Das erste Großrei­ne­ma­chen nach zwölf Jahren

Die Spuren der Verunreinigung sind an den Pferdeköpfen der Quadriga deutlich zu erkennen. Foto: Wedemeyer
Die Spuren der Verunreinigung sind an den Pferdeköpfen der Quadriga deutlich zu erkennen. Foto: Wedemeyer

Quadriga wird von Verkrus­tungen durch Krähen- und Taubenkot befreit, die grünen Laufspuren auf der Skulptur werden aller­dings bleiben.

Der Blick von der Quadriga-Plattform auf dem Residenz­schloss zählt zu den spekta­ku­lärsten Aussichten auf Braun­schweig. Seit der Eröffnung begeis­terte der Besuch über den Dächern der Stadt bereits mehr als 200.000 Besucher. Seit 2008 thront die einst von Ernst Rietschel entwor­fene Skulptur nun wieder auf Carl Theodor Ottmers Prachtbau. Nach zwölf Jahren wird die Skulptur bis Mitte März erstmals von Grund auf gereinigt. Haupt­grund sind Verun­rei­ni­gungen durch Krähen- und Taubenkot. Verant­wort­lich für Reini­gungs­ar­beiten ist die Stadt Braun­schweig.

Haltbar­keit nicht beein­träch­tigt

„Der Kot ist für die acht bis zwölf Milli­meter starke Bronze­haut grund­sätz­lich kein Problem, was die Haltbar­keit anbelangt, aber die Verkrus­tungen sind natürlich nicht schön und müssen entfernt werden. Auch wegen des Verstau­bens des Krähen- und Tauben­kots muss jetzt gereinigt werden, um Besucher­rinnen und Besucher zu schützen“, erläutert Schloss­experte und Bauhis­to­riker Dr. Bernd Wedemeyer. Die benötigten Strom- und Wasser­an­schlüsse, die das Reini­gungs­un­ter­nehmen für die Arbeiten benötigt, sind auf der Plattform vorhanden.

Die über die Jahre entstandenen grünen Laufspuren des flüssigen Vogelkots werden auch auf der Brunonia bleiben. Foto: Wedemeyer
Die über die Jahre entstan­denen grünen Laufspuren des flüssigen Vogelkots werden auch auf der Brunonia bleiben. Foto: Wedemeyer

Bevor die Säuberung beginnt, wird um die Quadriga herum ein Gerüst gebaut, damit sie mit stabilen Schutz­planen komplett einge­haust werden kann. Das hat gleich mehrere Gründe: Erstens werden so die Arbeiter in luftiger Höhe geschützt, zweitens verstäubt das Wasser nicht, mit dem die Skulptur abgespritzt wird, drittens können keine abgeplatzten Verkrus­tungen nach unten auf den Schloss­platz fallen.

Keine Chemie im Einsatz

„Es wird für die Reinigung keinerlei Chemie verwendet, sondern lediglich Wasser. An den filigranen Stellen der Quadriga, wie in den Mähnen der Pferde oder in der Krone der Brunonia wird mit Wurzel­bürsten von Hand gesäubert“, berichtet Wedemeyer. Die insgesamt benötigten großen Mengen Abwasser werden in speziell für solche Reini­gungs­ar­beiten vorge­se­henen Behältern aufge­fangen, damit sie entspre­chend den Vorschriften entsorgt werden können.

Die über die Jahre entstan­denen grünen Laufspuren des flüssigen Vogelkots in der braun patinierten Bronze der Gruppe werden jedoch nicht beseitigt werden können. „Sie sind durch chemische Oxidvor­gänge Bestand­teil der Bronze geworden“, erläutert Dr. Bernd Wedemeyer.

Blick in den Trium­ph­wagen

Niemand weiß, wie es nach zwölf Jahren im Triumphwagen aussieht. Foto: Wedemeyer
Niemand weiß, wie es nach zwölf Jahren im Trium­ph­wagen aussieht. Foto: Wedemeyer

Er selbst wird zu Beginn der eigent­li­chen Reinigung mit nach oben gehen, um zu dokumen­tieren, wo die Verschmut­zungen am stärksten ausge­prägt sind. „Vieles ist ja mit bloßem Auge erkennbar, aber ich bin sehr gespannt, wie wohl der Zustand im Trium­ph­wagen sein wird. Dort hat seit der Übergabe im Oktober 2008 niemand mehr hinein­ge­sehen“, sagt der Schloss­experte, der mit seinem im Appelhans Verlag erschienen Buch „Quadriga – Das Vierge­spann des Residenz­schlosses Braun­schweig“ (ISBN 978–3‑941737–65‑5) das Standard­werk über die Skulptur verfasst hat. Die Reinigung der Quadriga sollte ursprüng­lich bereits im Oktober des vergan­genen Jahres statt­finden, Corona hatte das jedoch nicht zugelassen.

In Polen gegossen

Die Braun­schweiger Quadriga ist die größte ihrer Art in Europa. Finan­ziert wurde die origi­nal­ge­treue Rekon­struk­tion von der Firma Richard Borek und der Richard Borek Stiftung, die sie der Stadt Braun­schweig übereig­neten. Die nunmehr dritte Quadriga war von 2006 bis 2008 in der Bronze­kunst­gie­ßerei Emil Kosicki im polni­schen Komorniki herge­stellt worden. Im Gegensatz zu ihren beiden Vorgän­ge­rinnen, die 1865 (Schloss­brand) und um 1955 (späte Kriegs­folgen) zerstört wurden, wurde sie nicht mehr aus handge­trie­benen Kupfer­platten über einem Eisen­ske­lett angefer­tigt, sondern aus Silizi­um­bronze gegossen. Im Inneren stabi­li­sieren Edelstahl­ein­bauten und mit Schutz­an­strich versehene Einfach­stahl­teile die heutige Quadriga.

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Lesen Sie außerdem unseren Beitrag über das Jubiläum der Quadriga vor drei Jahren. Wussten Sie außerdem, dass die Plattform in lauen Sommer­nächten zur Veran­stal­tungs-Location wird? Mehr verrät das Image­video in diesem Beitrag.

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