Objekt des Monats, Folge 19: Zwei Rauchschalen für das Residenzschloss.
Unter dem Braunschweigischen Herzogsregenten Johann Albrecht von Mecklenburg (1857-1920) wurde die Ausstattung des historischen Residenzschlosses durch fernöstliches Kunsthandwerk bereichert, hübsche Stücke von kleinem Format. Es geht um die beiden Rauchschalen im Braunschweiger Schlossmuseum. Johann Albrecht hatte außerdem mehrere Aschenbecher von gleicher Art bestellt, die hier allerdings nicht abgebildet werden. Beides, Rauschalen und Aschenbecher, wurden 1911 in Mengen von bis zu 20 Stück angeschafft; in Schloss Blankenburg fand man sie auch.
Dass der Herzogsregent sie ausgerechnet in Yokohama bei der japanischen Emaillefirma N. Nagai bestellte, ist Johann Albrechts fernöstlichen Beziehungen als kaiserlich-deutscher Handelsattaché in Tokio und seiner Funktion als Präsident der Deutschen Kolonialgesellschaft zu verdanken. Der Händler Helm Bros. Ltd. aus Yokohama und die Spedition Paul Paetow, New York/Hamburg, besorgten den Ankauf und Versand rings um den Globus ins ferne Braunschweig; soweit die Akten des Hofmarschallamts, das in der Hofstatt für derlei Ankäufe zuständig war.
Genaue Anweisungen bezüglich der Braunschweigischen Ausstattung müssen nach Japan verschickt worden sein. Denn die Innenböden der zwei Schalen und die der Aschenbecher tragen einen farbigen Kreis. Darin sieht man abwechselnd aus dem Kleinen Braunschweigischen Staatswappen den Blauen Löwen auf gelbem Grund mit roten Streuherzen der älteren Lüneburger Linie sowie die zwei kleinen goldenen Löwen auf rotem Grund der älteren Braunschweiger Linie (geteilt seit 1428/32). Hinzu kommt auf dem Unterboden der Schalen (und auf dem Standring der Ascher) die Standortangabe: „Herzogliches Residenzschoss Braunschweig MCMXI [1911]“.
Ausschnitt von den Rauchschalen: Unterboden mit der Standortbenennung „Herzogliches Residenzschloß Braunschweig 1911“.
Die florale Ausstattung ist aber fernöstlich geprägt. Sie besteht aus blauen, gelben, roten und grünen Blattranken mit ebensolchen Blüten auf grünen und weißen Untergründen, dazwischen in der Mitte die erwähnten Wappenfelder. Blauweiße Bordüren umrahmen die Böden und Seitenwangen, so dass alles von farblich harmonischem Blattwerk dicht umsponnen ist. Blatt- und Blütenmotive über Japan hinaus, ja aus China und Korea aus der Zeit zwischen dem 15. und 19. Jh., sind hier sinnfällig miteinander verwebt. Sehr feine, auf den Goldgrund gelötete Goldstege trennen die Blütenfelder voneinander. Gefärbtes, pulverisiertes Glas wird eingestreut und schmilzt beim Brennvorgang. Dies Verfahren wird Zellenschmelz- oder Cloisonné-Technik genannt.
Die Bereicherung um eine Pretiose vor allem des „Japanischen Zimmers“ war eine der sinnlichen Aufgaben der Rauchschalen und Aschenbecher. Johann Albrecht hatte es 1911 im nördlichen Westflügel des historischen Residenzschlosses mit ebenso fernöstlich anmutendern Möbelstücken und feinen japanoisen Seiden ausstatten lassen. Aber es gibt noch einen einfachen Zweck für die Stücke. Bei den Aschenbechern liegt es auf der Hand. Hier kam die Asche der schweren Zigarren von den Herren des Hofes hinein. Das mag gelegentlich bei den Rauchschalen auch der Fall gewesen sein. Aber ihre Größe von ca. 25 Zentimetern Durchmesser legt es nahe, dass hier ätherische Öle, in heißem Wasser gelöst, oder Weihrauch verdampften und die Zimmerluft um belebende Düfte bereicherten.
Historisches Braunschweiger Residenzschloss, Ausschnitt des Japanischen Zimmers im nordwestlichen Hauptflügel, um 1913. Auf dem Kabinettschrank eine der beiden Rauchschalen und davor ein typgleicher Aschenbecher in Bootsform.
Die Rauchschalen wurden 1925 vom Welfenhaus in der vom Land Braunschweig zugestandenen großen Beräumung des Schlossmuseums mitgenommen. 1945 verzogen sie von Schloss Blankenburg auf die Marienburg bei Nordstemmen. 2005 erwarb sie die Richard Borek Stiftung auf der Welfenauktion. Nach 86 Jahren kamen sie zurück und sind heute in der Dauerausstellung im Arbeitszimmer des Braunschweiger Schlossmuseums zu sehen. Einen der bislang bekannten fünf Aschenbecher konnte die Stiftung von Privat ankaufen. Dieser hat eine Bootsform, ist ca. 20 Zentimeter lang, aber schmal. Vier weitere Aschenbecher gibt es im Braunschweigischen Landesmuseums in Form von Dreieck, Raute und Bogen. Ob es in Privathaushalten noch weitere dieser kleinen Kunstwerke gibt?
Heute kaum noch bekannt, aber in Braunschweig so präsent: Expertin Bärbel Mäkeler erinnert an den Künstler Bodo Kampmann und seine Werke.
Überlebensgroße Plastiken wie die Justitia (1956) am Landgerichtsgebäude am Domplatz, den Rufer (1958) auf der Magnikirche oder den Hahn (1970) auf der Petrikirche kennen die meisten Braunschweigerinnen und Braunschweiger. Aber den Künstler, der diese Werke geschaffen hat, den kennen nur (noch) wenige. Es war Bodo Kampmann (1913–1978).
Gold- und Silberschmied, Metallplastiker, Bildhauer, Produktdesigner, Filmarchitekt sowie Bühnen- und Kostümbildner – das sind die Berufsbezeichnungen, die einem begegnen, wenn man sich mit ihm beschäftigt.
