Die schonende Verjün­gungskur

Klaus Becker auf der „Chinesischen Brücke“, die in den Schlosspark Destedt führt. Foto: Ralph-Herbert Meyer.

In Destedt wird mit dem Schloss­park einer der ältesten deutschen Landschafts­gärten Stück für Stück wieder auf Vorder­mann gebracht.

Der Schloss­park in Destedt ist ein wunder­bares Ausflugs­ziel in der näheren Umgebung Braun­schweigs. Doch es sind vorwie­gend die Destedter selbst, die dort spazieren gehen und sich erholen. Denn seitdem die großen Reittur­niere 1990 endeten, ist der Schloss­park ein wenig in Verges­sen­heit geraten. Schade, denn er ist so herrlich angelegt, begeis­tert mit seinem jahrhun­der­te­alten Baumbe­stand und seiner maleri­schen Kulisse vor dem Anwesen der Familie von Veltheim. Seit etwas mehr als einem Jahrzehnt wird der nach engli­schem Vorbild gestal­tete Park auf Initia­tive des jetzigen Besitzers Johann-Friedrich von Veltheim nun wieder gezielt gepflegt und Stück für Stück saniert. Ein Ausflug dahin lohnt sich also wieder.

Wir unter­nehmen einen ausgie­bigen Rundgang mit Klaus Becker. Er, Freund der Familie und kompe­tenter Park-Liebhaber, empfängt uns an der prägenden „Chine­si­schen Brücke“. Sie führt seit rund 250 Jahren in den Park und steht als Sinnbild des Übergangs von der gegen­wär­tigen Welt in das paradie­si­sche Jenseits nach fernöst­li­cher Garten­kultur. Seit 1953 darf nun jedermann über die Brücke schlen­dern. Denn seit jenem Jahr steht der Park unter Landschafts­schutz und ist öffent­lich zugäng­lich.

Ein Netz schwung­voller „Brezel­wege” erwartet uns auf dem 6,5 ha großen Areal mit Teich, Palmen­haus, in dem es sich vortreff­lich Feiern lässt, Grotte und Pflau­men­berg. „Die Wege sind schon im 18. Jahrhun­dert angelegt worden“, berichtet Klaus Becker. Sie sind gepflegt und lassen sich problemlos gehen.

Die Brücke übrigens wurde 2009 origi­nal­ge­treu nachge­baut, die alte war während eines Sturms von einem umstür­zendem Baum stark beschä­digt worden. Ihre Restau­ra­tion ist Bestand­teil eines aufwän­digen Restau­rie­rungs­kon­zepts des Landschafts­ar­chi­tek­tur­büros Grahmann aus Cremlingen. Seit 2002 wird daran gearbeitet, dem Park seinen Stellen­wert als frühes Garten­kunst­werk und dendro­lo­gi­sche Sammlung zurück­zu­geben. Als Basis dafür dient ein Plan aus der Zeit der Parkent­ste­hung um 1772.

Reali­siert wird das Sanie­rungs­pro­jekt durch das Land Nieder­sachsen, die Europäi­sche Union, die Nieder­säch­si­sche Gesell­schaft zur Erhaltung histo­ri­scher Gärten, der Deutschen Bundes­stif­tung Umwelt, der Borek-Stiftung und auch mit Privat­mit­teln. „Die Arbeit im Schloss­park wird nie enden“, ahnt Klaus Becker, als wir an einem noch überwu­cherten Teil entlang­kommen. „Wenn man hinten fertig ist, muss man vorne wieder anfangen.“ So ist das.

Im Vorbei­gehen erzählt Klaus Becker auch von einem bemer­kens­werten Trio. Die Ungari­sche Eiche, der Tulpen­baum und die Blut-Buche – alle drei von imposanter Größe – stammen noch von der Erstan­lage des Parks aus dem Jahr 1765. Durchaus ehrfurchts­voll blicken wir an ihnen empor. Teilweise stehen sogar noch Bäume, die damals schon groß waren und somit wohl deutlich älter als 250 Jahre sein müssen.

