Im Zeichen des Löwen

Oberbürgermeister Gert Hoffmann (links) und Kurator Christoph Stölzl (rechts) präsentierten 2004 in Berlin das Werbeposter und die Bewerbungsschrift. In der Mitte von links Hans Hartmann (Generalbevollmächtigter der Nord-LB), Werner Knopp (Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz) und Wolfgang Gibowski (Leiter der Niedersächsischen Landesvertretung in Berlin). Foto: Stadtarchiv

Vor 20 Jahren bewarben sich Braun­schweig und die Region um den Titel „Europas Kultur­haupt­stadt 2010“.

Braun­schweig und der Region fehlte es bei der Bewerbung zu Europas Kultur­haupt­stadt 2010 nicht an Selbst­ver­trauen. Vor 20 Jahren warben sie bundes­weit für sich mit einem auffäl­ligen, kräftig-orangenen Plakat, einem markanten Löwenkopf und dem frechen Slogan „König der Bewerber“ darauf. Für große Aufmerk­sam­keit war in der breiten Öffent­lich­keit gesorgt. Es gab viel Sympathie, aber die Entschei­dung fiel ein Jahr später im Bundesrat. Trotz der heraus­ra­genden Bewer­bungs­schrift unter dem Titel „Zeitland­schaften“ zogen Braun­schweig und die Region angesichts des drama­ti­schen Struk­tur­wan­dels im Ruhrge­biet gegenüber Essen stell­ver­tre­tend für 53 weitere Städte unter dem Titel „RUHR.2010“ den Kürzeren. Und dennoch war die Initia­tive, die Braun­schweigs damaliger Oberbür­ger­meister Gert Hoffmann schon 2001 erstmals ins Spiel gebracht hatte, ein national bemer­kens­werter Image­ge­winn. Er wurde schließ­lich mit dem Titel „Stadt der Wissen­schaft 2007“ bestätigt.

Europäi­sche Kultur-Geschichte

„Mit der Bewer­bungs­schrift sagen die Städte und Landkreise Braun­schweig, Gifhorn, Goslar, Helmstedt, Peine, Salzgitter, Wolfen­büttel und Wolfsburg deutlich: Braun­schweig und die Region haben nicht nur europäi­sche Kultur-Geschichte geschrieben. Von hier werden auch künftig wichtige Signale nach Europa ausgehen. Die gebün­delten Kräfte unserer Region haben das Potenzial, den Anfor­de­rungen und Heraus­for­de­rungen einer Kultur­haupt­stadt Europas gerecht zu werden. Darin bestärken uns die vielen positiven Reaktionen aus der Bevöl­ke­rung. Diese Region brennt darauf zu zeigen, was sie hat und was sie kann“, hieß es vor zwei Jahrzehnten in der Bewer­bungs­schrift. Deutsch­land, Ungarn (Pécs) und die Türkei (Istanbul) hatten seiner­zeit aufgrund des Rotati­ons­prin­zips das Nominie­rungs­recht.
Die Braun­schweiger Zeitung kommen­tierte: „Die Qualität der Bewerbung, ganz besonders durch ihren regio­nalen Ansatz, ist stark und außer­ge­wöhn­lich. Das breite Spektrum vom Goslarer Rammels­berg über die Wolfs­burger Autostadt bis hin zu Braun­schweigs jahrhun­der­te­alter Geschichte hat Substanz … Selbst die Motoren der Initia­tive stellten die Bewerbung zunächst unter das zweifelnde Motto: Der Weg ist das Ziel. Doch die Stimmung schlägt um.“ Das Braun­schweiger Land war durch die gemein­same Bewerbung von einer Aufbruch­stim­mung erfasst und störendes Konkur­renz­denken wurde hinten angestellt. In der Folge entwi­ckelten sich Initia­tiven wie „Forschungs­Re­gion Braun­schweig” (2004), „Projekt Region Braun­schweig“ (2008) und „Allianz für die Region“ (2013).