In der Schaffenszeit in Braunschweig, also von 1954 bis 1977, schuf Bodo Kampmann über ein Dutzend Werke im (halb-)öffentlichen Raum. Kampmanns Arbeiten begleiten uns von der Wiege bis zur Bahre. Denn: Wir finden sie in einer Frauenklinik, in Schulen, im Museum, im Rathaus sowie auf dem Gelände der PTB und schließlich auf dem Friedhof.
Ein vielseitiger Mann also. Und: Sein Leben war ebenso spannend wie seine Werke.
Bodo Kampmann wurde 1913 in Wuppertal geboren, später zogen die Kampmanns nach Berlin und Vater Walter heiratete ein zweites Mal. Sie bewegten sich in Künstlerkreisen, waren mit Persönlichkeiten wie Paul Klee, Max Beckmann, Wassily Kandinsky und Lyonel Feininger befreundet. Sohn Bodo wuchs also in einem kunstaffinen Haushalt mit zwei Brüdern auf, später kamen noch drei Stiefgeschwister dazu, die alle schöpferisch tätig waren. Kampmann reproduzierte später dieses vorgelebte Patchwork-Familienleben, hatte er doch selbst fünf Kinder von drei Frauen.
Zurück zu Kampmanns Biografie: Der 16-jährige Bodo beginnt 1929 eine Lehre, studiert anschließend Bildhauerei, Gold- und Silberschmiede an der Preußischen Akademie in Berlin und legt 1939 die Meisterprüfung ab.
Während seines Studiums lernt er seine erste Frau Sheila kennen, die beiden heiraten 1936. Mit ihr hat Kampmann zwei Töchter. 25-jährig, als Ehemann und Vater wird er 1938 eingezogen und muss im Zweiten Weltkrieg dienen.
Zu Ende des Krieges begegnet Bodo Kampmann in Innsbruck der Malerin Gerhild Diesner. Sie gehört zur Tiroler Avantgarde. Gerhild und Bodo werden ein Paar und leben in einer Künstler-WG. Das Haus avanciert schnell zu einem Künstlertreff: Kreative, Schauspieler und Literaten gehen hier ein und aus.
1947 bekommen Gerhild und Bodo eine Tochter. Nach der Scheidung von Sheila heiraten die beiden 1949 und drei Jahre später kommt ein Sohn zur Welt. Bald darauf trifft Bodo Kampmann eine weitreichende Entscheidung. Da er als Deutscher in Österreich keine Arbeit bekommt, geht er nach Remscheid, wo ein Auftrag auf ihn wartet. Und er nimmt seine Tochter mit. Die Ehe zerbricht kurze Zeit später und es folgt seine zweite Scheidung.
In Remscheid dann lernt Kampmann die junge Schauspielerin Margit Nowak kennen. Margit ist erst 25 Jahre alt und damit 15 Jahre jünger als Kampmann. Groß, schön, rothaarig, extravagant.
Erst kurze Zeit in Remscheid, bekommt er das Angebot, in Braunschweig bei der Werkkunstschule (WKS) zu unterrichten – und nimmt an. Die WKS stellt ihn als Studienrat ein, und das ohne Abitur! Welch Lichtblick nach den kargen Jahren.
Als herausragend in Bodo Kampmanns Karriere ist sicherlich die XI. Triennale 1956 in Mailand zu nennen. Dort gewinnt er mit seinem Teeservice Form A die Silbermedaille. Mit der asiatisch anmutenden Form hat er ein zeitloses Teegeschirr geschaffen, das heute nur noch in Auktionen zu erwerben ist. Mit der Gründung der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste 1963 wird Kampmann zum Professor ernannt. Er unterrichtet u. a. die Fächer Metall, Industrielle Formgebung und Goldschmied. In seiner Zeit in Braunschweig entstehen für Kirchen und die öffentliche Hand viele Kunst-am-Bau-Objekte, unzählige Plastiken und Plaketten. Für Kollegen, Freunde, Familie und andere Auftraggeber fertigt er aufwendigen Schmuck, wertvolle Dosen und Kleinplastiken.
Das ist aber noch nicht alles: Kaum jemand weiß, dass Kampmann zwischen 1953 und 1974 Bühnenbilder und Kostüme für Theaterstücke, Ballette und Opern entwarf. In Städten wie Remscheid, Berlin, Bad Gandersheim und vor allem am Staatstheater Braunschweig hat er rund 35 Ausstattungen umgesetzt.
Noch bis zum 31. Dezember findet im Städtischen Museum eine Kabinettausstellung statt: „Bodo Kampmann: Bildhauer und Goldschmied“.
Bärbel Mäkeler ist Germanistin, Lektorin, Kolumnistin und Autorin. Zurzeit schreibt sie an einer Biografie zum Künstler und Theatermann Bodo Kampmann. Das Buch erscheint Ende November.
Braunschweig gestern und heute: Dirk Troues Videomontagen sind ab sofort im Städtischen Museum im Altstadtrathaus an einer eigenen Medienstation zu sehen.
Eine alte Straßenansicht, mit eindrucksvollen historischen Fassaden, in Sepia und Grau. Zarte Klaviermusik. Und dann fällt plötzlich der moderne Bau des Neuen Rathauses von oben ins Bild. Mit breiten Pinselstrichen verschwinden die alten Gebäude, und es erscheint der moderne Bohlweg.
Vor einem Jahr startete die Reihe „Timejumps“ mit dieser Videomontage der Ecke Bohlweg / Langer Hof. Das ehrenamtliche Projekt des Kameramanns Dirk Troue zeigt eindrucksvoll den Wandel von früher zu heute. Akribisch nutzt er Stadtansichten der Vorkriegszeit und Überblendungen mit aktuellen Bildern und ermöglicht uns so in 30 Sekunden kleine Zeitreisen.
Einige der eindrucksvollsten Clips schaffen nun den Sprung aus dem Internet ins Städtische Museum Braunschweig und erreichen damit noch mehr Interessierte.
