Friedrich Gerstä­cker starb vor 150 Jahren

Friedrich Gerstäcker. Foto: gemeinfrei

Malaria und der Ärger über einen Streit mit einem Parkwächter trieben den Abenteurer in den Tod.

In der Nacht vom 30. auf den 31. Mai 1872 starb in seinem Haus an der Oker der Abenteurer, Weltrei­sende und Schrift­steller Friedrich Gerstä­cker in den Armen seiner Tochter Mädy. Seine Ehefrau war wenige Tage zuvor zu Verwandten gereist. In seinem Kalender hatte Friedrich Gerstä­cker am 27. Mai kurz und knapp vermerkt: „krank“ – was bei einem Mann wie Gerstä­cker wohl eine besondere Bedeutung hatte.

Vermut­lich an Malaria erkrankt, hatte er gelegent­lich mit Fieber­schüben zu tun. Sein Gesund­heits­zu­stand hatte sich nach Aufre­gungen am Karfreitag jedoch erheblich verschlech­tert. An diesem 29. März 1872 war es zu einem Eklat gekommen, als er eine Gruppe Jungen beobach­tete, wie sie Steine auf sein Boot warfen und Vogel­nester ausnahmen. Er machte dem Parkwächter Vorwürfe. Die Ausein­an­der­set­zung mit diesem Mann, der Ärger über die frechen Jungen und die erfolgte Anzeige gegen Gerstä­cker vom Parkwächter versetzten ihn in nicht geringe Aufregung.

Roman blieb unvoll­endet

Trotzdem schrieb er weiter Tag und Nacht an seinem Roman „Am Orinoco“, den er unbedingt vor Antritt seiner großen Asien­reise, die ihn nach Indien, China und Japan führen sollte, fertig­stellen wollte. Das Schicksal ließ es nicht zu: Am 2. Juni 1872 wurde der Weitge­reiste auf dem Magnif­riedhof unter großer Anteil­nahme der Bevöl­ke­rung im Alter von 56 Jahren beigesetzt. Ein Braun­schweiger Bürger hatte per Plakat alle Bürger und besonders die Gesang­ver­eine aufge­rufen, dem Schrift­steller das letzte Geleit zu geben.

Vergeb­lich waren die Aufrufe in der populären Zeitschrift „Die Garten­laube“, seine umfang­reiche, ethno­lo­gi­sche Sammlung zu erhalten. Niemand fand sich, der bereit war, alles zu übernehmen – nur Fragmente seiner von zahlrei­chen Reisen mitge­brachten Gegen­stände finden sich heute im Städti­schen Museum. Die 1865 eröffnete Sammlung im Neustadt­rat­haus wurde erst in das eigene Museums­ge­bäude am Löwenwall nach Fertig­stel­lung 1906 übernommen – leider war zu diesem Zeitpunkt die reich­hal­tige Gerstä­cker-Sammlung in alle Winde zerstreut.

Exponate in alle Winde zerstreut

1979 gründete ich zusammen mit einigen Braun­schwei­gern die Friedrich-Gerstä­cker-Gesell­schaft, die sich zur Aufgabe machte, das Werk des Autors zu bewahren, neu heraus­zu­geben und an das abenteu­er­liche Leben des Schrift­stel­lers zu erinnern. Das Gerstä­cker-Museum fand Räumlich­keiten im histo­ri­schen Gebäude neben Schloss Richmond. Aus Alters­gründen wurde das Museum am 3. Oktober 2016 geschlossen, die Sammlung mit Gegen­ständen aus Gerstä­ckers Nachlass sowie zahlrei­chen weiteren Gegen­ständen aus seiner Zeit erlitt ein ähnliches Schicksal wie einst Gerstä­ckers eigene Sammlung. Die einst von Friedrich Gerstä­cker mitge­brachten und im Famili­en­be­sitz bewahrten Exponate gingen an das Städti­sche Museum, eine umfang­reiche Sammlung seiner verschie­denen Werkaus­gaben erhielt das Stadt­ar­chiv Braun­schweig, Waffen und andere Exponate gingen an ein anderes Museum, eine Figur im nachge­fer­tigten Jagdanzug, wie ihn Gerstä­cker beschrieb, erhielt das Auswan­derer-Museum Ballin­stadt.

