Auf der Weltkarte des 13. Jahrhun­derts

Der Ausschnitt aus der Ebstorfer Weltkarte zeigt die Stadt Braunschweig. Foto: Archiv Ostwald
Der Ausschnitt aus der Ebstorfer Weltkarte zeigt die Stadt Braunschweig. Foto: Archiv Ostwald

Braun­schweigs skurrile Ecken und andere Merkwür­dig­keiten, Folge 50 und Abschluss: Von Brunos Wiek zu Braun­schweig.

Die Gründungs­sage Braun­schweigs beschreibt, dass die beiden Brüder Bruno und Dankward einst die Stadt gegründet hätten. Dankward erbaute die Burg, die auch im Wieder­aufbau von Ludwig Winter noch den Namen Dankwar­derode erhielt (Dankward rodete also dort an der Oker ein Stück für die Errich­tung der Burg), während Bruno ein Wiek, also eine Siedlung oder einen Handels­platz gründete. Diese Sage basiert auf der Nieder­schrift des Zollschrei­bers Hermen Bote, der in seiner Weltchronik das Jahr 861 für die Gründung der Stadt durch die beiden Brüder vermerkt.

Sie hätten, laut Bote, Ganders­heim zugunsten ihres Bruders Otto verlassen und an der Oker die neue Siedlung gegründet. Zu Ehren der Apostel Peter und Paul soll Dankward neben der Burg eine Kirche erbaut haben, während sein Bruder in der Gegend vom Eiermarkt die Siedlung angelegt und eine Kirche für den Heiligen Jakob errichtet haben soll. Obwohl das alles im Bereich der Sagen liegt, feierten die Braun­schweiger im August 1861 das tausend­jäh­rige Stadt­ju­bi­läum. Die Stadt­väter beriefen sich damals auf einen an der Jakob­ka­pelle gefun­denen Stein mit der Zahl ‚861‘. Die aller­dings in arabi­schen Ziffern geschrieben stand – was im 9. Jahrhun­dert kaum möglich gewesen wäre.

Noch 1960 fand sich diese Geschichte in der Neuauf­lage der Broschüre ‚Wie die Stadt Braun­schweig entstand‘ (Robert Jordan, 1949). Das Büchlein war „für jüngere Kinder“ gedacht und lag auch in den Schul­bü­che­reien aus. Wie verhielt es sich aber aller Wahrschein­lich­keit mit unserer Stadt­grün­dung?

Die Wissen­schaft ist sich da noch nicht vollkommen schlüssig, aber in der Publi­ka­tion ‚Braun­schweig – das Bild der Stadt in 900 Jahren‘, Braun­schweig, 1985, findet sich im Band 2 folgender wichtige Hinweis: „Die Okeraue, die sich im Stadt­ge­biet Braun­schweigs auf etwa 300 m Breite verengt, hatte ein durch­schnitt­li­ches Höhen­ni­veau von 68 m über NN. Nördlich der engsten Stelle, an der sich eine Furt befunden haben könnte, ragte eine Halbinsel in die Flußland­schaft hinein… Wahrschein­lich befand sich spätes­tens seit der Zeit um 900 auf dieser Halbinsel eine herrschaft­liche Burg…. Südwest­lich der Burg am heutigen Kohlmarkt lag eine kleine Siedlung. Boden­funde deuten auf eine Handwer­ker­sied­lung der 1. Hälfte des 9. Jahrhun­derts hin, in der metall­ver­ar­bei­tendes Gewerbe tätig war. In der zweiten Hälfte des 9. Jahrhun­derts verlegte man die Siedlung nach Westen auf das Gelände um die Jacobs­ka­pelle… auf dem Kohlmarkt wurde zu dieser Zeit der erste Bau der Ulrich­skirche errichtet. Im Laufe des 10. Jahrhun­derts dürfte die Kohlmarkt­an­lage erweitert worden sein… ob es in dieser Siedlung bereits fernhänd­le­ri­sche Aktivi­täten gab, kann noch nicht gesagt werden…“

Die älteste Urkunde, die eine frühe Namens­form unserer Stadt enthält, ist die Weihe­ur­kunde der Kirche St. Magni. Bischof Branthago aus Halber­stadt ließ bei diesem Ereignis den Namen ‚Brunes­guik‘ festhalten, aus dem dann im Spätmit­tel­alter ‚Brunswiek‘ wurde und ab dem 16. Jahrhun­dert ‚Braun­schweig‘. Dennoch soll nicht bestritten werden, dass hier das Herrschafts­ge­biet der Brunonen war. So gründeten Graf Liudolf und seine Frau, die Gräfin Gertrud d.Ä., das Burgstift St. Blasii um das Jahr 1030.

„Der Enkel Kaiser Lothars III., Herzog Heinrich der Löwe … war in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhun­derts der entschei­dende Initiator für den weiteren Aufschwung der Okersied­lung…“ (Zitat aus Braun­schweig – das Bild der Stadt in 900 Jahren).
Heinrich baute die Burginsel aus und befes­tigte sie. Wehrgraben und Mauer verliefen in nördli­cher Richtung. Wasser­bauer aus den Nieder­landen legten die Okernie­de­rung nördlich und östlich der Burghalb­insel trocken, die Siedlung ‚Hagen‘ entstand (Hagen = umhegter Bezirk, Stadt­mauer). Es ist nicht gesichert, ob Heinrich auch für die Entste­hung der Neustadt sorgte. Aber im 13. Jahrhun­dert waren alle fünf Weich­bilde – Altstadt, Neustadt, Hagen, Altewiek und Sack – mit einer umlau­fenden Wehran­lage gesichert und damit als eine Stadt anzusehen.

In der ersten Hälfte des 13. Jahrhun­derts entstand bereits die Ebstorfer Weltkarte, auf der wir unsere Stadt mit der Bezeich­nung ‚Leo‘ finden. Diese Tatsache auf einer solchen Karte, in der Jerusalem als Mittel­punkt des Glaubens zu sehen ist, unter­streicht die Bedeutung Braun­schweigs. Die Ebstorfer Weltkarte war nach derzei­tigem Kennt­nis­stand mit mehr als 2300 Text- und Bildein­trägen die größte und umfang­reichste des Mittel­al­ters. Sie zeigt die Erde als runde Scheibe. Mit mehr als zwölf Quadrat­me­tern ist sie außer­ge­wöhn­lich groß. Welfische Orte sind reichlich vertreten.

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