Dr. Peter Joch, Museumsleiter des Städtischen Museums, freut sich über die neue Medienstation. „Das Projekt ‚Timejumps‘ von Dirk Troue ist eine verdichtete Zeitreise“, erklärt er die Faszination der kurzen Videoclips. „Wir sehen hier, wie sich die Architektur neu gestaltet, aber auch Zerstörungen und Einschnitte.“
Die kurzen Zeitreisen passen für ihn sehr gut in das Städtische Museum im Altstadtrathaus. „Unser Museum selbst ist auch ein einziger, großer Timejump. Hier wollen wir schauen, wie wir die Gegenwart aus der Vergangenheit heraus erklären können“, sagt er.
Platziert ist der Bildschirm absichtlich im Saal im Erdgeschoss, der auch das große Stadtmodell beherbergt: Häufig starten an diesem Punkt Stadtführungen. Durch die Videoclips lässt sich der historische Wandel Braunschweigs nun noch besser erleben. Die Richard Borek Stiftung hatte die Initiative zusammen mit dem Museum und dem Freundeskreis des Städtischen Museums angestoßen und unterstützt.
Museumsleiter Dr. Peter Joch: „Unser Museum selbst ist ein einziger, großer Timejump“. Foto: Der Löwe
Damit finden Dirk Troues Aufnahmen von Braunschweig ihren verdienten Platz in einem Braunschweiger Museum. Der gebürtige Hannoveraner hatte ähnliche Clips zuvor bereits für das Historische Museum seiner Heimatstadt entwickelt, wo sie zu einem kleinen Publikumsmagneten wurden. Ähnliches bleibt für das Städtische Museum zu hoffen.
Neben besonders drastischen Beispielen historischen Wandels, wie dem Bohlweg oder dem verschwundenen Fachwerkviertel im früheren Weichbild Neustadt, gibt es aber auch Beispiele, bei denen sich auf den ersten Blick nichts verändert hat: Der Burgplatz beispielsweise oder der Altstadtmarkt. Die Zeitreisen von Dirk Troue zeigen damit nicht nur, was verschwunden ist, sondern auch, was bis heute Bestand hat.
„Jazz im Park“ findet am 14. September auf dem Gelände des Ritterguts Essenrode statt.
Jazz-Musik im Ambiente traditionsreicher Parkanlagen der Region bietet das Open Air-Festival „Jazz im Park“. Diesmal Jahr findet die von der Arbeitsgruppe Natur und Umwelt der Braunschweigischen Landschaft ausgerichtete Veranstaltung am Sonntag, 14. September, im Park des Ritterguts Essenrode im Landkreis Helmstedt statt. Einlass ist von 13 Uhr an, das Musikprogramm beginnt um 14 Uhr. Die Tickets sind an allen Vorverkaufsstellen und online erhältlich. Es ist die 11. Auflage des beliebten Festivals seit dem Jahr 2013.
Ansatz der erfolgreichen Veranstaltungsreihe ist es, historische Parks und Gärten ebenso wie Schlösser, Herrenhäuser und Denkmäler in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken. Die Braunschweigische Landschaft fördert grundsätzlich regionale Kunst, Heimatpflege, Naturschutz, Geschichte, Kultur und Musik. Bei „Jazz im Park“ fließt alles zusammen. Den Veranstaltungsort hat erneut Klaus Hermann, Initiator des Festivals und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Natur und Umwelt der Braunschweigischen Landschaft, ausgewählt.
Das Rittergut Essenrode besteht als Hofanlage mit Wohnhaus, Wirtschaftsgebäuden sowie Landwirtschafts- und Gartenflächen mindestens seit Mitte des 14. Jahrhunderts. Das Ensemble wird im Denkmalatlas Niedersachsen, der Wissens- und Kommunikationsplattform des Niedersächsischen Landesamts für Denkmalpflege, geführt. Seit 2020 wird das Verzeichnis der Kulturdenkmale aktualisiert und online veröffentlicht.
Darin heißt es zum Rittergut Essenrode: „An der überkommenen Substanz der Gesamtanlage können verschiedene Zeit- und Stilepochen abgelesen werden, die Zeitzeugen der Lebensumstände des landesständischen, ländlichen niedersächsischen Adels sind. An der Erhaltung besteht aufgrund des geschichtlichen Zeugnis- und Schauwertes durch die beispielhafte Ausprägung einer landwirtschaftlichen Gutsanlage mit Herrenhaus und zugehörigem Park … ein öffentliches Interesse.“
Das etwa vier Hektar große Gut liegt am nördlichen Ortsrand Essenrodes. Um 1337 gab es dort bereits einen Vorgängerbau mit Wehranlage und Zugbrücke, umringt von Wirtschaftsgebäuden. Im Dreißigjährigen Krieg wurde die Gutanalage in Brand gesetzt. Der Wiederaufbau begann von 1627 unter Julius von Bülow. 1637 wurde das Gut allerdings durch kaiserliche Truppen erneut beschädigt. Bereits 1639 waren jedoch wieder ein großes Wohnhaus sowie mehrere Wirtschaftsgebäude vorhanden. 1738 ließ Gotthard Heinrich August von Bülow das heutige Herrenhaus errichten. Seit 1837 ist das Anwesen im Besitz des niedersächsischen Reichsadelsgeschlechts von Lüneburg.
Eine filigrane Eisenbrücke führt vom Herrenhaus direkt in den Park. Der Park wird durch einen Rundgang erschlossen, der lediglich durch das Herrenhaus sowie einen schmalen Zugangsweg im Südosten der Parkanlage vom Wirtschaftshof aus betreten werden kann. Von dort werden auch die Besucher von „Jazz im Park“ kommen. Der Baumbestand besteht vorrangig aus Eichen, Linden und Hainbuchen. Im Park sind diverse Aussichtspunkte angelegt.
„Jazz im Park“ ist keine kommerzielle Musikveranstaltung und kann nur stattfinden, weil viele Menschen ehrenamtlich zum Gelingen beitragen und es regionale Förderer gibt. Dazu zählen auch die Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz, die Braunschweigische Sparkassenstiftung, die Stiftung Musikkultur Braunschweig und die Ritterschaft des ehemaligen Landes Braunschweig.
