente heimat­pfle­ge­ri­scher Arbeit in der Braun­schwei­gi­schen Landschaft“ oder die Trilogie „Braun­schwei­gi­sches Land in der Kaiser­zeit“, … in der Weimarer Republik“ und … im Natio­nal­so­zia­lismus“ heraus.

Für Schneider ist eine gute Laien­for­schung gerade in regio­nalen und kleineren Maßstäben wichtig und unerläss­lich, weil sich profes­sio­nelle Histo­riker zumeist mit weitrei­chen­deren Ereig­nissen beschäf­tigten. „Wir brauchen aber dieses Verständnis dafür, wo wir herkommen, um uns in einer komplexen Gesell­schaft nicht verloren zu fühlen“, ist sich der Wissen­schaftler sicher. In der globa­li­sierten und schnell­le­bigen Zeit neigten die Menschen zum Vergessen, deswegen gewinne Heimat­pflege aktuell immer stärker an Bedeutung.

Schneider vergleicht das heutige Empfinden der Menschen angesichts der immer weiter fortschrei­tenden Globa­li­sie­rung und Digita­li­sie­rung durchaus mit jener Unsicher­heit ausgangs des 19. Jahrhun­derts, als erstmals eine Heimat­be­we­gung im Zuge der Indus­tri­ellen Revolu­tion aufkam „Die Menschen reagierten damals wie heute auf starke gesell­schaft­liche Verän­de­rungen“, erläutert Schneider. Damals engagierte sich die besser gestellte bürger­liche Elite. Heute ist es dagegen ein Querschnitt der Bevöl­ke­rung, der sich für seine Heimat inter­es­siert und forscht. Er rät dazu, verstärkt digitale Medien für die Heimat­pflege zu nutzen, um eine möglichst breite Öffent­lich­keit für die örtliche Geschichte zu erreichen und die Menschen dort abzuholen, wo sie sich heutzu­tage infor­mieren.

Heimat­pfleger beschäf­tigen sich nicht nur mit der jewei­ligen Ortsge­schichte, sondern auch mit Vereins- und Firmen­ge­schichte, Natur‑, Landschafts- und Umwelt­schutz und Brauchtum. Sie stellen ihre Arbeit in Ausstel­lungen, Vorträgen, Führungen, Chroniken, Heimat­stuben, Festschriften und Veröf­fent­li­chungen dar. Allein auf dem Gebiet der Stadt Braun­schweig sind 41Stadtteilheimatpflegerinnen und ‑pfleger tätig.

Überge­ordnet bemüht sich die Arbeits­gruppe Heimat­pflege in der Braun­schwei­gi­schen Landschaft seit mehr als zehn Jahren, die Arbeit der Heimat­pfleger zu optimieren und einer inter­es­sierten Öffent­lich­keit präsenter zu machen. Der 1. Tag der Heimat­pflege im Braun­schweiger Land soll dazu beitragen. Die Arbeits­gruppe besteht aus Vertre­tern der Bereiche Braun­schweig, Helmstedt, Peine, Salzgitter, Wolfen­büttel und Wolfsburg. Sie tagt etwa zwei- bis dreimal im Jahr an unter­schied­li­chen Orten und bietet auch Fortbil­dungen an.

Weitere Beiträge:

Braun­schwei­gi­sches Land in der Nazizeit: https://www.der-loewe.info/750-schilling-wurden-zum-verhaengnis

Braun­schwei­gi­sches Land in der Weimarter Republik: https://www.der-loewe.info/die-weimarer-republik-vor-der-haustuer

Braun­schweiger Land in der Kaiser­zeit: https://www.der-loewe.info/der-blick-auf-die-regionale-identitaet

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