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Mit Leidenschaft für Braunschweigs Geschichte

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Die Facebook-Gruppe „Braunschweig im Wandel der Zeit“ ist ein Ort der Erinnerungen. Fast 12.000 Menschen teilen hier regelmäßig Bilder und persönliche Geschichten, diskutieren die Historie verschiedener Straßenzüge und Häuser oder machen sich auf die Suche nach vergessenen Geschäften. Mittendrin die beiden Administratoren Werner Gabel und Heiko Krause.

Da hinten an der Ecke, der Mann im Mantel und mit dem Hut – ist er es oder ist er es nicht? Und da oben an dem Fenster, da saß immer die Nachbarin mit einem Kissen und winkte, während die Kinder auf der Straße spielten. Die Fotos in der im November 2012 gegründeten Facebook-Gruppe „Braunschweig im Wandel der Zeit“ wecken Erinnerungen. Mehrfach täglich gibt es neue Einträge. „Und wenn die Nutzer selbst nichts posten, sorgt einer von uns für Belebung“, erzählt Werner Gabel. Er gehört zu den Urgesteinen der Gruppe und kümmert sich seit fast zehn Jahren um ein freundliches Miteinander. Wir treffen ihn und Heiko Krause, gleichzeitig Stadtteil-Heimatpfleger des Westlichen Ringgebiets, in dessen Wohnung in der Juliusstraße.

Der Braunschweiger Hauptbahnhof Ende der 1950er Jahre, vom Friedrich-Wilhelm-Platz aus gesehen. Foto: Archiv Heiko Krause

Sich Zeit nehmen gehört dazu

Im Arbeitszimmer reihen sich die Ordner aneinander. Neben Büchern, Zeitungsartikeln und Unterlagen zur Stadtgeschichte fordert Krauses zweite Leidenschaft, die Braunschweiger Staatsbahn und der alte Braunschweiger Hauptbahnhof, einiges an Platz. „Ursprünglich hat Stephan Meyer die Gruppe gegründet und Werner 2014 angesprochen, da er sich aus verschiedenen Gründen zurückziehen wollte. Und da Werner nicht mehr der Jüngste ist, hat er mich 2016 dazu geholt“, erzählt Krause.

Die beiden teilen sich die Aufgaben als Administrator. Sie sichten die verschiedenen Postings, fragen im Zweifel nach den Bildrechten, sichern wertvolle Aufnahmen, moderieren, falls es mal zu hitzig werden sollte, und lassen neue Mitglieder in die Gruppe – oder entfernen jemanden, wenn er oder sie sich nicht benimmt. „Aber das ist schon lange nicht mehr vorgekommen. Es gab mal Zeiten, da war es nervig“, erinnert sich der 70-jährige Gabel. An den meisten Tagen ginge es sehr freundlich und zivilisiert zu. Und da das Gruppen-Thema und die Regeln eindeutig seien, gibt es nur selten unpassende Postings: tagesaktuelle Nachrichten oder die Spielergebnisse der Eintracht landen in anderen Gruppen.

Wieviel Zeit er tatsächlich für die Moderation aufwendet, kann er gar nicht sagen. Morgens mal ein Viertelstündchen, zwischendurch immer mal wieder ein Blick und abends nochmal. Nebenbei behält er die Gruppenstatistik im Auge – knapp 9.000 Zugriffe gibt es jeden Tag – und schaut in die offiziellen Kanäle der Social-Media-Plattform. Für Krause, der eher in der Mittagspause mal reinschaut, ein enormes Pensum: „Da ich noch voll arbeite, könnte ich das nicht – aber Werner ist einfach die Seele der Gruppe und ich bin eher ihr Pressesprecher.“

Die Bilder wecken Erinnerungen

Zu den spannenden und schönen Augenblicken gehöre es, wenn jemand eine alte Privataufnahme oder Postkarte online stelle und sich daraus ganze Erzählstränge entwickeln. Von der Suche nach dem richtigen Ort der Aufnahme, Vergleiche mit jüngeren oder aktuellen Bildern und Geschichten zu Häusern und Personen, die nur am Rand zu sehen sind. Dann werden auch Nutzer aktiv, die sonst nur stille Leser sind. „Grundsätzlich sind ungefähr 30 Personen regelmäßig aktiv. Mal mehr, mal weniger, das ändert sich immer mal. Und dann entdeckt jemand, der schon seit Jahren dabei ist und nie etwas schreibt, sein Elternhaus oder das Geschäft seiner Großeltern und schließt damit eine Lücke“, erklärt Gabel. Manches mal ist es der Austausch mit der Gruppe, die Schwarmintelligenz, die dabei hilft, einen bestimmten Straßenzug oder Park zu identifizieren.

