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Der Loewe - Journal der Braunschweigischen Stiftungen
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Hildegard von Bingens „Ordo Virtutum“ wird in der Klosterkirche Riddagshausen aufgeführt.

Anlässlich der 750. Wiederkehr der Weihe erklingt mit „Ordo Virtutum“ die Musik der Hildegard von Bingen (1098 – 1179) der Klosterkirche Riddagshausen. Die Musik wurde für diese Inszenierung von der mittlerweile verstorbenen Sängerin Maria Jonas (1957 – 2024) aus dem Original transkribiert. Die Frauenenschola „Ars Choralis Coeln“ entführt mit dem Stück in eine visuelle und akustische Zeitreise in die Welt der Musik und Mystik. Die Aufführung findet am Samstag, 16. August (20 Uhr) statt. Eintrittskarten sind über die Website der Klosterkirche oder bei Musikalien Bartels für 25 Euro erhältlich.

Höhepunkt des Schaffens

Als sich im Jahr 1145 Zisterziensermönche in Riddagshausen niederließen und damit den Grundstein für die Klosterkirche legten, befand sich Hildegard von Bingen auf dem Höhepunkt ihres Wirkens. Sie ist allgemein für ihre frühen Schriften zu Medizin und Kräuterkunde bekannt. Aber ihr Werk umfasst viel mehr als das: Mit ihren visionären Schriften und Gesängen hat sie eine Art theologisches Gesamtkunstwerk hinterlassen.

2012 wurde sie von Papst Benedikt XVI. heiliggesprochen. Er erhob sie auch zur Kirchenlehrerin (Doctor Ecclesiae universalis). Damit ist sie neben Albertus Magnus (um 1200–1280) die einzige Deutsche, der dieser Titel von der römisch-katholischen Kirche verliehen wurde. Mit dem „Ordo Virtutum“ schuf sie das erste schriftlich überlieferte Mysterienspiel Europas.

Der Titel des Stücks ist nur ungenau zu übersetzen. Das lateinische Wort „virtus“ wird meistens mit Tugend übersetzt. Hildegard von Bingen sah jedoch eine Verwandtschaft zu dem Wort „vis“, womit sie Kraft und Stärke bezeichnete. Das lateinische Wort „Ordo“, wird oft mit „Spiel“ oder „Reigen“ übersetzt, trifft aber auch nicht die Bedeutung, die sie meinte. Im „Ordo Virtutum“ handelt es sich um die Ordnungen und die Regeln, die Gott aufgestellt hat.

Hilfe für die Seele

Es ist die szenische Umsetzung einer Grundidee von Hildegard von Bingen: Die Himmelskräfte helfen der menschlichen Seele, umwerben sie und wollen sie zur Zusammenarbeit mit Gott gewinnen. Doch die Seele lässt sich auf Luzifer, den Teufel ein. Als sie erkennt, dass sie sich mit dieser Entscheidung selbst geschadet hat, bittet sie die Himmelskräfte um Hilfe.

Das Ensemble „Ars Choralis Coeln“ gab 2004 in der Kölner Romanischen Nacht sein Debütkonzert. Seit dieser Zeit hat es das Ensemble geschafft, sich national wie international in der Mittelalter-Musikszene zu etablieren. Im Mittelpunkt des Repertoires steht die Musik von Frauenklöstern des Mittelalters. Dazu gehört an erster Stelle die Musik Hildegard von Bingens, aber auch die in zahlreichen Handschriften überlieferte Musik der Beginen und der Devotio Moderna. Die Inszenierung schließt zeitgenössische und interkulturelle Elemente sowie Experimentierfreude mit ein.

Mitwirkende sind Uta Kirsten, Cora Schmeiser, Lucia Mense (Flöten), Maria Jonas, Amanda Simmons, Petra Koerdt, Susanne Ansorg (Fidel, Glocken), Pamela Petsch (Rahmentrommel), Stefanie Brijoux und Sylvia Dörnemann. Die Patriarchen und Propheten singt die Männerschola Gregoriana der Klosterkirche Riddagshausen unter Leitung von Hans-Dieter Karras.

Objekt des Monats, Folge 18: Ein Porträt von Augusta Dorothea von Braunschweig-Wolfenbüttel.

Am 2. Oktober 1749 wurde Augusta Dorothea in Schloss Wolfenbüttel geboren. Sie war die jüngste der sechs Töchter von Herzog Carl I. Die leicht kräftige Partie von Nase und Augen weist auf die Verwandschaft hin. Ein ovales Gesicht, rundliche Wangen, leicht gerötet, ein feiner Mund und wache, neugierige Augen zeigen uns die Prinzessin im Alter von wohl 19 Jahren. Unvermittelt schaut sie uns an und unterbricht für einen Augenblick ihre auch am Braunschweigischen Hof typisch weibliche Beschäftigung, die Fein- oder Filetstickerei: die Häkelnadeln in den schlanken Händen, das feine transparente Gewebe aufgewickelt an einer Spindel am Tisch, daneben ein schon fertiges Spitzentaschentuch.

Und was für ein Kleid sie trägt: aus Damaststoff, in gedeckten Farben wie altrosa und silbergrau, aufgelockert durch Kaskaden dünner weißer Spitzengewebe, besonders kontrastvoll an den freien Unterarmen und dem Mieder, zusätzlich betont durch Reihen von roten Rosengebinden aus Damast. Eine Fasssung sondergleichen für eine Perle am Braunschweigischen Hof.

Obwohl Augusta keine regierende braunschweigische Herzogin war, erhielt auch sie ein standesgemäßes Porträt. So sieht man links im Bild, wenn auch nur schwach, ein marmornes Säulenpaar und einen hohen Sockel. Grundsätzlich folgt diese Gestaltung einer höfischen Bildart, die Peter Paul Rubens und Antonis van Dyck im frühen 17. Jahrhundert erfunden hatten.