Löwen-Plakat in 36 Städten

Das Löwen-Poster. Foto: Stadt­ar­chiv

Unter den ganz vielen Marke­ting­ak­tionen Braun­schweigs und der Region ragte im natio­nalen Ringen um die erhoffte Berück­sich­ti­gung das Hängen der Löwe-Plakate heraus. Dass das Foto tatsäch­lich eine Löwin und keinen Löwen zeigte, tat dem Hype um das unüber­seh­bare Poster keinen Abbruch. Mehr als 3200 davon warben bundes­weit in 36 Städten für Braun­schweigs Bewerbung. Gehängt wurde es unter anderem in Berlin, Bonn, Dessau, Erfurt, Hamburg, Hannover, Kiel, Lüneburg, Magdeburg, Mainz, Mönchen­glad­bach, Münster, Osnabrück, Passau, Weimar und Wiesbaden. Sowie in Braun­schweig, Wolfsburg, Wolfen­büttel, Helmstedt, Salzgitter und Goslar. In Peine und Gifhorn gab es keine City-Light-Vitrinen, in denen die Werbung hätte gezeigt werden können. Das Stadt­mar­ke­ting verkaufte 4500 Stück mit dem Motiv in verklei­nertem Maßstab. Das Plakat war ein Coup, die Wahrneh­mung, nicht zuletzt in den Medien, enorm.
„Braun­schweig: Das ist der Löwe“, kommen­tierte Oberbür­ger­meister Gert Hoffmann das Plakat­motiv damals bei der Präsen­ta­tion im Rathaus. „Das ist bundes­weit bekannt, überdies ist der Löwe nicht nur unser Wappen­tier, sondern ein starkes und griffiges Leitmotiv für unsere regionale Bewerbung. Der Löwe steht für Kraft, Willens­stärke, Selbst­be­wusst­sein, Klugheit und Eleganz. Er macht einen berech­tigten Anspruch geltend. Das ist kein leerer Slogan. Wir sind sicher, die beste Bewerbung vorgelegt zu haben. Der Löwe steht für eine Region mit einer reichen Geschichte, in der bedeu­tende Unter­nehmen ihren Sitz haben und die überdies eine der wichtigsten Forschungs­re­gionen Europas ist. Auf dieser Basis lotet die Bewer­bungs­schrift die Zukunft der Region über das Jahr 2010 aus.“

Der Löwe in der Tages­schau

Schon bei der Vorstel­lung der Bewerbung im Auswär­tigen Amt in Berlin hatte der Braun­schweiger Löwe für Furore gesorgt. Die Stadt hatte einen präpa­rierten Löwen aus dem Staat­li­chen Natur­his­to­ri­schen Museum mitge­bracht, der es bis in die Tages­schau der ARD brachte. Mit der bundes­weiten Image­ak­tion stiegen Braun­schweig und die Region in die zweite Phase der Bewerbung ein.
Landes­weit hatten sie sich zunächst gegen Osnabrück durch­ge­setzt. In einem Kommentar verstieg sich eine in Hannover erschei­nende Zeitung damals auf die verwegene Feststel­lung, beim Zuschlag für Braun­schweig habe sich um ein „abgekar­tetes Spiel“ gehandelt und die Bewerbung Osnabrücks sei nur pro forma geprüft worden. Die CDU/FDP-Landes­re­gie­rung hatte sich in der Tat schon bei der Koali­ti­ons­ver­ein­ba­rung bereits auf Braun­schweig festge­legt. Die TAZ sprach im Vorfeld der Abstim­mung im Landtag gar davon, dass Braun­schweig sich „blamiert“ habe, weil es die Bewer­bungs­schrift noch einmal nachge­schärft habe.

Mit Heinrich dem Löwen in Hannover

Braun­schweigs Oberbür­ger­meister Hoffmann dankte dagegen ausdrück­lich dem damaligen Minis­ter­prä­si­denten Christian Wulff für ein überaus faires Auswahl­ver­fahren. Die Entschei­dung sei für ihn gewiss schwierig gewesen, denn auch seine Heimat­stadt Osnabrück habe eine sehr respek­table Bewerbung vorgelegt. „Das ist eine ganz wichtige Bestä­ti­gung für unsere Bewerbung und ein Signal an die Menschen in der ganzen Region, dass sie mit ihrer Aufbruch­stim­mung richtig liegen“, freute er sich, die gemeis­tert zu haben. Die Tatsache, dass Christoph Stölzl sich auf Grundlage der Bewer­bungs­schrift entschlossen hatte, Braun­schweig und die Region als Kurator zu unter­stützen, sei überaus hilfreich gewesen.

Christoph Stölzl, der ehemalige Berliner Kultur­se­nator, hatte Ende März 2004 die offizi­elle Bewer­bungs­schrift in Hannover abgegeben. Die Jazzkan­tine spielte ihre eigens kompo­nierte Braun­schweiger Kultur­haupt­stadt-Hymne. „Schirm­herren“ der Bewerbung waren Heinrich der Löwe, Till Eulen­spiegel, Carl Friedrich Gauß und Gotthold Ephraim Lessing, darge­stellt von Schau­spie­lern in histo­ri­schen Gewändern. Braun­schweig und die Region wurden bundes­weit als bedeu­tender Kultur- und Wissen­schafts­standort wahrge­nommen.

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