Dieses Bild lässt sich einfach zuordnen: Es zeigt das Gelände der Firma Erich Dürkop in den 1930er-Jahren. Foto: Archiv Heiko Krause

Einige der langjährigen Gruppennutzer kennen die Administratoren auch persönlich. Vor der Corona-Pandemie gab es mehrere Themenabende im Kulturpunkt West zum Ringgleis, den Büssing-Werken und der Entwicklung des ersten Staatsbahnhofs Deutschlands zum heutigen Ottmerbau – Krauses Steckenpferd, zu dem er eine eigene DVD produziert hat. An den Abenden verlagerte sich der gemeinsame Austausch vom digitalen ins echte Leben. Eigentlich wäre ein solche Veranstaltung mal wieder schön, gerade wenn die Gruppe am 21. November ihren zehnten Geburtstag feiert. Aber es ist auch viel Aufwand, ein passendes Thema vorzubereiten und die guten Abendtermine wahrscheinlich schon ausgebucht. „Wir schauen mal, wie sich die Pandemielage weiterentwickelt“, wirft Krause ein.

2018 waren Werner Gabel (links) und Heiko Krause Kandidaten für den Gemeinsam-Preis der Braunschweiger Zeitung. Foto: Henning Noske/BZV-Archiv

Ein weiteres Highlight ihrer gemeinsamen Zeit ist die Nominierung für Gemeinsam-Preis der Braunschweiger Zeitung 2018. Der dazu erschienene Artikel hängt gerahmt in Krauses Wohnzimmer: „Wir waren zwar nicht Sieger, aber unter den ersten zehn. Und eigentlich ist schon die Nominierung Anerkennung genug – unsere Arbeit wird geschätzt.“

Die Gruppe lebt vom Austausch

Bilder aus privaten Nachlässen und Sammlungen sind hinsichtlich des Copyrights oft unbedenklich. Oft genug muss Werner Gabel aber zweimal hinschauen, denn gescannte Bilder aus Büchern dürfen nicht ohne weiteres verbreitet werden. Foto: Der Löwe

Die beiden verbindet die Leidenschaft für die Geschichte und Entwicklung Braunschweigs. Dabei schauen sie aus sehr unterschiedlichen Blickwinkeln auf die Stadt: Krause ist bereits in der Juliusstraße aufgewachsen und verbindet mit den Straßenzügen ganz persönliche Geschichten, Gabel kam in den 1970er-Jahren aus Kassel nach Braunschweig. „Ich hatte schon immer Interesse an Fotografie und irgendwie fand ich so auch damals zu der Gruppe“, erinnert er sich. Der Austausch auf Facebook ist auch eine Möglichkeit ein Hobby mit anderen zu teilen, an dem die eigenen Kinder selbst kein Interesse haben. „Aber vielleicht kommt das noch. Wenn sie selbst merken, wie sich alles verändert.“

Eigentlich hatte Gabel sich zum Beginn der Pandemie vorgenommen, die Straßenzüge in der Innenstadt zu fotografieren. In einige Jahren sei es sicher spannend zu sehen, was sich verändert habe. Geschafft hat er einen Teil. Zu den beliebtesten Beiträgen in der Gruppe gehören Vergleiche von historischen und aktuellen Aufnahmen. Eine der ältesten Aufnahmen, die je in der Gruppe gepostet wurde, ist wahrscheinlich eine Postkarte aus den 1890ern. „Bei Postkarten ist das Copyright oft kein Problem. Bei Stadtkarten oder Büchern ist es dagegen schwieriger: Wir haben einige Autoren und Fotografen, die uns erlaubt haben, ihre Bilder in der Gruppe zu veröffentlichten – andere nicht. Das gibt immer wieder Diskussionen, wenn wir solche Beiträge löschen“, sagt Krause und weist darauf hin, dass Gruppen-Administratoren im Zweifel für Copyrightverstöße haften. Daher seien sie in der Hinsicht streng.

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