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Runderneuerung für eine Königin

Die restaurierte Orgel. Foto: Meike Buck
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Kontemplative Ruhe und meditative Stille findet man nicht in diesem Sommer in der Geitelder Kirche. Es wird gehämmert, gesägt, gestrichen, es riecht nach Holz und Farbe. Die Orgel, seit vergangenem November in einer Orgelbauwerkstatt zur Restaurierung, kehrt zurück.

Aufmerksam schaut Henning Rühmann den Orgelbauern und Restauratoren zu, die „seine“ Orgel wieder aufbauen. „Hier habe ich musikalisch laufen gelernt“, begründet er, warum ihm das Instrument so am Herzen liegt. Als vor einigen Jahren Schäden durch Schimmel, Holzwürmer und die Folgen von Umbauten aus den 1970er Jahren deutlich wurden, engagierte er sich für eine Restaurierung. Dabei gewann er die Unterstützung der Baupflegestiftung der Landeskirche, der Richard-Borek-Stiftung, der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz, der Eckensberger-Stiftung und der VR-Stiftung der Volksbank und Raiffeisenbanken. Besonders freut sich Rühmann über viele private Spenden und von Gruppen der Gemeinde.

Bei den Vorarbeiten beschäftigte sich Rühmann auch mit dem Goslarer Orgelbauer Georg Breust, der das Instrument 1842 entwarf. Breust baute mehr als 20 Orgeln in der Region, u.a. in Thiede, Leiferde, Groß Stöckheim und Sauingen. Rühmann hat sie sich alle angesehen. Die meisten sind jedoch nicht mehr funktionstüchtig oder es ist nur noch das Gehäuse erhalten und die Mechanik und das eigentliche Instrument längst ersetzt. Trotzdem hat er dabei wertvolle Hinweise für die Geitelder Orgel erhalten. So mussten zwei Register rekonstruiert werden, die bei Umbauarbeiten entfernt worden waren, darunter ein Violon-Register, das typisch war für den warmen Streicherklang, den man in der Romantik so schätzte. Dabei konnten sich die Orgelbauer nun an den Vorbildern der „Schwesternorgeln“ orientieren. Wie so viele Orgeln hatte man in den 1970er Jahren auch die Geitelder Orgel umgebaut, um einen „barockeren“, schärferen Klang zu erreichen und dabei auch einige Register ausgebaut bzw. gekürzt. Nun bekommt die Königin der Instrumente wieder acht Register im Manual und drei im Pedal.

Bei seinen Recherchen tauchte Rühmann tief in die Geschichte ein. So fand er in den Akten den Auftrag, den die Kirchengemeinde Breust zum Bau der Orgel erteilte – gegen den Willen der Landeskirche. „Die war strikt gegen eine Beauftragung von Breust, doch die Gemeinde bestand auf ihrer Wahl und setzte sich schließlich durch.“ Eine Begebenheit, die zeigt, wie sich die Gemeinde vor rund 80 Jahren für ihre Orgel einsetzte – so wie heute.

Die Arbeiten an der Orgel führt die Orgelbauwerkstatt Bente aus Helsinghausen bei Bad Nenndorf durch. Im vergangenen November wurde die Orgel von den Mitarbeitern komplett abgebaut und in der Werkstatt überarbeitet und restauriert. Dabei entdeckten die Orgelbauer einige interessante Details. „Die großen Holzpfeifen haben ein sehr ungewöhnliches Maß, Labial genannt. Um einen guten Klang zu bekommen, baut man sie normalerweise eher schmal“, erklärt Mirko Di Giglio, Projektleiter in der Werkstatt. „Breust konstruierte sie aber sehr breit – und erreichte so einen schönen Ton. Das war auch für uns neu.“ Zudem waren Bausubstanz und Qualität der Orgel sehr gut. „Breust hat sorgfältig gearbeitet und ein schlüssiges Konzept für seine Orgel entwickelt“, ergänzt Di Giglio, der zum ersten Mal ein Instrument des Goslarer Orgelbauers in der Werkstatt hatte. Zum Entwurf gehörte auch, dass die Orgel erstaunlich viele tiefe Register hat. „Das gibt einen vollen Klang“, freut sich Rühmann auf das Ergebnis nach der Restaurierung.

Doch die Gemeinde wird das Ergebnis der Arbeiten nicht nur hören, sondern auch sehen. Denn neu gestaltet wird auch das Gehäuse der Orgel. Untersuchungen legten historische Fassungen des Gehäuses frei, nun bekommt sie eine neue elfenbeinfarbene Fassung mit goldenen Elementen. Auch einige Holzteile werden ergänzt und die Orgel rückt etwa einen halben Meter weiter nach vorne – wo sie vor dem Umbau der 1970er Jahre ursprünglich stand.

Nach der Restaurierung und Rekonstruktion wird die Geitelder Orgel die einzige funktionstüchtige Breust-Orgel in ihrer ursprünglichen Konstruktion sein und eine der wenigen romantischen Orgeln in Braunschweig. Dann kehrt wieder Ruhe ein in die Dorfkirche – außer wenn Rühmann oder die anderen Organisten das Instrument zum Klingen bringen. Am 1. September lädt die Gemeinde zum Festgottesdienst zur „Wiederindienstnahme“ der Orgel, wie es in der evangelischen Kirche richtig heißt. Bis dahin müssen alle Arbeiten fertig sein, damit die mehr als 600 Pfeifen wieder klingen. Doch Rühmann wird natürlich vorher schon einmal „seine“ Orgel testen…

 

Indienstnahme der Orgel

Festgottesdienst zur Wiederindienstnahme der Breust-Orgel
Sonntag, 1. September 2019, 15:00 Uhr
Mit Domkantor Gerd-Peter Münden und Karl Huros, Cellist im Staatsorchester Braunschweig
Ev. Luth. Kirche Geitelde
Geiteldestraße 39
38122 Braunschweig

 

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