Barbara Rosina de Gasc, signiert: Herzogin Augusta Dorothea von Braunschweig-Wolfenbüttel, Öl auf Leinwand, um 1768.

Barbara Rosina de Gasc, signiert: Herzogin Augusta Dorothea von Braunschweig-Wolfenbüttel, Öl auf Leinwand, um 1768.

Meisterin der Porträtkunst – Barabara Rosina de Gasc

Es gab in der Mitte des 18. Jahrhunderts nur sehr wenige Maler, die Bilder in solcher Unmittelbarkeit darzustellen vermochten, die der Ovalrahmen hier geradezu fokussiert. In unserem Fall war es die Malerin Barbara (oft fälschlich Anna) Rosina de Gasc (1713-1783). Durch ihre Porträts für andere norddeutsche Höfe hatte sie Berühmtheit erlangt und wurde 1766 Braunschweigische Hofmalerin. Sie lernte in Berlin bei dem großen Maler Antoine Pesne und wurde Meisterin der feinmalerischen Darstellung von Stoffen und der Neuerfindung von Porträts, die das Leben der Gezeigten widerspiegeln.

Als eine geschickte, im damals modernen, höfischen Rokokostil gekleidete junge Dame stellt sie uns Augusta vor. Sonst wissen wir nur wenig über die Prinzessin. Ihr Lebenslauf sagt uns aber, dass das Bild spätestens um 1768 entstanden ist. In diesem Jahr wurde sie Stiftsdame im selbständigen Reichsstift zu Gandersheim am Westharzrand, das, 852 gegründet, zu einem der ersten vier Damenstifte im alten deutschen Kaiserreich gehörte.

Eine selbstbestimmte Äbtissin

Die Stiftsdamenwürde zeigt das Bild aber nicht. Augusta verheiratete sich auch später nicht und zog wie andere Frauen aus dem Hochadel ein selbstbestimmtes, geistliches, im übrigen freies Leben vor, denn allein die gemeinsamen Gottesdienste waren für die Stiftsdamen verbindlich. In Gandersheim kam sie rasch zu Ehren: 1776 Dekanin, d. h. die Zweite vor Ort, und 1778 bis zu ihrem Tod im Jahr 1810 Äbtissin. Ohne Anwesenheitspflicht im Stift wohnte sie ab 1801 nach dem Tode ihrer Mutter Philippine Charlotte auch im Grauen Hofschloss in Braunschweig.

Carl I. war es, der seine Tochter als Nachfolgerin seiner Schwester Therese Natalie, der damals amtierenden Äbtissin von Gandersheim, erkor. Damit sah Carl die Braunschweigischen Belange im Reich auch außerhalb der Residenz vertreten. So ist später aus der jungen Prinzessin eine selbständige Regentin geworden.

Ihr Porträt aus dem historischen Residenzschloss wurde 2005 von der Richard Borek Stiftung auf der Welfenauktion erworben und erhielt bei der Restaurierung seine Ovalform zurück. Heute hängt es im „herzoglichen Arbeitszimmer“ im Schlossmuseum Braunschweig.

 

Das Braunschweiger Landesmuseum lädt ein zur lebendigen Auseinandersetzung mit der jüdischen Geschichte in der Löwenstadt.

Wieder einmal haben das Team des Landesmuseums Braunschweig um die Direktorin Dr. Heike Pöppelmann und ihre Kuratorin Bettina Gierke das ganze Kloster und die angrenzenden Gebäude von St. Ägidien für ihre Ideen genutzt. Und wieder einmal, wie bei der unlängst gelaufenen Doppel-Ausstellung zu dem Fotografen Uwe Brodmann, die zugleich im Städtischen Museum gezeigt wurde, oder der auch der ästhetisch so eindrucksvollen Präsentation zum Jugendstil, eröffnet das Landesmuseum einen doppelten Blick in die Welt und die Stadt und in Vergangenheit und Gegenwart zugleich.

Und so erzählen die beiden Museumsmacherinnen bei einem gemeinsamen Gang durch die Räume voller Begeisterung Geschichten und Details zu den drei noch bis zum 26. Oktober gezeigten Ausstellungen.

Neben der Videoinstallation „Memory of maybe tomorrow“ von Sarai Meyron, ist die Fotoausstellung „A place of our own“ der Fotografin und Künstlerin Iris Hassid zu sehen, die den Alltag von vier jungen palästinensischen Studentinnen in Tel Aviv, alle vier mit israelischer Staatsbürgerschaft im Zeitraum von 2014-2020 dokumentierte. Zu guter Letzt rückt mit Ephraim Mosche Lilien ein Braunschweiger Grafiker und Intellektueller in den Blick, der von 1874-1925 lebte und zahlreiche, z.T. ikonische religiöse Visualisierungen und Bilder des modernen Judentums prägte.

100 Jahre Hornburger Synagoge – Kulturschatz im Landesmuseum

Innenansicht der Hornbürger Synagoge. Foto: Team Der Löwe

Innenansicht der Hornbürger Synagoge. Foto: Team Der Löwe

Anlass für diesen Ausstellungsreigen, dessen Planungen bis weit vor den 7. Oktober 2024 zurückgehen, ist das 100-jährige Jubiläum der Erstpräsentation der Hornburger Synagoge im Braunschweiger Landesmuseum. Ziel von Heike Pöppelmann ist es, die mehr als 1.000 Objekte zählende Judaica-Sammlung des Braunschweigischen Landesmuseums, die zu den historisch bedeutendsten in Deutschland gehört, verstärkt in das Bewusstsein der Besucherinnen und Besucher zu rücken.

Diese Sammlung war schon bald nach der Gründung des Vaterländischen Museums 1891 bis gegen Ende des Zweiten Weltkrieges Teil der Dauerausstellung. Ein zentraler Bestandteil war die fast vollständig erhaltene barocke Inneneinrichtung der Synagoge aus der Landgemeinde Hornburg, die seit 1924 im Braunschweigischen Landesmuseum bewahrt wird.

