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Im Zeichen des Löwen

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Vor 20 Jahren bewarben sich Braunschweig und die Region um den Titel „Europas Kulturhauptstadt 2010“.

Braunschweig und der Region fehlte es bei der Bewerbung zu Europas Kulturhauptstadt 2010 nicht an Selbstvertrauen. Vor 20 Jahren warben sie bundesweit für sich mit einem auffälligen, kräftig-orangenen Plakat, einem markanten Löwenkopf und dem frechen Slogan „König der Bewerber“ darauf. Für große Aufmerksamkeit war in der breiten Öffentlichkeit gesorgt. Es gab viel Sympathie, aber die Entscheidung fiel ein Jahr später im Bundesrat. Trotz der herausragenden Bewerbungsschrift unter dem Titel „Zeitlandschaften“ zogen Braunschweig und die Region angesichts des dramatischen Strukturwandels im Ruhrgebiet gegenüber Essen stellvertretend für 53 weitere Städte unter dem Titel „RUHR.2010“ den Kürzeren. Und dennoch war die Initiative, die Braunschweigs damaliger Oberbürgermeister Gert Hoffmann schon 2001 erstmals ins Spiel gebracht hatte, ein national bemerkenswerter Imagegewinn. Er wurde schließlich mit dem Titel „Stadt der Wissenschaft 2007“ bestätigt.

Europäische Kultur-Geschichte

„Mit der Bewerbungsschrift sagen die Städte und Landkreise Braunschweig, Gifhorn, Goslar, Helmstedt, Peine, Salzgitter, Wolfenbüttel und Wolfsburg deutlich: Braunschweig und die Region haben nicht nur europäische Kultur-Geschichte geschrieben. Von hier werden auch künftig wichtige Signale nach Europa ausgehen. Die gebündelten Kräfte unserer Region haben das Potenzial, den Anforderungen und Herausforderungen einer Kulturhauptstadt Europas gerecht zu werden. Darin bestärken uns die vielen positiven Reaktionen aus der Bevölkerung. Diese Region brennt darauf zu zeigen, was sie hat und was sie kann“, hieß es vor zwei Jahrzehnten in der Bewerbungsschrift. Deutschland, Ungarn (Pécs) und die Türkei (Istanbul) hatten seinerzeit aufgrund des Rotationsprinzips das Nominierungsrecht.
Die Braunschweiger Zeitung kommentierte: „Die Qualität der Bewerbung, ganz besonders durch ihren regionalen Ansatz, ist stark und außergewöhnlich. Das breite Spektrum vom Goslarer Rammelsberg über die Wolfsburger Autostadt bis hin zu Braunschweigs jahrhundertealter Geschichte hat Substanz … Selbst die Motoren der Initiative stellten die Bewerbung zunächst unter das zweifelnde Motto: Der Weg ist das Ziel. Doch die Stimmung schlägt um.“ Das Braunschweiger Land war durch die gemeinsame Bewerbung von einer Aufbruchstimmung erfasst und störendes Konkurrenzdenken wurde hinten angestellt. In der Folge entwickelten sich Initiativen wie „ForschungsRegion Braunschweig“ (2004), „Projekt Region Braunschweig“ (2008) und „Allianz für die Region“ (2013).