Klaus Becker weiß von vielen Bäumen Geschichten zu erzählen. So auch von der Stiel­eiche, die 2007 dem Orkan Cyrill zum Opfer fiel. Heute ist an ihrer Stelle eine neue gepflanzt, aber ein Teil des mächtigen Stamms mit einem Umfang von 6.60 Metern liegt noch am selben Ort. Die aktuell 150 Bäume sind numme­riert. In einer Baumliste aus dem Jahr 2009 sind sie mit Höhe, Stamm­um­fang und Kronen­durch­messer aufge­führt. In der Blütezeit des Parks waren 495 unter­schied­liche Gehöl­zarten gezählt worden. „Der Grund­stock der dendro­lo­gi­schen Sammlung wurde durch aus Amerika impor­tierte Setzlinge und Samen gelegt“, berichtet Klaus Becker. Später seien die Pflanzen in Destedt kulti­viert und auch an den herzog­li­chen Hofgärtner nach Braun­schweig geliefert worden.

Seit 2002 ist eine Menge geschehen. Der Teich wurde auf Vorder­mann gebracht, zugewach­sene Sicht­achsen wieder freige­legt, histo­ri­sche Gehölze nachge­pflanzt. In der Blütezeit des Parks wurden 495 unter­schied­liche Gehöl­zarten gezählt. Die Treppe zum „Pflau­men­berg“, einem Aussichts­punkt mit künst­li­cher Grotte, wurde mit den Orginal­bau­teilen aus rotem Weser­sand­stein, soweit noch vorhanden, wieder aufgebaut. Fehlende Stufen wurden ersetzt. Eine histo­ri­sche Brücke wurde ebenfalls mit dem Orginal­ma­te­rial wieder aufgebaut. Die einzelnen Steine waren vor dem Abriss numme­riert worden und konnten so exakt in den ursprüng­li­chen Positionen wieder vermauert werden.

Schon 1306 wird Destedt zwar als Besitz der Familie von Veltheim urkund­lich erwähnt. Die Anlage des Gutsparks erfolgte aber erst nach einem Flächen­tausch mit Destedter Bauern ab etwa 1765 auf Veran­las­sung von Johann-Friedrich von Veltheim. „Einige der Bauern wollten nicht weggehen“, weiß Klaus Becker von einst hitzigen Debatten. Eine soll aus Wut über die Anordnung eine alte Eiche in der Krone gekappt haben. Erhalten ist aus jener Zeit auch noch der Brunnen der einstigen Bauern­sied­lung.

Zuvor gab es lediglich einen kleinen Franzö­si­schen Garten westlich des Schlosses. Johann Friedrich von Veltheim wollte aber nach der Heirat mit Marga­rethe Sidonie, einer Geborenen von Münch­hausen, ihr zu Gefallen einen weitläu­figen Landschafts­park anlegen. Der Destedter Park ist so einer der ersten Landschafts­parks in Deutsch­land, der nach einem durch­gän­gigen Gestal­tungs­kon­zept angelegt wurde. Grundlage waren Rousseaus Ruf „retour­nons á la nature“ (Zurück zur Natur) und auch die in England entwi­ckelte Natur­rechts­phi­lo­so­phie mit der Abkehr von den geome­tri­schen Kunst­park­an­lagen des Barocks.

„In dem enormen Potential an exoti­schen Gehölzen und diversen, dem Zeitge­schmack entspre­chenden senti­mental – melan­cho­li­schen Staffa­ge­bauten begründet sich der hohe garten­denk­mal­pfle­ge­ri­sche und kunst­his­to­ri­sche Wert des Parks. Auch heute finden sich noch sehr viele seltene Gehölze im Park, wie einer der größten Gingkos in der Region, das einzige blühende Exemplar einer Asimia triloba nördlich der Alpen oder die ersten auf dem Kontinent gepflanzten Tulpen­bäume“, schreibt Landschafts­ar­chi­tekt Kai-Uwe Grahmann in seinem Beitrag „Schloss­park Destedt – ein früher Landschafts­garten (http://www.gaerten-parks.de/gaerten-und-parks/landkreis-wolfenbuettel/schlosspark-destedt.html).

Er ist nicht der Erste der mit Begeis­te­rung über die Parkan­lage in Destedt urteilt. Das tat 1920 auch der damalige Präsident, der Deutschen Dendro­lo­gi­schen Gesell­schaft, Graf Schwerin. Er schrieb: „Der Park, garten­tech­nisch wohl der schönste von allen in diesem Jahr besich­tigten und dendro­lo­gisch überaus reich­haltig, war in tadel­losem Zustand.“ Dank des laufenden und 2002 erstellten Pflege-und Erhal­tungs­kon­zepts dürfte er auch heute noch begeis­tert sein. Oder besser gesagt: wieder.

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