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Deutschlands erster englischer Garten

Schloss Richmond. Foto: Thomas Ostwald
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Braunschweigs skurrile Ecken und andere Merkwürdigkeiten, Folge 20: Lancelot Brown entwarf den Richmond-Park ohne das Gelände jemals gesehen zu haben.

Lancelot Brown entwarf 1737 für Prinzessin Augusta, Herzogin von Braunschweig-Wolfenbüttel, den Richmond-Park. Damit erhielt Braunschweig den ersten englischen Landschaftspark außerhalb Englands. Dieses Kleinod um das wunderbare Schloss Richmond wurde vor 29 Jahren mit Mitteln der Richard Borek Stiftung restauriert. Angesichts der Tatsache, dass 2017 ein kleines Jubiläum mit 30 Jahren gefeiert werden könnte und zugleich der 280. Jahrestag des Entwurfes damit zusammenfällt, ist der Zustand der unmittelbaren Umgebung des Schlosses allerdings verbesserungswürdig.

Lancelot Brown, der am 30. August 1716 in Kirkharle, Northumberland, geboren und am  6. Februar 1783 in London starb, war einer der bedeutendsten Gartengestalter des 18. Jahrhunderts. Weil ihm nichts „unmöglich“ schien, erhielt er bald den Beinamen „Capability“. Sein Typ eines „Englischen Gartens“, der die Landschaft in die Gestaltung mit einbezog, wurde prägend für einen ganzen Stil.

Während man in Deutschland noch die barocken Gartenanlagen schuf, wurde durch den Auftrag der Prinzessin Augusta von England, Herzogin von Braunschweig-Wolfenbüttel, um das 1768/69 gebaute Schloss Richmond nach dem Entwurf Lancelot Browns der erste englische Landschaftsgarten außerhalb Englands gestaltet.

Kleine Bauwerke wie der Rundtempel, Steinvasen und eine Waldkapelle sollten am Rande das „Gemälde“ vervollständigen, die Wege in einem geführten Bogen zur Oker herunterführen. Skurril bei der gesamten Gestaltung war jedoch die Tatsache, dass Lancelot Brown nie in Braunschweig war. Seine Pläne basieren alle nur auf vorgelegten Karten und Beschreibungen: Den Auftrag dazu bekam er am 27. Oktober 1767 und noch vor dem Ankauf des Geländes durch die Prinzessin. Doch diese Art der Arbeit war für den Landschaftsgärtner nicht neu und die Herausforderung nahm er gern an.

Die noch heute erkennbaren Sichtachsen bis weit in die Aue wurden durch unregelmäßig angeordnete Baumgruppen gebildet und reichten ursprünglich bis in den Harz. Browns Entwurf wurde durch den Braunschweiger Gärtnermeister Götze umgesetzt und vermittelt eine gestaltete Natur wie ein Landschaftsgemälde. Auf ähnliche Weise hatte Brown auch den Richmondpark in London gestaltet.

Durch den hohen Hügel, auf dem mit der Leichtigkeit eines Gartenpavillons Schloss Richmond steht, wurde der Hang zur Oker Theaterähnlich gestaltet und gibt dem Betrachter bis heute einen faszinierenden Ausblick. Der fürstliche Gärtner Götze begann mit der Ausführung der Pläne ab 1768. Spätere Umgestaltungen und Erweiterungen des Gartens erfolgten in der Regierungszeit Herzog Wilhelms unter Gustav Burmester, während Carl Theodor Ottmer ab 1833 New Richmond Castle (1906 abgebrochen) und die Villa Richmond errichtete. Teile des erweiterten Parks sind noch unterhalb des Braunschweig Kollegs und am Kennel (ehemaliger Hundezwinger) erkennbar.

1987 wurde der Richmond-Park mit Unterstützung der Richard Borek Stiftung restauriert und man bemühte sich, vieles von den alten Sichtachsen wieder erkennbar zu machen. Dazu gehörte auch der im Jahr 2000 aufgestellte Rundtempel, der ursprünglich aus dem Schlosspark von Salzdahlum stammte und inzwischen im Privatbesitz bei Gifhorn war. Der Rundtempel als achtsäuliger Monopteros bildet heute den Abschluss der Sichtachse durch das Schloss und über den  „Pleasure ground“ vor dem Schloss.

Würden Lancelot Brown oder gar Prinzessin Augusta heute einen Fuß in den Park setzen – sie würden enttäuscht sein angesichts des Pflegezustands. Sowohl das historischer Gebäude als auch der Garten entsprechen in ihrem gegenwärtigen Zustand nicht der kulturhistorischen Bedeutung der Anlage, als einer der der ältesten Landschaftsparks in Deutschland neben Wörlitz. Der Richmond-Park bietet viel Potential für eine kulturell und geschichtlich aufgeschlossene Stadt.

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