Der Mann, der einst ein ganzes Genre beein­flusste und zahlreiche Anregungen für Karl May gab – der erste Indianer in der deutschen Literatur mit einer „Silber­büchse“ ist Friedrich Gerstä­ckers Indianer Assowaum –, geriet sowohl in seiner Geburts­stadt Hamburg wie in Braun­schweig, wo er seine Jugend­jahre und seine letzten Lebens­jahre verbrachte, immer mehr in Verges­sen­heit.

Wenig Nähe zum Namens­geber

Das Grab auf dem Magnif­riedhof erhielt einst durch Anregung der Gerstä­cker-Gesell­schaft eine gründ­liche Renovie­rung, die Gerstä­cker-Straße erinnert an ihn unmit­telbar vor dem Friedhof. Aber sonst? Da gibt es noch den ältesten Jugend­buch­preis Deutsch­lands, der seinen Namen trägt. Und damit sind so gut wie alle Würdi­gungen auch schon erwähnt. Die Präambel für die Preis­ver­lei­hung wurde gelockert und moder­ni­siert, inzwi­schen wurden Preis­träger ermittelt, deren Arbeiten nur noch sehr entfernt mit dem umfang­rei­chen Werk des Weltrei­senden zu tun haben.

In der Stadt­bi­blio­thek finden sich zwar – für den Lesesaal ausleihbar – Bände der Ausgabe ab 1871 bei H. Costenoble in Fraktur­schrift – aber kein einziger Band der inzwi­schen 32-bändigen Neuaus­gabe der Gerstä­cker-Gesell­schaft in modernem Satz und Anmer­kungen der Heraus­geber. In diesem Jahr wird der Friedrich-Gerstä­cker-Preis wieder vergeben. Es bleibt abzuwarten, wie im Rahmen der Feier­stunde der Namens­geber gewürdigt wird. Nicht nur deshalb, weil sich zufällig sein Todestag zum 150. Mal jährt.

Mehr unter: www.gerstaecker.org

Thomas Ostwald ist Vorsit­zender der Friedrich-Gerstä­cker-Gesell­schaft.

Das könnte Sie auch interessieren

  • Platz für viele Träume vom großen Abenteuer

    Platz für viele Träume vom großen Abenteuer

    „Kris“-Sonderausstellung eröffnet im kleinen, aber feinen Friedrich-Gerstä­cker-Museum an der Wolfen­büt­teler Straße. Im Gegensatz zum berühmten Karl May hat Friedrich Gerstä­cker die Schau­plätze seiner Abenteu­er­ro­mane tatsäch­lich besucht. Der Schrift­steller Gerstä­cker war ein wahrer Welten­bummler, seine Bücher wie „Die Regula­toren in Arkansas“ (1846) oder „Die Flußpi­raten des Missis­sippi“ (1847) sind authen­tisch, seine Landschafts­be­schrei­bungen inspi­rie­rend und seine Erzäh­lungen… Weiterlesen

  • Er inspi­rierte Karl May

    Er inspi­rierte Karl May

    Symposium und vier neue Bücher zum 200. Geburtstag des Abenteuer-Schrift­stel­lers Friedrich Gerstä­cker. Der Geburtstag von Friedrich Gerstä­cker jährt sich am 10. Mai zum 200. Mal. Dem Weltrei­senden und Verfasser von Abenteu­er­ro­manen zu Ehren veran­staltet die Friedrich-Gerstä­cker-Gesell­schaft am 7. Mai im Schloss Richmond ein umfang­rei­ches Symposium. Dazu gehört auch eine Führung durch die Dauer­aus­stel­lung „Nach Amerika“… Weiterlesen

  • Die Geheim­nisse der Oker

    Die Geheim­nisse der Oker

    Braunschweigs skurrile Ecken und andere Merkwürdigkeiten, Folge 31: vom Hakemann, dem Krokodil und neugierigen Männerblicken. Weiterlesen