Von der Dienst­bo­ten­an­stalt zum Hotel

Burg Dankwarderode, Ruhfäutchenplatz und das Deutsche Haus. Foto: Archiv Ostawald

Braun­schweigs skurrile Ecken und andere Merkwür­dig­keiten, Folge 49: Ruhfäut­chen­platz und das Deutsche Haus.

Amalie Löbbecke (1793–1883), Ehefrau des Bankiers Friedrich Karl Löbbecke, gründete Anfang der 1840er Jahre mit mehreren anderen Frauen eine im Hunger­jahr 1847 noch erwei­terte ‚Speise­an­stalt für Bedürf­tige‘, die bis zur Gründung der Volks­küche 1887 bestand. Ihre Nichte Luise Löbbecke (1808–1892) war ähnlich sozial einge­stellt wie ihre Tante, betei­ligte sich ebenfalls an diesem Projekt und gründete 1845 eine ‚Erzie­hungs­an­stalt für weibliche Dienst­boten‘. Die sehr verschach­telten Häuser der Lehran­stalt befanden sich am Ruhfäut­chen­platz, dort, wo 1896 das Hotel „Deutsches Haus“ neu gebaut und einge­weiht wurde.

Neben weiteren Projekten bat Luise Löbbecke in einem Schreiben an das Herzog­liche Braun­schwei­gi­sche Staats­mi­nis­te­rium 1865 eine Stiftung für geistig behin­derte Kinder einzu­richten. Unter­stüt­zung fand sie dabei durch den Medziner Oswald Berkhan und den Pfarrer Gustav Stutzer, so dass 1868 die Anstalt in Neuerke­rode gegründet wurde. Luise Löbbecke wurde 1862 die erste weibliche Ehren­bür­gerin unserer Stadt.

Zurück zum Ruhfäut­chen­platz: Im 19. Jahrhun­dert wurde mit der Umgestal­tung von Münzgraben und Burggraben (1873) begonnen. Die Oker wurde durch einen gemau­erten Kanal geleitet und geschlossen, die Münzstraße entstand. Davor waren bereits die Überreste der einstigen Burgmühle, zwei Pumpen­werke für Wasser­spiele abgebaut worden und der Mauern­graben zugeschüttet worden.

Der Ruhfäuch­ten­platz am rechten Okerufer wurde schon als Ruhfeid­gen­platz in einem Plan aus dem Jahr 1741 benannt. Zwischen 1789 und 1798 wurde der Name auf die andere Seite übertragen. Er soll seinen Namen von der Bevöl­ke­rung erhalten haben, als die hier wohnenden Hofdiener ihre seidenen Strümpfe mit den rauen Gamaschen der Soldaten schützten. Die Bürger sollen sich erstaunt über die „rauen Füßchen“ im Gegensatz zu den glatten Seiden­strümpfen geäußert haben.

Der gesamte Platz erhielt ein anderes Aussehen durch die massiven Gebäude von Bezirks­re­gie­rung, Landes­bank, Rathaus, Burg Dankwar­derode und letztlich – dem Neubau des Hotels. Im Gegensatz zu der Erzie­hungs­an­stalt wurde für das Hotel ein massives Steinhaus erbaut, das ständig moder­ni­siert wurde, so zum Beispiel von 1910 an als Badezimmer mit Toiletten einge­richtet wurden.

Regel­mäßig kam nach der Macht­er­grei­fung durch die Natio­nal­so­zia­listen der Reichs­jä­ger­meister Hermann Göring nach Braun­schweig und stieg nicht im Reichs­jä­gerhof in Riddags­hausen ab, obwohl man die Gleise für seinen Sonderzug eigens bis vor die Haustür verlegt hatte. Die Angst vor Atten­taten bewegte ihn, im Deutschen Haus zu logieren und dann mit seinen Gästen im Ritter­saal der von Ludwig Winter wieder aufge­bauten Burg Dankwar­derode zu speisen. Dafür musste der noch heute bestehende Übergang im Fachwerk­stil zwischen Hotel und Burg errichtet werden, denn weder die Gäste noch die Speisen sollten über den Umweg des Außen­be­reichs den Ritter­saal erreichen. In der Nachkriegs­zeit war das teilzer­störte Hotel zum Casino der engli­schen Offiziere geworden.

1904 hatte man auf dem Ruhfäut­chen­platz, etwa dort, wo heute Jürgen Webers Chris­ten­tum­säule steht, ein Denkmal für Herzog Wilhelm errichtet, das im Zweiten Weltkrieg einge­schmolzen wurde. Ein früheres Denkmal zu Ehren Herzog Wilhelms wurde nach einem Entwurf von Constantin Uhde gefertigt und stand am Domplatz ab ca. 1880. Damit ehrten die Braun­schweiger ihren Herzog anläss­lich seines 50jährigen Thron­ju­bi­läums. Was aus dieser Säule wurde, ist nicht bekannt.

Einwei­hung Herzog Wilhelm-Denkmal 1904. Foto: Archiv Ostawald

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