Nach aufwendigen Sanierungsmaßnahmen in den Jahren 2019 bis 2021 wurde rund um die einzigartige Synagogeneinrichtung eine neue Dauerausstellung konzipiert und eingerichtet. Während die Videoinstallation direkt hier zu sehen ist, werden die beiden anderen Ausstellungen auf den Sonderausstellungsflächen gezeigt.

Ein Braunschweiger in der Welt – Ephraim Moshe Lilien

Ephraim Moshe Lilien (1875-1925) ist weder in Braunschweig geboren noch in der Löwenstadt gestorben, aber dennoch ist sein Leben auf das Engste mit der Stadt Heinrichs des Löwen verbunden. Davon zeugen u.a. die auch in der Ausstellung zu sehenden genau beobachteten und stimmungsvollen Bilder Braunschweiger Wahrzeichen. Aber auch die Hochzeit 1906, der Umzug und die Einbürgerung ab 1920 verbanden ihn mit der Stadt. Auch seine Projekte zum Buch der Bücher, der Bibel, zusammen mit dem Westermann Verlag und nicht zuletzt sein Einsatz für Künstler Braunschweigs verdeutlichen seine regionale Verbundenheit.

Vielen ist kaum bewusst, dass Lilien, der 1907 seine erste Reise nach Palästina unternahm, mit seinen, teils nach Fotografien entstanden Grafiken zu den, so Heike Pöppelmann, „bekanntesten jüdischen Künstlern des 20. Jahrhunderts“ gehörte. Er schuf nicht nur Bilder für eine auf 10 Bände angelegte Bibel, die im Westermann Verlag (schließlich nur bis Band 3) erschien.

Anlässlich des 100. Todestages von Ephraim Moses Lilien wurde seine Grabstätte gereinigt. V. l. n. r.: der ehemalige Domprediger Joachim Hempel, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Braunschweig und Ehrenbürgerin Renate Wagner-Redding, Geschäftsführer der Richard Borek Stiftung Prof. Dr. Michael Grisko, Kuratorin Bettina Gierke, Museumsleiterin Dr. Heike Pöppelmann und Kulturdezernentin Prof. Dr. Anja Hesse. Foto: Team Der Löwe

Anlässlich des 100. Todestages von Ephraim Moses Lilien wurde seine Grabstätte gereinigt. V. l. n. r.: der ehemalige Domprediger Joachim Hempel, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Braunschweig und Ehrenbürgerin Renate Wagner-Redding, Geschäftsführer der Richard Borek Stiftung Prof. Dr. Michael Grisko, Kuratorin Bettina Gierke, Museumsleiterin Dr. Heike Pöppelmann und Kulturdezernentin Prof. Dr. Anja Hesse. Foto: Team Der Löwe

Darüber hinaus gehörte sein Bild des Gründungsvaters des Zionismus Theodor Herzl auf dem Balkon zu den ikonischen Visualisierungen der damals noch jungen Bewegung, die die Gründung eines eigenen Nationalstaates zum Ziel hatte. Neben dem Bild des Anführers war Lilien aber auch verantwortlich für die Bildsprache einer gesamten Bewegung. Dies verdeutlicht Heike Pöppelmann, wenn sie betont, dass der aus armen Verhältnissen stammende Lilien, der zunächst Schildermaler war, bevor er in Krakau und Wien zur damals boomenden Gebrauchskunst fand, in seinen Grafiken und Bildern „das Bild vom selbstbewussten und heroischen jüdischen Menschen“ schuf.

Kurzes und ereignisreiches Leben

Lilien hinterließ trotz seines kurzen Lebens ein umfangreiches Werk. Er war Politiker, Grafiker, er zog, wie viele seiner Zeitgenossen, in den Ersten Weltkrieg und engagierte sich schließlich für verarmte Künstler. Vier Reisen führen ihn nach Palästina, es entstanden zahlreiche Grafiken für Bücher. Die Ausstellung erhebt nicht den Anspruch, eine geschlossene Biografie zu erzählen, sondern eröffnet anhand einzelner Projekte einen Einblick in seine von der Fotografie inspirierte Arbeitsweise, die Jugendstilelemente und Ornamentik zu einer eigenen Bildsprache verbindet.

Martin Buber schrieb einmal über den Künstler: „Er ist tief in das Wunder unseres Volkes eingedrungen, hat Sinn und Wert unserer alten Motive erkannt und sich zu eigen gemacht. (…) Er hat herrliche Blätter gezeichnet. Er verfügt über eine reiche, reife Technik. Dennoch ist seine Kunst noch mehr Verheißung als Erfüllung“. Zur Ausstellung ist ein kleiner und mit 10 Euro ebenso kostengünstiger wie umfangreich bebilderter Katalog erschienen.

Herzogliches Kalenderblatt, Folge 10: Die Gründung des Collegium Carolinum. 

Im „Juli-Kalenderblatt“ geht es um ein 280. Jubiläum. Wir freuen uns mit der TU Braunschweig: Ihre Gründung am 3. Juli 1745 ist Herzog Carl I. zu verdanken, einem der fortschrittlichsten und zukunftsorientiertesten braunschweigischen Herzöge. Ursprünglich hieß sie jedoch ganz anders.

Wissenschaft im Zentrum der Macht

Direkt in der Mitte der neuen Braunschweiger Residenz gelegen, die der herzogliche Hof seit 1755 bezog, war das neue „Collegium Carolinum“ als Ausbildungsstätte für sein modernes Land gedacht. Es ging um die Heranbildung von Fachkräften in der Verwaltung, in militärischen und zivilen Ingenieursberufen und in der merkantilen Wirtschaft des 18. Jhs. (d. h.: Güterherstellung im Land und geringe Einfuhren).

Am 5. Juli 1745 begannen die Vorlesungen im ehemaligen Stadtkommandantenhaus am Bohlweg. Es war ein spätgotisches Fachwerkhaus, das der herzogliche Baumeister Martin Peltier de Belford im Inneren durch geschwungene Rokokoformen bereicherte; das Treppenhaus blieb immerhin bis um 1885 erhalten.