Bisherige Austragungsorte waren die Parks der Rittergüter Abbensen, Dorstadt, Groß Vahlberg und Hedwigsburg, die Schlossparks in Ringelheim und Wendhausen sowie die Gutsparks von Destedt, Beienrode und Alvesse sowie der Park der Domäne Schickelsheim.
Jagdhornbläser Essenrode und Uetze: Die Gruppe trifft sich regelmäßig, um gemeinsam zu musizieren und das traditionelle Jagdhornblasen zu pflegen.
HC Hasse Quintett: Die Formation um den Braunschweiger Pianisten Hans-Christian Hasse interpretiert ausschließlich Eigenkompositionen in der Tradition des modernen amerikanischen Hard Bob.
Akio Le & Band: Mit „My Nat King Cole Story“ präsentiert der Hannoveraner Sänger Akio Le eine feinfühlige, musikalisch anspruchsvolle Hommage an einen der größten Crooner der Jazzgeschichte – Nat King Cole.
Stephan-Max Wirth Experience: Eine der Top-Bands des europäischen Jazz: Intuitiv gefühlt und direkt umgesetzt entwickelt diese Band eine atemberaubende Musik.
Gemischter Chor Essenrode: Der Chor ist ein fröhlicher, bunter Verein musikbegeisterter Menschen, der sich regelmäßig zusammenfindet, um gemeinsam zu singen, zu lachen und einfach eine gute Zeit zu haben.
Mehr unter: www.jazz-im-park.com
Herzogliches Kalenderblatt, Folge 11: Beim Abriss des Residenzschlossses vor 65 Jahren wurde Braunschweig Schauplatz einer der ersten Großdemonstrationen seit Kriegsende.
Im August 1960 war der Abbruch der Schlossruine beendet, später als von den Verantwortlichen geplant. Drei der vier Gutachten von 1959/60 zum Zustand des Gebäudes hatten auf die Mauerfestigkeit immer wieder hingewiesen und die Wiederherstellbarkeit des Schlosses empfohlen, nur ein Gutachten widersprach. Darauf aber stützte sich allein der SPD-geführte Stadtrat. Tatsächlich lag im August eine „große Staubwolke“ über der Abbruchstelle.
Die beauftragten Architektur-Professoren der TH Braunschweig hatten sich in ihren Beurteilungen also nicht geirrt. Sie hatten ihre Begutachtungen auf Bitten der Stadt unternommen und die Ergebnisse in einem offenen Brief am 24. April veröffentlicht. Oberbürgermeisterin Martha Fuchs schob die Rettungsversuche jedoch beiseite. Selbst die Proteste der erhitzten Öffentlichkeit aus Braunschweig, der Region und aus dem ganzen Bundesgebiet seit Januar, es sei für eine Rettung der Braunschweiger Schlossruine noch nicht zu spät, ließ der Stadtrat ins Leere laufen. Nichts fruchtete.
So traf es auch am 23. April die große Demonstration vor dem Schloss, die Gottfried Hartwieg, Vorsitzender im Landesverein für Heimatschutz, Kaufmann Richard Borek und der Architekt Helmut Ebbecke ausgerichtet hatten. Am 21. April hatte Richard Borek eine ganzseitige Anzeige in der Braunschweiger Zeitung geschaltet, die zum Kommen aufrief: „Auch die Schloßfassade sinkt jetzt in Trümmer. Braunschweiger Bürger! Man zerstört das Gesicht Eurer Heimatstadt“. Der Unternehmer ließ auch noch Flugblätter in der hauseigenen Druckerei anfertigen und sorgte für die Lautsprecherwagen. Etwa 3.000 Besucher kamen an jenem Sonnabend im April ab Mittag vor das Schloss, so dass die Abbrucharbeiten für einige Stunden unterbrochen wurden. Gottfried Hartwieg beschwor von der ‚Rednerbühne‘, einer LKW-Ladefläche, die Zuhörer: „Die Kundgebung ist einberufen worden…, um zu beweisen, daß sich nicht nur ein kleiner Teil der Bevölkerung für die Erhaltung des Schlosses eingesetzt hat“.
Es war eine der ersten Großdemonstrationen in der jungen Bundesrepublik. Die Deutsche Presseagentur berichtete ausführlich über dieses Volksbegehren in der Stadt an der Zonengrenze. Die lokale Braunschweiger Zeitung lehnte diese erste Bürgerinitiative jedoch ab. Besonders die Angriffe auf Oberbürgermeisterin Fuchs missfielen ihr, obwohl sie zutrafen, denn Fuchs war eine entscheidende Befürworterin des Abbruches! Sie hätte ihn, wenn sie es gewollt hätte, verhindern können.
Flugblatt Richard Boreks zur Demonstration gegen den Schossabbruch am 23.April 1960;
oben links: Borek vorm Schloss am Mikrofon; darunter: Die ehemalige Herzogin Victoria Luise in der Menschenmenge.
Hatte die Kundgebung Eindruck auf die Stadtverordneten gemacht? Nein! Im Gegenteil: zwei Tage später berichtet die Braunschweiger Zeitung am 25.4.1960, dass der Stadtrat die ersten Mittel für die Planung der Stadthalle am Hauptbahnhof freigab. Ihre Herauslösung aus dem Schlossaufbau hatte diesem im Herbst 1959 den Boden entzogen. Der Artikel in der BZ vom 25.4.1960 betonte Wille des Stadtrates zum Aufbau der Stadt versagte beim Schloss völlig, aber beschied der Stadt Projekte, die Jahre später abgelehnt wurden: Der viel zu große J.-F.Kennedy-Platz und das Kerntangentenquadrat zergliedern noch heute die Stadt. Erst 2006 konnte z. B. der monströse Bohlweg zurückgebaut werden.
Immerhin: wenigstens hat die geschundene, östliche Stadtmitte mit der weitgehenden Schlossrekonstruktion ihre städtische Großzügigkeit wieder gewonnen, was schon 1960 mit gutem Willen hätte erreicht werden können.
