Brisanter Stoff fürs Theater: Holocaust, RAF-Terror und SED-Diktatur

Szene aus „Der Prozess I – Eichmann“. Foto: krügerXweiss/Bettina Stöß

Das Regieduo krügerX­weiss zeigt einmalig seine Trilogie zu Gerichts­pro­zessen deutscher Geschichte gemeinsam.

Marie-Luise Krüger und Christian Weiß haben in den vergan­genen Jahren unter dem Namen krügerX­weiss vier Theater-Produk­tionen geschaffen, die sich mit der juris­ti­schen Aufar­bei­tung der jüngeren deutschen Geschichte beschäf­tigen.  Thema­ti­siert wurden vor dem Hinter­grund, ob ein Prozess Gradmesser gelun­gener Vergan­gen­heits­be­wäl­ti­gung sein kann, der Holocaust, der RAF-Terror und die SED-Diktatur. Erstmals wird die Trilogie aus „Prozess I – Eichmann“, „Prozess II – RAF“ und „Prozess III – Honecker“ mit dem Prolog „Vor dem Sturm“ nun vom 7. bis 26. März gemeinsam in Braun­schweig aufge­führt. Gespielt wird an vier verschie­denen Orten: im Übersee­con­tainer, im Staats­theater, im LOT-Theater und im Braun­schweiger Dom. Ergänzt werden die Stücke durch eine Gesprächs­reihe im Roten Saal und Vermitt­lung für Schul­klassen (Kontakt: vermittlung@kruegerxweiss.info).

Der Prolog – Vor dem Sturm

lm Nachkriegs­winter 1946 wird bei tobender See ein blinder Junge geboren. Als er zehn Jahre alt ist, hört er eine Folge der Radio­sen­dung „Lebendige Vergan­gen­heit”. Während er seine Holzei­sen­bahn um den Esstisch zieht, wird über eine Konferenz berichtet – in Wannsee. Und es fällt der Name eines Ortes: Auschwitz. Ausge­stattet mit einer schwarzen Augen­binde tauchen die Besuche­rinnen und Besucher ins Nichts. Die Produk­tion basiert auf Inter­views mit blinden Richte­rinnen und Richtern. Gespielt wird im LOT-Theater am 7., 8. und 9. März jeweils um 19 Uhr sowie am 10. März um 18 und 20 Uhr (Tickets: 18 Euro/6 Euro ermäßigt, Vorver­kauf: www.lot-theater.de).

Der Prozess I – Eichmann

Szene aus „Der Prozess I – Eichmann“. Foto: krügerXweiss/Bettina Stöß

Vier Schau­spie­le­rinnen stehen an der Bühnen­kante. Schweiß­perlen glitzern ihnen auf der Stirn, ihr Atem geht schwer. Das Sakko baumelt an einem Haken, das Hemd ist zerknit­tert, die Krawatte ist ab. Der Prozess ist zu Ende. Eichmann ist überführt. Für ihre Bearbei­tung des Jerusa­lemer Eichmann-Prozesses montieren krügerX­weiss erstmals Eichmanns Aussagen vor Gericht mit seinen Memoiren aus der Haft. Fast andert­halb Stunden geben sie dem Täter, der die Depor­ta­tion von sechs Millionen Juden organi­sierte eine Bühne. Lassen ihn im O‑Ton sprechen. Kein Zeuge, kein Dokument brachte Eichmann zu Fall, er stolperte über das eigene Wort und einen Staats­an­walt, der ihn bei diesem nimmt. Gespielt wird am Kleinen Haus des Staats­thea­ters am 12. und 26. März jeweils um 19.30 Uhr. (Tickets: 10 bis 31,50 Euro, Vorver­kauf: www.staatstheater-braunschweig.de)

Der Prozess Prozess II – RAF

Im Übersee­con­tainer ist ein Wohnzimmer der 1960er Jahre zu sehen, durch dessen Mitte ein Riss geht. Die Genera­tionen finden wie auch die Besuche­rinnen und Besucher nicht zuein­ander. Getrennt vonein­ander erleben sie den Straf­pro­zess gegen die erste RAF-Genera­tion als akusti­sches Kammer­spiel. Aus den Prozess­akten und Tonband­pro­to­kollen haben krügerX­weiss ein Destillat des Stammheim-Prozesses geschaffen. Vertei­di­gung, Richter, Staats­an­walt­schaft und die angeklagten Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe sprechen mit einer Stimme. Gespielt wird im Übersee­con­tainer vor dem Platz des Staats­thea­ters. Termine sind:  9., 16. und 23. März (jeweils 15, 17, und 19 Uhr), 10.,11.,18. und 25. März (jeweils 13, 15, 17, 19 und 21 Uhr), 12.,13.,19. und 26. März (jeweils 13, 15, 17 und 19 Uhr), 17. und 24. März (jeweils 15, 17, 19 und 21 Uhr). Tickets: 16 Euro/ ermäßigt 10 Euro. Vorver­kauf: u.a. Konzert­kasse.

Szene aus „Der Prozess Prozess II – RAF“. Foto: krügerXweiss/Helge Krücke­berg

Der Prozess III – Honecker

In dem inter­ak­tiven Hörstück folgen die Besuche­rinnen und Besucher den Spuren des ehema­ligen DDR-Staats­ober­haupts Erich Honecker und seiner imagi­nierten Erzählung. Als am 12. November 1992 die Tür im Gerichts­saal 700 des Schwur­ge­richts Berlin Moabit geöffnet wird, tritt ein alter Mann zur Ankla­ge­bank. Der Vorwurf lautet Totschlag. Aber Honecker hat Krebs. Das Verfahren wird einge­stellt. Ein Urteil wird nie gespro­chen. Wortpro­to­kolle des Prozesses gibt es nicht. Übrig bleiben absurde Anekdoten und eine 12-seitige Erklärung des Angeklagten vor Gericht. krügerX­weiss lassen den Täter sprechen, machen ihn zum Protago­nisten seiner eigenen Geschichte. Im Braun­schweiger Dom sind an folgenden Terminen jeweils vier Plätze vorhanden: 10., 13. – 17. und 20. – 24. März (jeweils 13, 15, 18 und 20 Uhr), 11. März (17, 19 und 21 Uhr), 12. März (15, 17 und 19 Uhr), 18.und 25. März (13, 15, 17, 19 und 21 Uhr), 19. März (12, 14 und 19 Uhr), 26. März (13, 15, 17 und 19 Uhr). Tickets: 16 Euro/ ermäßigt 10 Euro. Vorver­kauf: u.a. Konzert­kasse.

Die Gesprächs­reihe im Roten Saal

12. März, 16 Uhr: Transi­tional Justice: Wenn der Gerichts­saal keine Versöh­nung bringt
19. März, 16 Uhr: Gegen die Ohnmacht: Wenn der Rechts­staat Unrecht begeht
26. März, 16 Uhr: Public Viewing: Wenn im Namen des Volkes ein Urteil ergeht

Förderer: u.a. Braun­schwei­gi­sche Sparkas­sen­stif­tung, Braun­schwei­gi­sche Landes­spar­kasse, Stadt Braun­schweig – Fachbe­reich Kultur und Wissen­schaft, Stiftung Forum Recht, Braun­schweig, Die Braun­schwei­gi­sche Stiftung, Stiftung Braun­schwei­gi­scher Kultur­be­sitz.

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