Das Anwesen gehörte zu der Residenzmeile in Braunschweig, die seit den 1720er Jahren, seit dem Neubau des Grauen Hofschlosses, sich bis zum öffentlichen herzoglichen Opernhaus (von 1690) am Hagenmarkt erstreckte. Das Zeughaus von 1712/35, das neue Kavaliers- und Reithaus von 1748 mit ihren teils prächtigen Barockfronten zum Bohlweg, gehörten ebenfalls dazu. Damit hinterließ der braunschweigische Hof einen prächtigeren Eindruck als der preußische.

Aufklärung als Motor von berufsbezogener Wissenschaft und Fortschritt

Abt Johann Friedrich Jerusalem hatte die Aufsicht über die Einrichtung des Lehrplans mit seinem geisteswissenschaftlichen Schwerpunkt zur „Geschmacks- und Verstandesbildung“, Es lehrten hierzu die Bremer Professoren J. F. Zachariä, J. Ebert, K. Ch. Gärtner und K.A. Schmidt.

Grundlage von Allem war freilich die „Aufklärung“, die ein selbstverantwortliches Handeln auf Grundlage der Vernunft voraussetzte. Um 1755 ergänzte Hofrat Heinrich Bernhard von Schliestedt den Fächerkanon um die mathematisch-technischen Disziplinen.

Von Anbeginn wurden die Veranstaltungen berufsbezogen ausgerichtet, in dem auch Objekte der Naturaliensammlungen der Herzöge zur Anschauung kamen. Diese Lehrmethode wurde sogar von den entfernten „Hamburgischen Berichten der neusten Gelehrten Sachen“ am 22. Januar 1754 gerühmt: „Man sieht […], dass [der] Durchl. Herzog [Carl] seiner rühmlichen Gewohnheit nach, alle Arten der nützlichen Wissenschaften in seinen Landen […] empor zu heben suche“.

Aus dem ersten Matrikelbuch des Collegiums Carolinums, um 1745. Foto: TU Braunschweig

Aus dem ersten Matrikelbuch des Collegiums Carolinums, um 1745. Foto: TU Braunschweig

Erfolg als Grundlage der Technischen Universität

Diese Zweigleisigkeit glückte, im Gegensatz zur Bildungseinrichtung von Carls Großonkel Anton Ulrich, dessen Ritterakademie im Kleinen Schloss in Wolfenbüttel 1712 nach nur 25 Jahren schon wieder schließen musste.

Das aufgeklärte, geistes- und naturwissenschaftlich angelegte Veranstaltungskonzept (einschließlich der neuen attraktiven Reithalle am Bohlweg für junge, hinzugewonnene Adelige) führten zum Erfolg des Collegium Carolinums. 1877 konnte es die noch heute genutzten Gebäude an der Pockelsstraße beziehen, nannte sich nun (bis heute) Carolo-Wilhelmina, womit an den anderen großen Förderer der Einrichtung Herzog Wilhelm gedacht wird. 1968 avancierte die Technische Hochschule (seit 1878) schließlich zur TU: alles in allem eine 280jährige Erfolgsgeschichte.

In der derzeitigen Ausstellung „Residenzwechsel“ im Schloßmuseum (bis Ende Oktober) ist die Anfangsgeschichte der TU vertieft dargestellt.

Objekt des Monats, Folge 17: Das Tafelservice Herzog Carls I. und das Holländische Service.

Dieser flache Teller mit Goldrand aus dem berühmten Fürstenberger Tafelservice Herzog Carls I. (1713–1780) hat ein „graviertes Muster“ nach einem Entwurf von Johann Christof Rombrich (1757/1758). Das zarte Relief dieses Musters teilt die „Fahne“, den flachen erhöhten Tellerrand, in Felder bzw. Reserven, dabei wechseln sich geschuppte mit glatten und gravierten Feldern ab. Die glatten Felder sind mit Blumensträußen bemalt, die breiten gravierten Felder zieren Blumengirlanden und goldgehöhte reliefierte Blattzweige.

Auf dem Spiegel des Tellers ist eine dörfliche Landschaft mit einer Kirche, Häusern und Figuren umrahmt von Gebüsch, Bäumen, Wurzeln und Wolken zu sehen. Da das Landschaftsbild nicht die gesamte Innenfläche des Tellers bedeckt, spricht man hier von einer Malerei im „Inselstil“. Die rückseitige Beschriftung des Tellers benennt das Motiv als eine Ansicht des Ortes Rüningen.

Eine Manufaktur schreibt Geschichte

Mit der Landschaftsmalerei auf Porzellan schrieb die Manufaktur Fürstenberg Geschichte. Auf Fürstenberger Porzellan findet man die ersten topografisch bestimmbaren Landschaften in der Porzellangeschichte Europas. Pascha Weitsch (1723–1803) steht für diese Ära und die neue Auffassung in der Landschaftsmalerei: Er malte das persönliche Naturerlebnis – und das zunächst auf Porzellan. Seine Motive fand Weitsch im Braunschweiger Land und im Harz.

Das herausragende Ergebnis ist das Tafelservice Herzog Carls I., gefertigt 1763 bis 1768. Weitsch bemalte im Auftrag des Herzogs alle Serviceteile mit braunschweigischen Ansichten – wie bei diesem Teller den Ort Rüningen. Die gedeckte Tafel bot somit ein Bild des gesamten Herzogtums und seiner landschaftlichen Vielfalt.

Doch Pascha Weitsch ließ sich nicht nur von den realen Landschaften des Braunschweiger Landes inspirieren, auch die niederländische Kunst des 17. Jahrhunderts beeinflusste seine Werke. Diese Vorliebe prägte einen weiteren wichtigen Auftrag der Porzellanmanufaktur Fürstenberg, das Holländische Service. Das Holländische Service zählt ebenfalls zu den berühmten Tafelservicen der Manufaktur. Mit seinen 185 Teilen ist dieses einzigartige Ensemble das am umfangreichsten erhaltene Fürstenberger Landschaftsservice des 18. Jahrhunderts.