Leser, die die damalige Diskussion in der BZ in Breite erfahren möchten, seien auf die Veröffentlichungen des Autors hingewiesen, so in: Das ehemalige Residenzschloss zu Braunschweig. Eine Doumentation über das Gebäude und seinen Abbruch, Braunschweig 1993³.
Hildegard von Bingens „Ordo Virtutum“ wird in der Klosterkirche Riddagshausen aufgeführt.
Anlässlich der 750. Wiederkehr der Weihe erklingt mit „Ordo Virtutum“ die Musik der Hildegard von Bingen (1098 – 1179) der Klosterkirche Riddagshausen. Die Musik wurde für diese Inszenierung von der mittlerweile verstorbenen Sängerin Maria Jonas (1957 – 2024) aus dem Original transkribiert. Die Frauenenschola „Ars Choralis Coeln“ entführt mit dem Stück in eine visuelle und akustische Zeitreise in die Welt der Musik und Mystik. Die Aufführung findet am Samstag, 16. August (20 Uhr) statt. Eintrittskarten sind über die Website der Klosterkirche oder bei Musikalien Bartels für 25 Euro erhältlich.
Als sich im Jahr 1145 Zisterziensermönche in Riddagshausen niederließen und damit den Grundstein für die Klosterkirche legten, befand sich Hildegard von Bingen auf dem Höhepunkt ihres Wirkens. Sie ist allgemein für ihre frühen Schriften zu Medizin und Kräuterkunde bekannt. Aber ihr Werk umfasst viel mehr als das: Mit ihren visionären Schriften und Gesängen hat sie eine Art theologisches Gesamtkunstwerk hinterlassen.
2012 wurde sie von Papst Benedikt XVI. heiliggesprochen. Er erhob sie auch zur Kirchenlehrerin (Doctor Ecclesiae universalis). Damit ist sie neben Albertus Magnus (um 1200–1280) die einzige Deutsche, der dieser Titel von der römisch-katholischen Kirche verliehen wurde. Mit dem „Ordo Virtutum“ schuf sie das erste schriftlich überlieferte Mysterienspiel Europas.
Der Titel des Stücks ist nur ungenau zu übersetzen. Das lateinische Wort „virtus“ wird meistens mit Tugend übersetzt. Hildegard von Bingen sah jedoch eine Verwandtschaft zu dem Wort „vis“, womit sie Kraft und Stärke bezeichnete. Das lateinische Wort „Ordo“, wird oft mit „Spiel“ oder „Reigen“ übersetzt, trifft aber auch nicht die Bedeutung, die sie meinte. Im „Ordo Virtutum“ handelt es sich um die Ordnungen und die Regeln, die Gott aufgestellt hat.
Es ist die szenische Umsetzung einer Grundidee von Hildegard von Bingen: Die Himmelskräfte helfen der menschlichen Seele, umwerben sie und wollen sie zur Zusammenarbeit mit Gott gewinnen. Doch die Seele lässt sich auf Luzifer, den Teufel ein. Als sie erkennt, dass sie sich mit dieser Entscheidung selbst geschadet hat, bittet sie die Himmelskräfte um Hilfe.
Das Ensemble „Ars Choralis Coeln“ gab 2004 in der Kölner Romanischen Nacht sein Debütkonzert. Seit dieser Zeit hat es das Ensemble geschafft, sich national wie international in der Mittelalter-Musikszene zu etablieren. Im Mittelpunkt des Repertoires steht die Musik von Frauenklöstern des Mittelalters. Dazu gehört an erster Stelle die Musik Hildegard von Bingens, aber auch die in zahlreichen Handschriften überlieferte Musik der Beginen und der Devotio Moderna. Die Inszenierung schließt zeitgenössische und interkulturelle Elemente sowie Experimentierfreude mit ein.
Mitwirkende sind Uta Kirsten, Cora Schmeiser, Lucia Mense (Flöten), Maria Jonas, Amanda Simmons, Petra Koerdt, Susanne Ansorg (Fidel, Glocken), Pamela Petsch (Rahmentrommel), Stefanie Brijoux und Sylvia Dörnemann. Die Patriarchen und Propheten singt die Männerschola Gregoriana der Klosterkirche Riddagshausen unter Leitung von Hans-Dieter Karras.
Objekt des Monats, Folge 18: Ein Porträt von Augusta Dorothea von Braunschweig-Wolfenbüttel.
Am 2. Oktober 1749 wurde Augusta Dorothea in Schloss Wolfenbüttel geboren. Sie war die jüngste der sechs Töchter von Herzog Carl I. Die leicht kräftige Partie von Nase und Augen weist auf die Verwandschaft hin. Ein ovales Gesicht, rundliche Wangen, leicht gerötet, ein feiner Mund und wache, neugierige Augen zeigen uns die Prinzessin im Alter von wohl 19 Jahren. Unvermittelt schaut sie uns an und unterbricht für einen Augenblick ihre auch am Braunschweigischen Hof typisch weibliche Beschäftigung, die Fein- oder Filetstickerei: die Häkelnadeln in den schlanken Händen, das feine transparente Gewebe aufgewickelt an einer Spindel am Tisch, daneben ein schon fertiges Spitzentaschentuch.
Und was für ein Kleid sie trägt: aus Damaststoff, in gedeckten Farben wie altrosa und silbergrau, aufgelockert durch Kaskaden dünner weißer Spitzengewebe, besonders kontrastvoll an den freien Unterarmen und dem Mieder, zusätzlich betont durch Reihen von roten Rosengebinden aus Damast. Eine Fasssung sondergleichen für eine Perle am Braunschweigischen Hof.
Obwohl Augusta keine regierende braunschweigische Herzogin war, erhielt auch sie ein standesgemäßes Porträt. So sieht man links im Bild, wenn auch nur schwach, ein marmornes Säulenpaar und einen hohen Sockel. Grundsätzlich folgt diese Gestaltung einer höfischen Bildart, die Peter Paul Rubens und Antonis van Dyck im frühen 17. Jahrhundert erfunden hatten.