Löwen-Plakat in 36 Städten

Das Löwen-Poster. Foto: Stadtarchiv

Unter den ganz vielen Marketingaktionen Braunschweigs und der Region ragte im nationalen Ringen um die erhoffte Berücksichtigung das Hängen der Löwe-Plakate heraus. Dass das Foto tatsächlich eine Löwin und keinen Löwen zeigte, tat dem Hype um das unübersehbare Poster keinen Abbruch. Mehr als 3200 davon warben bundesweit in 36 Städten für Braunschweigs Bewerbung. Gehängt wurde es unter anderem in Berlin, Bonn, Dessau, Erfurt, Hamburg, Hannover, Kiel, Lüneburg, Magdeburg, Mainz, Mönchengladbach, Münster, Osnabrück, Passau, Weimar und Wiesbaden. Sowie in Braunschweig, Wolfsburg, Wolfenbüttel, Helmstedt, Salzgitter und Goslar. In Peine und Gifhorn gab es keine City-Light-Vitrinen, in denen die Werbung hätte gezeigt werden können. Das Stadtmarketing verkaufte 4500 Stück mit dem Motiv in verkleinertem Maßstab. Das Plakat war ein Coup, die Wahrnehmung, nicht zuletzt in den Medien, enorm.
„Braunschweig: Das ist der Löwe“, kommentierte Oberbürgermeister Gert Hoffmann das Plakatmotiv damals bei der Präsentation im Rathaus. „Das ist bundesweit bekannt, überdies ist der Löwe nicht nur unser Wappentier, sondern ein starkes und griffiges Leitmotiv für unsere regionale Bewerbung. Der Löwe steht für Kraft, Willensstärke, Selbstbewusstsein, Klugheit und Eleganz. Er macht einen berechtigten Anspruch geltend. Das ist kein leerer Slogan. Wir sind sicher, die beste Bewerbung vorgelegt zu haben. Der Löwe steht für eine Region mit einer reichen Geschichte, in der bedeutende Unternehmen ihren Sitz haben und die überdies eine der wichtigsten Forschungsregionen Europas ist. Auf dieser Basis lotet die Bewerbungsschrift die Zukunft der Region über das Jahr 2010 aus.“

Der Löwe in der Tagesschau

Schon bei der Vorstellung der Bewerbung im Auswärtigen Amt in Berlin hatte der Braunschweiger Löwe für Furore gesorgt. Die Stadt hatte einen präparierten Löwen aus dem Staatlichen Naturhistorischen Museum mitgebracht, der es bis in die Tagesschau der ARD brachte. Mit der bundesweiten Imageaktion stiegen Braunschweig und die Region in die zweite Phase der Bewerbung ein.
Landesweit hatten sie sich zunächst gegen Osnabrück durchgesetzt. In einem Kommentar verstieg sich eine in Hannover erscheinende Zeitung damals auf die verwegene Feststellung, beim Zuschlag für Braunschweig habe sich um ein „abgekartetes Spiel“ gehandelt und die Bewerbung Osnabrücks sei nur pro forma geprüft worden. Die CDU/FDP-Landesregierung hatte sich in der Tat schon bei der Koalitionsvereinbarung bereits auf Braunschweig festgelegt. Die TAZ sprach im Vorfeld der Abstimmung im Landtag gar davon, dass Braunschweig sich „blamiert“ habe, weil es die Bewerbungsschrift noch einmal nachgeschärft habe.

Mit Heinrich dem Löwen in Hannover

Braunschweigs Oberbürgermeister Hoffmann dankte dagegen ausdrücklich dem damaligen Ministerpräsidenten Christian Wulff für ein überaus faires Auswahlverfahren. Die Entscheidung sei für ihn gewiss schwierig gewesen, denn auch seine Heimatstadt Osnabrück habe eine sehr respektable Bewerbung vorgelegt. „Das ist eine ganz wichtige Bestätigung für unsere Bewerbung und ein Signal an die Menschen in der ganzen Region, dass sie mit ihrer Aufbruchstimmung richtig liegen“, freute er sich, die gemeistert zu haben. Die Tatsache, dass Christoph Stölzl sich auf Grundlage der Bewerbungsschrift entschlossen hatte, Braunschweig und die Region als Kurator zu unterstützen, sei überaus hilfreich gewesen.

Christoph Stölzl, der ehemalige Berliner Kultursenator, hatte Ende März 2004 die offizielle Bewerbungsschrift in Hannover abgegeben. Die Jazzkantine spielte ihre eigens komponierte Braunschweiger Kulturhauptstadt-Hymne. „Schirmherren“ der Bewerbung waren Heinrich der Löwe, Till Eulenspiegel, Carl Friedrich Gauß und Gotthold Ephraim Lessing, dargestellt von Schauspielern in historischen Gewändern. Braunschweig und die Region wurden bundesweit als bedeutender Kultur- und Wissenschaftsstandort wahrgenommen.

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