Teller bemalt mit goldumrandeten niederländischen Küstenansichten, Blumenbouquets, Girlanden und Blumen, Holländisches Service, Porzellanmanufaktur Fürstenberg, Fürstenberg, 1773/1774, Museum Wolfenbüttel, Foto: Andreas Greiner-Napp

Teller bemalt mit goldumrandeten niederländischen Küstenansichten, Blumenbouquets, Girlanden und Blumen, Holländisches Service, Porzellanmanufaktur Fürstenberg, Fürstenberg, 1773/1774, Museum Wolfenbüttel, Foto: Andreas Greiner-Napp

Schon wegen seines Umfangs, der Fülle an Formstücken und des außerordentlich guten Erhaltungszustandes ist das 1773/1774 gefertigte Holländische Service eine Rarität, das Bildprogramm und die künstlerische Ausführung machen es zu einem bedeutenden Beispiel europäischer Porzellankunst: Jedes der 185 Objekte zeigt ein anderes Motiv holländischer Küstenlandschaften. Zusammen ergeben diese ein Gesamtkunstwerk von einzigartiger Vielfalt, Pracht und handwerklicher Perfektion.

Sowohl das Service Carls I. als auch das Holländische Service stehen als bedeutende Fürstenberger Landschaftsservice des 18. Jahrhunderts für die hohe Qualität der Porzellanmanufaktur in dieser Epoche.

Bis zum 30. November 2025 besteht die einmalige Gelegenheit, ausgewählte Teile des Tafelservice Herzog Carls I. aus dem Bestand der Richard Borek Stiftung und das komplette Holländische Service aus der Sammlung des Museums Wolfenbüttel in einer Ausstellung im Wolfenbütteler Schloss Museum zu sehen.

Dr. Sandra Donner ist Museumsleiterin des Museums Wolfenbüttel.

Das Holländische Service im Schloss Museum Wolfenbüttel

Ausstellung im Schloss Museum Wolfenbüttel
06. Juni bis 30. November 2025
Schloss Museum Wolfenbüttel
Schlossplatz 13
38304 Wolfenbüttel
0 53 31/ 92 46 0
museum@wolfenbuettel.de
www.museumwolfenbuettel.de

Im Juni 2005 fand die Erstbesichtigung von Objekten der Welfenauktion in Amsterdam statt.

Es war ein Sammelsurium aus verschiedenen Schlössern, das das Welfenhaus nach dem Zweiten Weltkrieg in ihrem Schloss Marienburg zusammengetragen und gelagert hatte. Das meiste, vom edlen Besteck bis zum imposanten Gemälde, wurde wegen fehlender Verwendung auf dem Dachboden gestapelt. Weil sich Prinz Ernst August von Hannover nicht mit dem Land Niedersachsen auf die Übernahme der Marienburg und der Kunstobjekte durch das Land einigen konnte, entschloss er sich zu einem Verkauf der Kunstobjekte über eine Auktion mit Sotheby`s, um die notwendigen Mittel zur Sanierung des Schlosses Marienburg zu erhalten. Das war ein großes Glück für das seinerzeit erst in Planung befindliche Schlossmuseum im rekonstruierten Residenzschloss Braunschweig.

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Herzogliches Kalenderblatt, Folge 9: Am 16. Juni 2025 jährte sich zum 210. Male der Tod von Herzog Friedrich Wilhelm von Braunschweig, der Schwarze Herzog.

1808/09 stellte Friedrich Wilhelm auf eigene Kosten das Freikorps „Schwarze Schar“ auf, deren schwarzer Uniformstoff der Truppe ihren Namen gab. Als Freikorpsführer wollte er an der napoleonischen Besatzung Deutschlands, die ihm die Frau, das Land und sein Erbe geraubt hatte, Vergeltung üben und die Befreiung seiner Heimat vorbereiten. Daraus erwuchs die volkstümliche Bekanntheit von Herzog Friedrich Wilhelm (geb. am 9. Oktober 1771). Vorzeitig ereilte ihn der Tod im Vorgefecht bei Quatre-Bras am 16. Juni 1815 an der Spitze seiner Braunschweiger, vor der Schlacht bei Waterloo, die Napoleon I. endgültig bezwang.

Der Junggeselle und seine ideale Frau

Nach langem Junggesellendasein als Offizier in preußischen Diensten drängte ihn Herzog Carl Wilhelm Ferdinand, sein Vater, sich endlich zu verehelichen. Als Viertgeborener brauchte er keine dynastische Ehe einzugehen, sondern fand auf einem Ball im Herbst 1801 in Berlin seine ideale Frau: Marie aus dem Hause Baden. An der Hochzeit am 1.November 1802 in Karlsruhe nahmen die Eltern dann auch nicht teil. Da aber die drei älteren, behinderten Brüder Friedrichs ohne Nachkommen waren, rückten Marie und Friedrich in die Rolle des Erbprinzenpaares. Einige Jahre später, im Oktober 1805, hatte die Erbschaft von Oels (östlich von Breslau) außer Schulden noch einen Herzogstitel eingebracht.

Friedrich Wilhelm, der Schwarze Herzog, als Reiteroffizier, Friedrich Barthel, um 1840

Friedrich Wilhelm, der Schwarze Herzog, als Reiteroffizier, Friedrich Barthel, um 1840

Dem Paar wurden zwei gesunde Prinzen geboren: 1804 Karl (II.) und 1806 Wilhelm. So war das Haus Braunschweig abgesichert, als der offizielle Erbprinz, Friedrichs älterer Bruder Karl Georg August, am 21.September 1806 überraschend verstarb. Aber der Krieg Preußens gegen Napoleon im Herbst 1806, an dem Vater und Sohn als Heer- und Truppenführer mitstritten, zerschlugen das Fürstentum und damit alle Hoffnungen auf ein standesgemäßes Leben.