Barbara Rosina de Gasc, signiert: Herzogin Augusta Dorothea von Braunschweig-Wolfenbüttel, Öl auf Leinwand, um 1768.
Es gab in der Mitte des 18. Jahrhunderts nur sehr wenige Maler, die Bilder in solcher Unmittelbarkeit darzustellen vermochten, die der Ovalrahmen hier geradezu fokussiert. In unserem Fall war es die Malerin Barbara (oft fälschlich Anna) Rosina de Gasc (1713-1783). Durch ihre Porträts für andere norddeutsche Höfe hatte sie Berühmtheit erlangt und wurde 1766 Braunschweigische Hofmalerin. Sie lernte in Berlin bei dem großen Maler Antoine Pesne und wurde Meisterin der feinmalerischen Darstellung von Stoffen und der Neuerfindung von Porträts, die das Leben der Gezeigten widerspiegeln.
Als eine geschickte, im damals modernen, höfischen Rokokostil gekleidete junge Dame stellt sie uns Augusta vor. Sonst wissen wir nur wenig über die Prinzessin. Ihr Lebenslauf sagt uns aber, dass das Bild spätestens um 1768 entstanden ist. In diesem Jahr wurde sie Stiftsdame im selbständigen Reichsstift zu Gandersheim am Westharzrand, das, 852 gegründet, zu einem der ersten vier Damenstifte im alten deutschen Kaiserreich gehörte.
Die Stiftsdamenwürde zeigt das Bild aber nicht. Augusta verheiratete sich auch später nicht und zog wie andere Frauen aus dem Hochadel ein selbstbestimmtes, geistliches, im übrigen freies Leben vor, denn allein die gemeinsamen Gottesdienste waren für die Stiftsdamen verbindlich. In Gandersheim kam sie rasch zu Ehren: 1776 Dekanin, d. h. die Zweite vor Ort, und 1778 bis zu ihrem Tod im Jahr 1810 Äbtissin. Ohne Anwesenheitspflicht im Stift wohnte sie ab 1801 nach dem Tode ihrer Mutter Philippine Charlotte auch im Grauen Hofschloss in Braunschweig.
Carl I. war es, der seine Tochter als Nachfolgerin seiner Schwester Therese Natalie, der damals amtierenden Äbtissin von Gandersheim, erkor. Damit sah Carl die Braunschweigischen Belange im Reich auch außerhalb der Residenz vertreten. So ist später aus der jungen Prinzessin eine selbständige Regentin geworden.
Ihr Porträt aus dem historischen Residenzschloss wurde 2005 von der Richard Borek Stiftung auf der Welfenauktion erworben und erhielt bei der Restaurierung seine Ovalform zurück. Heute hängt es im „herzoglichen Arbeitszimmer“ im Schlossmuseum Braunschweig.
Das Braunschweiger Landesmuseum lädt ein zur lebendigen Auseinandersetzung mit der jüdischen Geschichte in der Löwenstadt.
Wieder einmal haben das Team des Landesmuseums Braunschweig um die Direktorin Dr. Heike Pöppelmann und ihre Kuratorin Bettina Gierke das ganze Kloster und die angrenzenden Gebäude von St. Ägidien für ihre Ideen genutzt. Und wieder einmal, wie bei der unlängst gelaufenen Doppel-Ausstellung zu dem Fotografen Uwe Brodmann, die zugleich im Städtischen Museum gezeigt wurde, oder der auch der ästhetisch so eindrucksvollen Präsentation zum Jugendstil, eröffnet das Landesmuseum einen doppelten Blick in die Welt und die Stadt und in Vergangenheit und Gegenwart zugleich.
Und so erzählen die beiden Museumsmacherinnen bei einem gemeinsamen Gang durch die Räume voller Begeisterung Geschichten und Details zu den drei noch bis zum 26. Oktober gezeigten Ausstellungen.
Neben der Videoinstallation „Memory of maybe tomorrow“ von Sarai Meyron, ist die Fotoausstellung „A place of our own“ der Fotografin und Künstlerin Iris Hassid zu sehen, die den Alltag von vier jungen palästinensischen Studentinnen in Tel Aviv, alle vier mit israelischer Staatsbürgerschaft im Zeitraum von 2014-2020 dokumentierte. Zu guter Letzt rückt mit Ephraim Mosche Lilien ein Braunschweiger Grafiker und Intellektueller in den Blick, der von 1874-1925 lebte und zahlreiche, z.T. ikonische religiöse Visualisierungen und Bilder des modernen Judentums prägte.
Anlass für diesen Ausstellungsreigen, dessen Planungen bis weit vor den 7. Oktober 2024 zurückgehen, ist das 100-jährige Jubiläum der Erstpräsentation der Hornburger Synagoge im Braunschweiger Landesmuseum. Ziel von Heike Pöppelmann ist es, die mehr als 1.000 Objekte zählende Judaica-Sammlung des Braunschweigischen Landesmuseums, die zu den historisch bedeutendsten in Deutschland gehört, verstärkt in das Bewusstsein der Besucherinnen und Besucher zu rücken.
Diese Sammlung war schon bald nach der Gründung des Vaterländischen Museums 1891 bis gegen Ende des Zweiten Weltkrieges Teil der Dauerausstellung. Ein zentraler Bestandteil war die fast vollständig erhaltene barocke Inneneinrichtung der Synagoge aus der Landgemeinde Hornburg, die seit 1924 im Braunschweigischen Landesmuseum bewahrt wird.
Nach aufwendigen Sanierungsmaßnahmen in den Jahren 2019 bis 2021 wurde rund um die einzigartige Synagogeneinrichtung eine neue Dauerausstellung konzipiert und eingerichtet. Während die Videoinstallation direkt hier zu sehen ist, werden die beiden anderen Ausstellungen auf den Sonderausstellungsflächen gezeigt.