Nach dem Krieg und vor der Bedeutungslosigkeit

Die Monate zwischen Friedrichs Gefangenschaft nach der verlorenen Doppelschlacht von Jena und Auerstedt – er war ja preußischer Kommandeur – und seinem Wiedersehen mit der samt den Kindern nach Schweden zur königlichen Schwester geflüchteten Marie zeigen uns Friedrich, wie er immer mehr an Bedeutung verlor. Nach dem Tode des Vaters infolge der Kriegsverletzung am 10. November 1806 im dänischen Ottensen, wo sich auch Friedrich auf Ehrenwort aufhielt, stieg er zwar zum Herzog auf. Aber Friedrich sah sein Land und sein Erbe für das Königreich Westfalen durch Napoleon annektiert, der „diese Familie auslöschen will“. Den Grund dafür lieferte 1792 der Vater als alliierter Heerführer gegen das revolutionäre Frankreich.

Friedrich Wilhelm, der Schwarze Herzog, im Felde, Georg Friedrich Adolf Schöner, um 1820

Friedrich Wilhelm, der Schwarze Herzog, im Felde, Georg Friedrich Adolf Schöner, um 1820

War aus der empfindlichen Marie nach 1802 allmählich die Partnerin ihres Gatten fast bürgerlichen Zuschnitts geworden, erwies sie jetzt als seine erste Ratgeberin. Besonnenheit zu üben, aber auch die Rechte gegenüber Napoleon zu verteidigen, sind der Grundtenor ihrer Briefe.

Endlich war die Familie im badischen Bruchsal wieder vereint, da starb bei einer Totgeburt im April 1808 die Gemahlin. Friedrich geriet in tiefste Verzweiflung. Im Herbst 1808 schafft er es, sich aus der Lähmung zu befreien, und nahm die Rolle des „Schwarzen Herzogs“ an. Am 22. Dezember 1813 gelangte er schließlich in das befreite Braunschweig zurück und erreichte 1814 auf dem Wiener Kongress die Wiedereinrichtung seines Landes als Herzogtum Braunschweig. Noch heute erinnern elf Denkmäler in der Region, in Norddeutschland und selbst bei Quatre-Bras in Belgien an Friedrich Wilhelm. Im Museum im Schloss Braunschweig sind auch mehrere bedeutende Porträts zu sehen, darunter die hier abgebildeten.

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Auf den Spuren des Schwarzen Herzogs

Objekt des Monats, Folge 16:  Ein wertvolles Erinnerungsstück an eine bedeutende Braunschweiger Hochzeit.

Die Umschrift auf der Vorderseite der 3-Mark-Münze identifiziert das im Profil dargestellte Paar (Abb. 1). Es handelt sich um Herzog Ernst August III. von Hannover (1887-1953), der letzte regierende Herzog von Braunschweig, und seine Gemahlin Herzogin Victoria Luise von Preußen (1892–1980). Unter ihren Konterfeis findet sich das Datum 1. XI 1913. Die Rückseite ziert der Reichsadler mit Kaiserkrone sowie die Jahreszahl 1915.

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Objekt des Monats, Folge 15:  Ein Braunschweiger Glanzstück aus dem 18. Jahrhundert.

Der Spiegel in seiner ganzen Größe ist etwa einen Meter hoch. Foto: Richard Borek Stiftung

Der Spiegel in seiner ganzen Größe ist etwa einen Meter hoch. Foto: Richard Borek Stiftung

Möchte man sich in dem ca. einen Meter hohen Wandspiegel aus der Zeit um 1750 betrachten, gestaltet es sich als Herausforderung. Denn sobald man davorsteht, fällt der Blick zunächst auf den kunstvoll gestalteten Rahmen, der mit einer lebhaften floralen Ornamentik verziert ist. Bis auf die großen Ranken im vierteiligen Giebel im oberen Bereich und auf den beiden Seitenrändern, wurden die symmetrisch angeordneten Muster – darunter Streublumen, Früchte, Stängel und Blätter – rückseitig in das Glas eingeschnitten. Dennoch wirken sie, als wären sie von vorne eingeschliffen, was dem Spiegel eine faszinierende Tiefe verleiht. Nicht zuletzt entsteht dadurch ein faszinierendes Spiel zwischen Glanz und Schatten, dem auch die blinden Stellen, die sich im Laufe der Jahrhunderte gebildet haben, kaum etwas anhaben können.

Glaskunst aus Meisterhand

Das mundgeblasene, aus gestreckten Glaszylindern bestehende Spiegelglas wurde in der Fürstlichen Spiegelglashütte Grünenplan am niedersächsischen Hils, der einzigen Spiegelglashütte im Herzogtum Braunschweig, gefertigt und dort vermutlich auch geschliffen poliert. Für die weitere Verarbeitung versandte man die Glasplatten per Kurier – gut in Holzwolle eingepackt – in die Braunschweiger Hofspiegelmanufaktur Thomas Körblein (um 1713–1753), die einst in der Nähe des Steintores gelegen war. Hier wurden sie mit Zinnfolie bzw. Quecksilber belegt und verziert.

Wie u. a. auch die Fürstenberger Porzellanmanufaktur oder die Glashütte zu Schorborn, gingen diese beiden Unternehmen ebenfalls aus dem Bestreben des Braunschweiger Herzogs Carl I. (1713–1780) hervor, die Kultur und Wirtschaft in seinem Herrschaftsgebiet zu fördern und zu stärken. Die 1744 gegründete „Fürstliche Spiegelglashütte auf dem Grünen Plan“ ist heute Teil der Schott AG, die weltweit vor allem für die Herstellung von Spezialglas und Glaskeramik bekannt ist.