Ephraim Moshe Lilien (1875-1925) ist weder in Braunschweig geboren noch in der Löwenstadt gestorben, aber dennoch ist sein Leben auf das Engste mit der Stadt Heinrichs des Löwen verbunden. Davon zeugen u.a. die auch in der Ausstellung zu sehenden genau beobachteten und stimmungsvollen Bilder Braunschweiger Wahrzeichen. Aber auch die Hochzeit 1906, der Umzug und die Einbürgerung ab 1920 verbanden ihn mit der Stadt. Auch seine Projekte zum Buch der Bücher, der Bibel, zusammen mit dem Westermann Verlag und nicht zuletzt sein Einsatz für Künstler Braunschweigs verdeutlichen seine regionale Verbundenheit.
Vielen ist kaum bewusst, dass Lilien, der 1907 seine erste Reise nach Palästina unternahm, mit seinen, teils nach Fotografien entstanden Grafiken zu den, so Heike Pöppelmann, „bekanntesten jüdischen Künstlern des 20. Jahrhunderts“ gehörte. Er schuf nicht nur Bilder für eine auf 10 Bände angelegte Bibel, die im Westermann Verlag (schließlich nur bis Band 3) erschien.
Anlässlich des 100. Todestages von Ephraim Moses Lilien wurde seine Grabstätte gereinigt. V. l. n. r.: der ehemalige Domprediger Joachim Hempel, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Braunschweig und Ehrenbürgerin Renate Wagner-Redding, Geschäftsführer der Richard Borek Stiftung Prof. Dr. Michael Grisko, Kuratorin Bettina Gierke, Museumsleiterin Dr. Heike Pöppelmann und Kulturdezernentin Prof. Dr. Anja Hesse. Foto: Team Der Löwe
Darüber hinaus gehörte sein Bild des Gründungsvaters des Zionismus Theodor Herzl auf dem Balkon zu den ikonischen Visualisierungen der damals noch jungen Bewegung, die die Gründung eines eigenen Nationalstaates zum Ziel hatte. Neben dem Bild des Anführers war Lilien aber auch verantwortlich für die Bildsprache einer gesamten Bewegung. Dies verdeutlicht Heike Pöppelmann, wenn sie betont, dass der aus armen Verhältnissen stammende Lilien, der zunächst Schildermaler war, bevor er in Krakau und Wien zur damals boomenden Gebrauchskunst fand, in seinen Grafiken und Bildern „das Bild vom selbstbewussten und heroischen jüdischen Menschen“ schuf.
Lilien hinterließ trotz seines kurzen Lebens ein umfangreiches Werk. Er war Politiker, Grafiker, er zog, wie viele seiner Zeitgenossen, in den Ersten Weltkrieg und engagierte sich schließlich für verarmte Künstler. Vier Reisen führen ihn nach Palästina, es entstanden zahlreiche Grafiken für Bücher. Die Ausstellung erhebt nicht den Anspruch, eine geschlossene Biografie zu erzählen, sondern eröffnet anhand einzelner Projekte einen Einblick in seine von der Fotografie inspirierte Arbeitsweise, die Jugendstilelemente und Ornamentik zu einer eigenen Bildsprache verbindet.
Martin Buber schrieb einmal über den Künstler: „Er ist tief in das Wunder unseres Volkes eingedrungen, hat Sinn und Wert unserer alten Motive erkannt und sich zu eigen gemacht. (…) Er hat herrliche Blätter gezeichnet. Er verfügt über eine reiche, reife Technik. Dennoch ist seine Kunst noch mehr Verheißung als Erfüllung“. Zur Ausstellung ist ein kleiner und mit 10 Euro ebenso kostengünstiger wie umfangreich bebilderter Katalog erschienen.
Herzogliches Kalenderblatt, Folge 10: Die Gründung des Collegium Carolinum.
Im „Juli-Kalenderblatt“ geht es um ein 280. Jubiläum. Wir freuen uns mit der TU Braunschweig: Ihre Gründung am 3. Juli 1745 ist Herzog Carl I. zu verdanken, einem der fortschrittlichsten und zukunftsorientiertesten braunschweigischen Herzöge. Ursprünglich hieß sie jedoch ganz anders.
Direkt in der Mitte der neuen Braunschweiger Residenz gelegen, die der herzogliche Hof seit 1755 bezog, war das neue „Collegium Carolinum“ als Ausbildungsstätte für sein modernes Land gedacht. Es ging um die Heranbildung von Fachkräften in der Verwaltung, in militärischen und zivilen Ingenieursberufen und in der merkantilen Wirtschaft des 18. Jhs. (d. h.: Güterherstellung im Land und geringe Einfuhren).
Am 5. Juli 1745 begannen die Vorlesungen im ehemaligen Stadtkommandantenhaus am Bohlweg. Es war ein spätgotisches Fachwerkhaus, das der herzogliche Baumeister Martin Peltier de Belford im Inneren durch geschwungene Rokokoformen bereicherte; das Treppenhaus blieb immerhin bis um 1885 erhalten.
Das Anwesen gehörte zu der Residenzmeile in Braunschweig, die seit den 1720er Jahren, seit dem Neubau des Grauen Hofschlosses, sich bis zum öffentlichen herzoglichen Opernhaus (von 1690) am Hagenmarkt erstreckte. Das Zeughaus von 1712/35, das neue Kavaliers- und Reithaus von 1748 mit ihren teils prächtigen Barockfronten zum Bohlweg, gehörten ebenfalls dazu. Damit hinterließ der braunschweigische Hof einen prächtigeren Eindruck als der preußische.
Abt Johann Friedrich Jerusalem hatte die Aufsicht über die Einrichtung des Lehrplans mit seinem geisteswissenschaftlichen Schwerpunkt zur „Geschmacks- und Verstandesbildung“, Es lehrten hierzu die Bremer Professoren J. F. Zachariä, J. Ebert, K. Ch. Gärtner und K.A. Schmidt.
Grundlage von Allem war freilich die „Aufklärung“, die ein selbstverantwortliches Handeln auf Grundlage der Vernunft voraussetzte. Um 1755 ergänzte Hofrat Heinrich Bernhard von Schliestedt den Fächerkanon um die mathematisch-technischen Disziplinen.
Von Anbeginn wurden die Veranstaltungen berufsbezogen ausgerichtet, in dem auch Objekte der Naturaliensammlungen der Herzöge zur Anschauung kamen. Diese Lehrmethode wurde sogar von den entfernten „Hamburgischen Berichten der neusten Gelehrten Sachen“ am 22. Januar 1754 gerühmt: „Man sieht […], dass [der] Durchl. Herzog [Carl] seiner rühmlichen Gewohnheit nach, alle Arten der nützlichen Wissenschaften in seinen Landen […] empor zu heben suche“.
Diese Zweigleisigkeit glückte, im Gegensatz zur Bildungseinrichtung von Carls Großonkel Anton Ulrich, dessen Ritterakademie im Kleinen Schloss in Wolfenbüttel 1712 nach nur 25 Jahren schon wieder schließen musste.
Das aufgeklärte, geistes- und naturwissenschaftlich angelegte Veranstaltungskonzept (einschließlich der neuen attraktiven Reithalle am Bohlweg für junge, hinzugewonnene Adelige) führten zum Erfolg des Collegium Carolinums. 1877 konnte es die noch heute genutzten Gebäude an der Pockelsstraße beziehen, nannte sich nun (bis heute) Carolo-Wilhelmina, womit an den anderen großen Förderer der Einrichtung Herzog Wilhelm gedacht wird. 1968 avancierte die Technische Hochschule (seit 1878) schließlich zur TU: alles in allem eine 280jährige Erfolgsgeschichte.
In der derzeitigen Ausstellung „Residenzwechsel“ im Schloßmuseum (bis Ende Oktober) ist die Anfangsgeschichte der TU vertieft dargestellt.
Objekt des Monats, Folge 17: Das Tafelservice Herzog Carls I. und das Holländische Service.
Dieser flache Teller mit Goldrand aus dem berühmten Fürstenberger Tafelservice Herzog Carls I. (1713–1780) hat ein „graviertes Muster“ nach einem Entwurf von Johann Christof Rombrich (1757/1758). Das zarte Relief dieses Musters teilt die „Fahne“, den flachen erhöhten Tellerrand, in Felder bzw. Reserven, dabei wechseln sich geschuppte mit glatten und gravierten Feldern ab. Die glatten Felder sind mit Blumensträußen bemalt, die breiten gravierten Felder zieren Blumengirlanden und goldgehöhte reliefierte Blattzweige.
Auf dem Spiegel des Tellers ist eine dörfliche Landschaft mit einer Kirche, Häusern und Figuren umrahmt von Gebüsch, Bäumen, Wurzeln und Wolken zu sehen. Da das Landschaftsbild nicht die gesamte Innenfläche des Tellers bedeckt, spricht man hier von einer Malerei im „Inselstil“. Die rückseitige Beschriftung des Tellers benennt das Motiv als eine Ansicht des Ortes Rüningen.
Mit der Landschaftsmalerei auf Porzellan schrieb die Manufaktur Fürstenberg Geschichte. Auf Fürstenberger Porzellan findet man die ersten topografisch bestimmbaren Landschaften in der Porzellangeschichte Europas. Pascha Weitsch (1723–1803) steht für diese Ära und die neue Auffassung in der Landschaftsmalerei: Er malte das persönliche Naturerlebnis – und das zunächst auf Porzellan. Seine Motive fand Weitsch im Braunschweiger Land und im Harz.
Das herausragende Ergebnis ist das Tafelservice Herzog Carls I., gefertigt 1763 bis 1768. Weitsch bemalte im Auftrag des Herzogs alle Serviceteile mit braunschweigischen Ansichten – wie bei diesem Teller den Ort Rüningen. Die gedeckte Tafel bot somit ein Bild des gesamten Herzogtums und seiner landschaftlichen Vielfalt.
Doch Pascha Weitsch ließ sich nicht nur von den realen Landschaften des Braunschweiger Landes inspirieren, auch die niederländische Kunst des 17. Jahrhunderts beeinflusste seine Werke. Diese Vorliebe prägte einen weiteren wichtigen Auftrag der Porzellanmanufaktur Fürstenberg, das Holländische Service. Das Holländische Service zählt ebenfalls zu den berühmten Tafelservicen der Manufaktur. Mit seinen 185 Teilen ist dieses einzigartige Ensemble das am umfangreichsten erhaltene Fürstenberger Landschaftsservice des 18. Jahrhunderts.
Teller bemalt mit goldumrandeten niederländischen Küstenansichten, Blumenbouquets, Girlanden und Blumen, Holländisches Service, Porzellanmanufaktur Fürstenberg, Fürstenberg, 1773/1774, Museum Wolfenbüttel, Foto: Andreas Greiner-Napp
Schon wegen seines Umfangs, der Fülle an Formstücken und des außerordentlich guten Erhaltungszustandes ist das 1773/1774 gefertigte Holländische Service eine Rarität, das Bildprogramm und die künstlerische Ausführung machen es zu einem bedeutenden Beispiel europäischer Porzellankunst: Jedes der 185 Objekte zeigt ein anderes Motiv holländischer Küstenlandschaften. Zusammen ergeben diese ein Gesamtkunstwerk von einzigartiger Vielfalt, Pracht und handwerklicher Perfektion.
Sowohl das Service Carls I. als auch das Holländische Service stehen als bedeutende Fürstenberger Landschaftsservice des 18. Jahrhunderts für die hohe Qualität der Porzellanmanufaktur in dieser Epoche.
Bis zum 30. November 2025 besteht die einmalige Gelegenheit, ausgewählte Teile des Tafelservice Herzog Carls I. aus dem Bestand der Richard Borek Stiftung und das komplette Holländische Service aus der Sammlung des Museums Wolfenbüttel in einer Ausstellung im Wolfenbütteler Schloss Museum zu sehen.
Dr. Sandra Donner ist Museumsleiterin des Museums Wolfenbüttel.
Ausstellung im Schloss Museum Wolfenbüttel
06. Juni bis 30. November 2025
Schloss Museum Wolfenbüttel
Schlossplatz 13
38304 Wolfenbüttel
0 53 31/ 92 46 0
museum@wolfenbuettel.de
www.museumwolfenbuettel.de
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