Die künstlerische Verzierung des Wandspiegels geht auf Johann Heinrich Balthasar Sang (geb. 1723) zurück, dessen Signatur unten links am Spiegel zu sehen ist. Der aus einer berühmten thüringischen Glasschneiderfamilie stammende Glaskünstler, der die Kunst der Glasveredelung von klein auf bei seinem Vater Andreas Friedrich Sang erlernte, wurde im Jahr 1747 von Carl I. zum Herzoglichen Hofglasschneider berufen. Als namhafter Meister des Glasschnittes veredelte er in Braunschweig bis mindestens 1764 Glaserzeugnisse mit verspielten Ornamenikmustern, figürlichen Darstellungen und Landschaften. Dazu gehörten vor allem Pokale, aber auch Glasplatten für Spiegel sowie Schränke und Uhrengehäuse. Meist nutzte er dafür Kupferstiche oder von ihm auf Papier gezeichnete und signierte Vorlagen.

Die Signatur des Glaskünstlers Balthasar Sang. Foto: Richard Borek Stiftung

Die Signatur des Glaskünstlers Balthasar Sang (Klick zum Vergrößern). Foto: Richard Borek Stiftung

Spiegel als Luxus- und Statussymbol

Als Luxusgüter waren Spiegel dieser Art nahezu ausschließlich für die Ausstattung adeliger Räume bestimmt. Auch konnten sie als reiner Wandschmuck dienen, indem die glatte Spiegelfläche in der Mitte mit figürlichen Darstellungen oder Landschaften – ähnlich einem Gemälde – verziert wurde. So wünschte sich beispielsweise Carl I. für die Gastgemächer seines Schwagers, König Friedrich der Große, im Schloss Salzdahlum etwas Besonderes. Nach einem Kupferstich des italienischen Künstlers Jacopo Amigoni (1682 –1752) aus der berühmten Serie „Die vier Elemente“ schuf Johann Heinrich Balthasar Sang eine Darstellung in der Mitte der Spiegelfläche, die er rückseitig eingravierte. Dem Geschmack der Zeit entsprechend, wurden die Darstellungen gern auch uminterpretiert und abgewandelt.

Neben dem Stück aus der Sammlung der Richard Borek Stiftung sind heutzutage nur wenige Stücke erhalten geblieben. Bis zum 31. August 2025 kann der Wandspiegel in der Sonderausstellung „ResidenzWechsel“ im Weißen Saal des Schlossmuseums Braunschweig betrachtet werden.

Von Glücksgefühlen, Geheimniskrämerei und dem Eröffnungskonzert als „Leuchtturm, der strahlt“: Zwischen den Festivals und vor dem Jubiläum – ein Gespräch mit den Leiterinnen des Braunschweig International Film Festival über kommende Highlights und  das unermüdliche Engagement für Braunschweigs Filmszene.

Das Gespräch findet an einem sonnigen Tag kurz vor Ostern statt. Mit den beiden Leiterinnen des Braunschweig International Film Festival, Karina Gauerhof und Anke Hagenbüchner-Sobiech, sprach ich in ihrem Büro über dem „Kino Universum“ im Herzen der Braunschweiger Innenstadt.

Ein Highlight des letzten Festivals: Karina Gauerhof mit Hollywood-Schauspieler Udo Kier. Foto: Carisma Media / Braunschweig International Film Festival.

Ein Highlight des letzten Festivals: Karina Gauerhof mit Hollywood-Schauspieler Udo Kier. Foto: Carisma Media / Braunschweig International Film Festival.

Als ich den Raum betrat, hatten beide die auf dem Tisch stehenden Cola-Flaschen mit dem Verweis auf das Koffein bereits geöffnet. Seit 2021 sind die beiden als Co-Leiterinnen für das Filmfestival tätig, das im letzten Jahr mit einer atemberaubenden Aufführung von Bram Stokers „Dracula“ in der vollbesetzten Volkswagenhalle eröffnete und den einzigartigen Udo Kier als Gewinner der „Europa“ nach Braunschweig holte.

Nach dem Festival ist vor dem Festival

„Im Stress?“ war meine erste Frage – und tatsächlich: die Beiden sind schon wieder mitten in den Planungen für den kommenden November. Nach einer etwas ruhigeren Phase im Dezember und Januar laufen die Aktivitäten des Vereins wieder auf Hochtouren. Komplexe EU-Anträge werden auf den Weg gebracht, Stellen ausgeschrieben, Filmeinreichungen sind möglich und auch die erste Einladung für den Wettbewerb wurde gerade verschickt – den Namen des Films will Karina Gauerhof noch nicht verraten.

Aktuell nimmt also nicht nur das neue Programm des 39. Festivals vom 10.-16.11.2025 Gestalt an, auch das 38. wird nach und nach Geschichte. Damit sind jenseits der künstlerischen Fragen auch ganz profane Dinge Teil des Büroalltags, wie Anke Hagenbüchner-Sobiech verrät:

„Da unser Haushalt immer bis zum 30.4. geht, sind wir einerseits am Ende und andererseits schon mitten im neuen Jahr. Und da geht es um so trockene Dinge, wie Restverwendungsnachweise, Nachforderung von Daten und Berichte an Förderer.“

Die Debatten um Kürzungen in den Kulturhaushalten machen den beiden direkt keine Sorgen, haben doch Stadt und Land gerade erst die Zuschüsse erhöht und auch der Hauptsponsor hat die Förderung fortgeschrieben und das gleich um zwei Jahre. Das gäbe Sicherheit. Gleichwohl hat auch das Festival mit zahlreichen Preissteigerungen, etwa bei Saalmieten, Löhnen, Technikerfirmen und nicht zuletzt bei Übernachtungen zu kämpfen. Dies führt auch dazu, dass die Eintrittspreise voraussichtlich moderat steigen werden. „Am Ende bleibt da nichts übrig, es ist immer ein Nullsummenspiel“, bekennt die Haushälterin nüchtern.

Herzstück Ehrenamt

Umso wichtiger sind die zahlreichen an der Planung und Realisierung beteiligten Ehrenamtlichen. Die knapp 50 Männer und Frauen sind das Rückgrat des Vereins. Nach dem letzten Festival seien zudem zahlreiche jüngere Mitglieder dazu gekommen, die nun auf ihre Aufgaben vorbereitet werden müssten, u.a. in den zahlreichen Sichtungsgruppen. „Innerhalb dieser Gruppen sichten die Ehrenamtlichen einen Pool an Filmen, besprechen und werten aus, welche Filme jetzt relevant sein könnten fürs Festival. Und dann wird in Abstimmung mit mir das Programm erstellt“, erläutert Karina Gauerhof den Prozess und fügt hinzu: „Ohne das ehrenamtliche Engagement des Vorstands und der Mitglieder würde es nicht funktionieren, sie sind das Herzstück des Vereins und des Festivals!“

Erinnerungen an das letzte Festival - Karina Gauerhof und Anke Hagenbüchner-Sobiech stehen auf der Bühne an einem Podium in Gelb mit dem Logo des BIFF. Beide lächeln.

Erinnerungen an das letzte Festival – wie so viele Kulturveranstaltungen in Braunschweig lebt auch das große Filmfest vom Engagement seiner Ehrenamtlichen. Foto: Carisma Media / Braunschweig International Film Festival

Festivalfahrerin und Netzwerkerin

Und mittlerweile geht es ja nicht nur um die Woche im November. „Wir machen ja außerhalb der Festivalwoche auch noch ganz viel“, betont Karina Gauerhof sichtlich stolz und fügt hinzu, dass dies für die Sichtbarkeit und die Verankerung des BIFF in der Region sehr wichtig sei. So wird das BIFF in 2025 Teil der Braunschweiger Kulturnacht sein, einige Veranstaltungen im Planetarium in Wolfsburg sind in Planung und als besonderes Highlight steht noch ein Filmabend in der Landesvertretung Niedersachsen in Berlin auf dem Programm.

Ansonsten wird der Terminkalender von Karina Gauerhof in der nächsten Zeit von Festivalreisen bestimmt. Der Cineast in mir hört nicht ganz ohne Neid die Städtenamen Oberhausen, Cannes und München. Die künstlerische Leiterin weist darauf hin, wie wichtig es sei, persönlich vor Ort zu sein, Netzwerke und Kontakte aufzubauen und zu pflegen. Diese dienten nicht nur der Wahrnehmung und Sichtbarkeit Braunschweigs als Festivalstadt, sondern helfen auch bei der Einladung von Filmen und Schauspielern in der Konkurrenz mit anderen Standorten, verrät sie.

Bombastisches Eröffnungskonzert mit Staatsorchester

Und dann richten wir doch noch den Blick nach vorne. Mit Blick auf den November verspricht Anke Hagenbüchner ein „bombastisches Eröffnungskonzert“, natürlich mit Staatsorchester. Das Eröffnungsfilmkonzert ist ein „Leuchtturm, der strahlt“, bestätigt die aus Baden-Württemberg stammende Karina Gauerhof, und auch die VW-Halle sei, angesichts der schmerzlich fehlenden Stadthalle, ein Muss. Beide schließen die Hoffnung an, dass der neue Intendant des Staatstheaters die erfolgreiche Zusammenarbeit fortführen wolle. Weiter lassen sie sich mit Blick auf die Eröffnung jedoch nicht in die Karten blicken. Lediglich gegen Ende des Gesprächs mit Blick auf die Wünsche für das Festival 2025 verrät Anke Hagenbüchner-Sobiech noch: „Wenn ich in der VW-Halle stehe und die Ränge sind voll, in dem Moment bin ich glücklich!“

Auch bei etwaigen neuen Spielstätten halten sich die beiden bedeckt. Inhaltlich deutet Karina Gauerhof zwar an, dass der thematische Schwerpunkt, der im letzten Jahr den Sami-Filmen galt, in 2025 einem historischen Thema mit nationalem Bezug vorbehalten sei – verweist aber bei der Frage nach dem konkreten Ereignis oder der möglichen Personengruppe auf die Programmkonferenz vor dem Festival. Verraten haben die beiden dann doch noch, dass die Zahl der Filmvorstellungen tagsüber erhöht wird. Ziel sind noch mehr Gäste und noch mehr Austausch.

Auch das als Pilot gestartete, mit Arbeitsblättern versehene und auf der Homepage abrufbare Kurzfilmprogramm als Angebot für die Schulen soll evaluiert und verstetigt werden. Dies gelte auch für die Zusammenarbeit mit Schulen insgesamt. Denn diese seien die Besucher von Morgen, betonen Beide. Für die weitere Zukunft wünscht sich Karina Gauerhof auch die Ansiedlung von mehr Filmindustrie in der Region, die nicht nur ein wichtiger wirtschaftlicher, sondern auch ein bedeutender kultureller Faktor sei.

Vielleicht können die beiden davon schon 2026 berichten, wenn das Festival 40 Jahre alt wird und ein kleines Jubiläum feiern kann – die Planungen dafür haben bereits begonnen. Von Midlife-Crisis war an diesem sonnigen Vormittag jedenfalls nichts zu spüren.

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Zu sehen sind unter anderem Gemälde, Möbel und Kunsthandwerk der bekannten Firmen van Selow, Stobwasser und Fürstenberg, aber auch historische Verträge und das Matrikelbuch aus dem TU-Archiv, ein Clavichord aus dem 18. Jahrhundert und als ältestes Exponat ein Schildkrötenpanzer.

Begleitend zur Ausstellung finden weiterhin Führungen, Vorträge und Workshops statt. Aktuelle Termine und Angebote sind auf der Website des Museums abrufbar. Der nächste Termin ist die Führung von Bernd Wedemeyer durch die Sonderausstellung am 17. August um 15 Uhr. Die Kosten liegen bei 5,00 Euro pro Person, zuzüglich Eintritt. Um Anmeldung unter Tel. 0531/470-4876 oder per Mail unter schlossmuseum@residenzschloss-braunschweig.de wird gebeten.

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